42* DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

die HRK Produkte und Meinungsbilder
Miro
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Miro »

Nach zehn Durchläufen kann ich mir zu den einzelnen Tracks immer besser eine Meinung bilden.

Richtig gut finde ich:
Spießgesellen der Lüge
Der Prediger
Nimm mit mir vorlieb


Okay finde ich:
Pervers
Wenn du ohne Liebe bist
Völlig verzweifelt vor Glück
Der Wahrheit die Ehre
Heute ist gut
Die Dunkelheit hat nicht das letzte Wort
Mit welchem Recht


Nicht so mein Fall sind:
Ich bin so müde
Ein sorgloses Leben
Die Zeit ist reif
Nackter Fischer
Ghosti
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Ghosti »

Ich kann mich der allgemeinen Begeisterung auch nicht so recht anschließen. Klar, „Der Wahrheit die Ehre“ ist anders, aber ist das gut?


Als erstes stößt der Klang auf: Kaum Dynamik, laut, bisweilen gar krachig, kratzig. Hätte ich Vinyl gekauft, würde ich mich fragen, ob die Pressung schlecht oder die Nadel hinüber ist.

Einige Kompositionen sind eher einfach gehalten und wollen zunächst wenig zur ambitionierten Produktion passen. Effekte, Verzerrungen sind nette Spielereien, überlagern aber gerne zu stark die Instrumente.
Es ist wohl auch kein Zufall, daß auf dem Album kein Song so wirklich hervorragt - es scheint nicht gelungen, aus einzelnen Stücken das Letzte rauszuholen. „Völlig verzweifelt vor Glück“ und „Nackter Fischer“ sind stark, hätten jedoch Übersongs werden können, wenn’s darin noch echte Höhepunkte gäbe. Der eigentlich feine Rocker „Ein sorgloses Leben“ mit dem mitreißenden Refrain und den griffigen Gitarren- und Keyboard-Solos klingt zum Teil recht schwammig, da ist z.B. „Hartmann“ vom letzten Album knackiger. Mit „Nimm mit mir vorlieb“, „Wenn du ohne Liebe bist“ und „Ich bin so müde“ plätschern mindestens 3 Songs ohne mich aufhorchen lassende Passagen vor sich hin, wobei letzterer zumindest vom Rhythmus her erfreulich zügig ist.
Der Titelsong „Der Wahrheit die Ehre“ ist typischer Kunze-Country mit traditioneller Martin Steel Guitar und gefällt mir bislang vermutlich deshalb am besten. Aber der klingt tatsächlich auch richtig frisch und treibend.
Wenn ein Gitarrist wie Peter Weihe zur Verfügung steht, gebührt ihm entsprechend Platz zur Entfaltung. Natürlich ist er kurzfristig eingesprungen und kein neues, festes Mitglied der Verstärkung, trotzdem hätte ich gerne mehr Solos von ihm auf dem Album gehört. Denn daß er das ganz vorzüglich kann, wissen wir ja spätestens seit „Der Clown schreit Feuer“.

Auch die Abmischung finde ich nicht optimal. Häufig sind Instrumente, die der Hintergrunduntermalung dienen sollten, zu weit im Vordergrund und umgekehrt. Manchmal ist die eigentlich prägnante Rhythmusgitarre zu weit außen oder irgendwo drunter, wodurch dem ein oder anderen Song einiges an musikalischer Schärfe genommen wird (z.B. „Spießgesellen der Lüge“ und das schon angesprochene „Ein sorgloses Leben“).

Die beiden Songs von Heiner sind gelungen. „Heute ist gut“ gefällt besonders in den Strophen und mit der feinen Baßlinie von Raoul Walton, „Die Zeit ist reif“ hat im Refrain eine unwiderstehliche Melodie.


Die Eingangsfrage kann ich noch nicht abschließend beantworten. Nach öfterem Hören überzeugen doch einige Songs trotz der Kritikpunkte, Favoriten perlen sich so langsam heraus…
Mit „Rückenwind“ hatte ich seinerzeit ob des neuen Produzenten auch so meine Probleme, heute finde ich es über weite Strecken sehr gut. Oft ist es ja auch ein gutes Zeichen für die Langfristigkeit, wenn ein Album nicht sofort begeistert, weil es langsam entdeckt werden will. Das kann also durchaus noch was werden mit mir und „Der Wahrheit die Ehre“, es kommt auch ein bißchen darauf an, was noch folgt. Ein HRK-Album bemißt sich nicht nur an der Kenntnis der Vorgänger, sondern einst auch an der der Nachfolger.
Zuletzt geändert von Ghosti am 24 Feb 2020, 14:34, insgesamt 1-mal geändert.
Kalle
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Kalle »

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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Kalle »

QUELLE PRESSE

Heinz Rudolf Kunze: Den Fakenews den Kampf ansagen
WIR SIND PERVERS IM ALLERVERNÜNFTIGSTEN SINN

Deutsche Liedermacher, die eine differenzierte Meinung haben und diese auch lautstark kundtun, braucht das Land heute so sehr wie schon lange nicht mehr. Es gibt derzeit etwas zu sagen für den Pop- und Politpoeten, und zwar nicht zu knapp. „Der Wahrheit die Ehre“ sind 14 Songs voller Elegie, Empathie, Energie und voller politischer und persönlicher Verantwortung für die Welt und die eigene direkte „Um“-Welt. Ein Alben voller Hymnen mit Songs, die... weiterlesen
https://musicheadquarter.de/2020/02/23/ ... f-ansagen/

Noch mehr Presse:
https://www.morgenpost.de/kultur/articl ... stark.html

https://www.tz.de/stars/helene-fischer- ... 57855.html

https://www.volksstimme.de/musik/cdkrit ... 2541454000
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Ghosti »

Die Beschäftigung mit dem neuen HRK-Album ist natürlich obligatorisch, auch wenn ich diesmal aus verschiedenen Gründen gar nicht so den Bock darauf hatte. Also hab ich gehört und gehört, hier und da probiert, rumgespielt…
Heinz hat mal zu den „Hardcore-Fans“, die regelmäßig über diese und jene Lieder meckern, gesagt, „die sollen halt die anderen hören“. Das war doch ’ne klare Ansage, an die ich mich halte, weil er einfach recht hat. Drum hab ich den Rotstift genommen und „Der Wahrheit die Ehre“ auf das gute alte LP-Format gestutzt.

Der Opener ist geblieben. In „Der Prediger“ hab ich mich nach anfänglicher Skepsis eingehört, mich eingewöhnt, ohne daß lediglich die Gewöhnung gesiegt hätte. Wie vermutet und gehofft, macht der sich im Album-Kontext doch sehr gut, gibt die Richtung vor - zornig, kraftvoll, frisch.
Auch Titel Nummer 2 bleibt derselbe. „Völlig verzweifelt vor Glück“ mit seinem ungewöhnlichen Aufbau ändert zwar die Gangart, sodaß bereits ein musikalischer Kontrast entsteht, nicht jedoch die Stimmung, die weiterhin alles andere als glücklich ist, die entsprechende Atmosphäre schaffen Heinz’ Gesang und die eigenwilligen Keyboards. Interessante Anmerkung von Heinz: „’ Völlig verzweifelt vor Glück’ handelt wohl davon, daß sich ein Künstler unverstanden fühlt, von den falschen Leuten für die falschen Sachen Applaus bekommt, immer für ‚Dein ist mein ganzes Herz’ und nicht für die wirklich guten Lieder.“
Dann wird bretthart reingehauen, wir sind „Spießgesellen der Lüge“, „Abschaumschläger“ - der Zorn wird regelrecht giftig und ätzend. Immer noch die Originalreihenfolge, so einen rücksichtslosen Einstieg in ein HRK-Album gab’s wohl noch nie. Der Song hat noch einen kurzen, synthetischen Einschub, der möglicherweise eine kleine Reminiszenz an „The Rumour Brass“ sein könnte (des Produzenten HRK-Lieblingsalbum ist ja „Gute Unterhaltung“).
Und wo’s gerade so schön hämmert, kracht und sägt, laßt uns gleich noch „Pervers“ sein. Daß die Gitarren im Refrain so tief verzerrt braten, war wohl die brillante Idee von Udo Rinklin. Das plötzlich aus der Rolle fallende Zwischenstück ist auch so ein unerwarteter „Schweinkram“… Heftig!

An der Stelle endet meine A-Seite für eine kleine Verschnaufpause, um die Platte umzudrehen.

Seite B beginnt mit „Nackter Fischer“, dem „dunklen Herz der Platte“. Düster, drückend, atmosphärisch weckt der Song in den beinah fiebrigen musikalischen Zwischenspielen Erinnerungen an „Goethes Banjo“, einem der besten Kunze-Stücke überhaupt. Nach den Berichten der Chef-Wunderkinder spielt Heinz hier höchstselbst Lead- und Baßgitarre.
Der offenbar nicht ganz aufgegangene Plan für ein „Ein sorgloses Leben“ hellt die Stimmung erstmals auf, ein amüsanter Rocker, der unglückliche Bankräuber und seine Uschi sorgen zur Abwechslung für Schmunzeln, wozu es bis hierhin keinerlei Veranlassung gab. Der schmissige, dreistimmige Refrain geht gnadenlos ins Ohr, in der Mitte grandiose Gitarren- und Keyboardsolos - das wäre meine Vorab-Single fürs Radio gewesen. Es ist zugleich das auf jede Kunze-Platte gehörende Liebeslied.
Dann der lange Titelsong „Der Wahrheit die Ehre“, musikalisch und textlich eine typisch feine Kunze-Nummer. Folkig eingeleitet von einer Mandoline gesellen sich immer mehr Instrumente dazu, nimmt das Stück immer mehr Fahrt auf. Martins traditionelle Steel Guitar setzt längst lieb gewonnene Akzente, grollende Interludien und das sich in Rhythmus und Intensität mehrfach steigernde Schlagzeug sorgen für die nötige Frische. Die knapp sieben Minuten vergehen wie im Flug, phantastisch!

Konsequenterweise ist hier bereits Ende, das ist stimmig, in sich geschlossen. Nur knapp 34 Minuten, aber die Länge ist ja nicht entscheidend (SLAYERs „Reign In Blood“ war nicht mal 30 Minuten lang und ist heute ein absolutes Kultalbum). Mit „Der Wahrheit die Ehre“ in dieser Form würde ich bei Genießern guter, kräftiger Rockmusik mit anspruchsvollen Texten hausieren gehen und vermutlich meinen Enkeln noch davon erzählen wollen.

Auf der B-Seite ist jedoch noch etwas Platz, deshalb gibt’s auch eine Fan-Edition mit Bonustrack. Und dieser ist „Heute ist gut“, nicht als Lückenfüller, sondern weil ich ihn richtig gut finde, besonders - wie bereits erwähnt - in den Strophen und der feinen Baßlinie von Raoul Walton. Und weil er von Heiner ist, dementsprechend ein echter Bonus für echte Fans. „Bonus“ aber eigentlich auch nur deshalb, weil doch deutlich erkennbar ist, daß hier ein ganz anderer Produzent verantwortlich war.

Zusammenfassend sähe die Platte in meiner Fan-Edition also so aus:

Seite 1

1. Der Prediger
2. Völlig verzweifelt vor Glück
3. Spießgesellen der Lüge
4. Pervers

Seite 2

5. Nackter Fischer
6. Ein sorgloses Leben
7. Der Wahrheit die Ehre
8. Heute ist gut (Bonustrack)

Über die weggefallenen Stücke gibt’s von mir nix zu meckern, die passen momentan nur nicht zu meinem Gemüt. Am ehesten könnte vielleicht mal „Nimm mit mir vorlieb“ nachrücken.
Zuletzt geändert von Ghosti am 27 Feb 2020, 02:19, insgesamt 4-mal geändert.
An
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von An »

Auch ich bin mir noch nicht ganz sicher beim neuen Album. Gut finde ich, dass es fast keinen Schlager gibt - tatsächlich ist für mich "Ein sorgloses Leben" sowohl musikalisch als auch textlich ein Schlager. Da nützt auch die Gitarre nichts.

Gelungen finde ich "Völlig verzweifelt vor Glück", "Nimm mit mir vorlieb", "Heute ist gut", "Pervers" sowie die letzten drei Stücke.

Neben dem sorglosen Leben kann ich auch auf "Ich bin so müde" verzichten - das finde ich textlich und musikalisch langweilig.

Der Opener will mich nicht recht überzeugen. Textlich finde ich die Aufzählung der Orte doch recht schwach. Zumal so das Thema Prediger in den digitalen Meiden außenvor bleibt. Hier wäre mehr möglich gewesen bei der Behandlung der Thematik. Musikalisch kracht es mir zu sehr. Gleiches gilt für "Spießgesellen der Lüge". Hier hätte mich eine andere Abmmischung eher angesprochen. Vom Klang her heben sich auch die Lürig Stücke deutlich vom Rest ab. Der Sound ist hier klarer/transparenter, die einzelnen Instrumente treten deutlicher zutage.

Beim "Nackten Fisch" brauche ich noch ein wenig Zeit.

"Wenn du ohne Liebe bist" ist nicht schlecht, allerdings finde ich, wäre das noch besser gegangen. "Mit welchem Recht" finde ich tendenziell gut, aber irgendwie ist mir das Stück auch auf halber Strecke stehen geblieben, ohne dass ich das ganz erklären kann.

In jedem Fall positiv ist die Gesamtausrichtung! So wie ich es mir immer gewünscht habe. Mutig und ohne die sonst üblichen Kompromisse. Ach ja, an "Korrekt" reicht es meines Erachtens nicht heran. Ich wünsche dem Album in jedem Fall die verdiente Aufmerksamkeit, die hoffentlich größer ist als in den letzten Jahren, damit am neuen Konzept festgehalten werden kann.


Kommt eigentlich im Rolling Stone eine Besprechung?
MartinB
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von MartinB »

Nach einigen Durchgängen bin ich sehr einverstanden mit dem Album.

Endlich mal wieder eine Kunze-Scheibe ganz ohne Ausschuss. Ich kann vollkommen schmerzfrei die CD durchhören. Null Müll!

Klar, das Sounddesign ist ungewöhnlich. Anfangs hatte ich auch hier und da Stirnrunzeln angesichts der Verzerrungen, Effekte und dem meist groben Sound. Inzwischen gefällt es mir aber gerade, dass dadurch ein spezieller "Fingerabdruck" gesetzt wurde. Der Wahrheit die Ehre weist so eine ganz spezielle musikalische Identität auf, die sie unverwechselbar macht. Mir gefällt gerade das inzwischen richtig gut. Klingt "anders", stellenweise extrem (Höhepunkt der Refrain von "Pervers" - klingt nach kaputten Lautsprechern, übersteuert bis zum Weissnichtwo, aber eben ->Pervers, von daher passt es schon). Der Drumsound z.B. ist eigentlich übelst - matschich-patschich, dumpf und rumpelig. Erinnert mich stark an die Zeit (Achtziger), wo es üblich war, die Trommeln mittels aufgeklebter Tempotücher "totzustimmen". Spätestens beim Titelstück erweist sich dies aber als gelungener Kunstgriff. Und was der Jens da so inhaltlich von sich trommelt ist über jeden Zweifel erhaben. Auch wenns aufs erste Ohr Scheisse klingt ist es doch ziemlich grandios.

Jede Menge Retro-Sounds. Der nackte Fischer und Goethes Banjo korreieren durch die Auswahl der Gitarrensounds, das gewählte Tempo und andere Feinheiten, die ich gar nicht soo klar definieren kann, auf feinste. Das Intro von "Mit welchem recht" befeuert bei mir sofort die Freude, ein klassisches Heinz-Hook zu hören. Wenn du ohne Liebe bist so hoffnungslos traurig wie zu besten "Niedermacher"-Zeiten. Undundund... Gaaanz viel typisches Kunze-Zeuchs mit Assoziationswert an achsogutealteZeiten. Martin Huchs Beiträge katapultieren mich in selige "Macht Musik Zeiten" zurück. Das ganze Album klingt nach der "Fortsetzung des Heinz Rudolf Kunze", als wären die letzten zehn Jahre nicht gewesen.

Nicht nachvollziehen kann ich die Formel "Verstärkung meets Räuberzivil". Möglicherweise fehlen mir aber auch inzwischen die Haare, an denen ich solches herbeiziehen könnte.

Die beiden Stücke mit Heiner heben sich ab und sind m.E. echte Ohrwürmer. Heute ist gut geht ab wie Sau (Waltons unwiderstehlich grooviger Bass, die Unisono Breaks, der optimistische Text - der Sonnenschein-Moment des Albums!) und - oh Wunder, das von mir bisher eher skeptisch beäugte, aber höflich akzeptierte "Zeit ist reif" bekommt im Albumkontext nochmal richtig Bedeutung. Der Refrain hatte mich nach Erscheinen sogar gegen meinen Willen hartnäckig verfolgt. Jetzt weiss ich, warum das so war / ist. Die vertonte Banalität des Wichtigen möchte ich es hier mal nennen...

Die Dramaturgie des Albums ist stimmig. Prediger - perfekter Einstieg. Dunkelheit - perfekter Ausklang. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit verspüre ich gar nicht das Bedürfnis, das Album mal versuchsweise im Random-Modus zu hören. Während des Hörens nicht der geringste Wunsch, mal die Skip-Taste zu bedienen. Es ist gut, wie es ist. Eine runde Sache. Keinerlei Einwände, Euer Ehren...

Mir gefällt auch, wie das Album den Zeitgeist, die Gegenwart abbildet. Passt perfekt in die Zeit. Potokolliert so ziemlich alles relevante des Jahres 2020. Politisch korrekt (manchmal bis zum abwinken bei Mit welchem Recht, aber egal), wo es sein muss auch angemessen brutal, und mit besten Absichten gespickt. So zeitgeistmässig authentisch waren m.E. Draufgänger und die schlafenden Hunde.

Weiteres grosses Plus: nur ein Liebeslied, dieses aber absolut unpeinlich und altersgerecht. Nimm mit mir Vorlieb kann ich als dreiviertelsechzig-jähriger problemlos annehmen und mitlieben. Liebeslieder interessieren mich seit meiner Postpubertät kaum noch, aber dieses spricht mich an.

Keine Ausblenden! Jedes Stück ist bis zum Ende auskomponiert. Auch das gefällt mir sehr. So soll es sein,

Aus aktuellem Anlass muss ich hier mal unterbrechen, obwohl ich noch einiges vermelden möchte.
Tod der Musikindustrie!
Ian
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Ian »

So, nachdem jetzt noch einige Durchläufe dazugekommen sind, hat sich mein Gefühl, das beste Kunze-Album seit Korrekt in den Händen zu haben, noch weiter verfestigt. Damit meine ich nicht, dass ich es für gleichwertig oder sogar besser als Korrekt halte. Dafür ist dieser Monolith in seiner kompromisslosen Vielfalt, seiner Verspieltheit, seiner Länge und dem Mut zu experimentieren einfach zu einzigartig. Trotz der beinahe absurd wirkenden Mischung verschiedenster musikalischer Stile ist es für mich immer noch das „rundeste“ Album von HRK. Das liegt insbesondere an der Tatsache, dass ich trotz der Menge an Material auf keinen Song wirklich verzichten wollen würde - insbesondere nicht, wenn ich das Album komplett höre. Für sich allein ist ein Stück wie „Himbeerbaby“ für mich absolut verzichtbar, innerhalb der Dramaturgie des Albums allerdings passt es und muss genau an dieser Stelle sein.

Und da kommt dWdE ins Spiel. Ab Korrekt konnte ich kein Album mehr wirklich am Stück als Gesamtwerk hören. Jedes hatte seine Highlights aber zunehmend mehr Material, das ich nach dem ersten Hören nicht direkt noch einmal hören wollte. Bei Rückenwind war dieses Verhältnis noch sehr highlight-lastig, beim Original schon weniger bis hin zur Gunst der Stunde, die ich ausschließlich ab und zu hervorhole, um die Sanduhr zu hören und mich zu fragen, warum dieser Übersong so kurz ist. Etwas besser aber immer noch recht bescheiden war die Ausbeute dann bei Stein vom Herzen und Deutschland - letztere aber nur in der limitierten Auflage der limited edition. Der Kakadu überstrahlt einfach alles. Auf dem regulären Album packt mich allerdings so richtig nur „Die letzten unserer Art“. Seitdem geht es meiner Meinung nach steilstens bergauf, denn im Schicksal ist ein hervorragendes 45-Minuten-Album versteckt. Schade nur, dass es versteckt werden musste. Jetzt allerdings wird nichts mehr versteckt, sondern Heinz geht all-in!

In vielerlei Hinsicht erinnert mich die Platte an Rückenwind. Auch so ein Neustartmoment mit neuem Produzenten und frischem Sound.
Ja, totkomprimiert und an vielen Stellen übersteuert (DAS Kunze-Album, von dem ich mir am meisten ein Remaster wünsche, so im Stil von Vapor Trails remixed von Rush…), aber LEBENDIG! Zwischen 2005 und 2017 klang vieles so zurückgenommen, weichgespült und unmutig. Nicht wie eine Band, die Bock hat, zu spielen. Eher wie ein Multiinstrumentalist, der am Laptop in gleicher Lautstärke Spur über Spur legt, ohne das spontane Element wirklicher Interaktion. Diese Zeit ist nun (erstmal?) vorbei. Jens ist plötzlich nicht mehr reiner Taktgeber sondern Drummer. Alle in der Band klingen erfrischt und wie von einem Grauschleier befreit. Ich verstehe, dass die Effektbeladenheit nicht jedermanns Sache ist, auf diesem Album ist sie für mich allerdings wie ein roter Faden, der alles zusammenhält. So wie damals bei Rückenwind.

Was aber das Wichtigste für mich ist - ich kann dieses Album am Stück hören. Ich WILL dieses Album am Stück hören und ich möchte es weitergeben, weiterverschenken, weiterempfehlen, ohne die Einschränkung von „also die 3, die 6 und die 8 bitte skippen, weil… naja, damit will er zu Carmen Nebel oder Helene Fischer, aber sonst ist das wirklich ernsthafte Rockmusik, wirklich!“

Zum ersten Mal seit Korrekt ist das Verhältnis „hörbar“ zu „skipbar“ 13:1, unglaublich. Das habe ich praktisch nie, egal bei welchem Künstler. Die 1 ist in diesem Fall „Ein sorgloses Leben“. Musik völlig OK, aber der einzige Text, der bei mir, insbesondere im Albumkontext, einfach nicht richtig funktioniert. Das liegt zum einen daran, dass ich merkwürdigerweise Probleme mit Texten habe, in denen Namen sehr präsent sind, insofern sind auch „Brigitte“ und „Susanne, es ist aus“ nichts für mich. Zum anderen ist der Text mir nicht konsequent genug. Wenn Heinz diese Idee bei den Springsteen-Übersetzungen hatte, dann bleibt er mir ein bisschen zu kurz und an der Oberfläche. Aus der Geschichte des halbgeglückten Bankraubs und der verlorenen Liebe hätte man mehr machen können. So bleibt der Song für mich der einzige Fremdkörper auf dem Album. Nicht albern genug, um einen wirklichen Gegensatz zum Rest zu bilden, nicht „tief“ genug, um in sich dem Album etwas zu „geben“. Aber egal, bisher habe ich die Platte immer ganz gehört, denn wirklich schlecht finde ich auch dieses Lied nicht.

Ansonsten hat die Platte mit dem Titelstück das, was ich an HRK-Alben besonders liebe, nämlich den langen, sich steigernden Song mit dem Text, den ich nicht vollkommen verstehe, der aber Textzeilen besitzt, die mich ganz tief berühren und trotzdem irgendwie ungreifbar bleiben (siehe Stirnenfuß, Lebend kriegt Ihr mich nicht). Warum die im Booklet dokumentierte zusätzliche Strophe nicht gesungen wird, weiß wohl nur Heinz selbst. Für mich könnte der Song noch gut 5 Minuten weitergehen. Für mich der Übersong des Albums.

„Mit welchem Recht“ möchte ich verpflichtend jede Stunde einmal auf jedem Radiosender der Republik laufen lassen. Musikalisch top, textlich der Moment, bei dem ich mir den Kopf von Heinz tätowieren lassen möchte. In Originalgröße. Besonders gefällt mir, dass der Text nicht mit erhobenem Zeigefinger von oben herab kommt, sondern einfach nur Fragen stellt. Wichtige Fragen.

„Nackter Fischer“: „Goethes Banjo“, alles Weitere wurde oben schon gesagt. Geil. Hoffe auf ausgelassene, lange Liveversion. Die persönlich-emotionale Seite wird mit „Nimm mit mir vorlieb“ und „Wenn Du ohne Liebe bist“ hervorragend bedient. Warm, melodisch und völlig unkitschig. „Die Zeit ist Reif“ ist so richtig schön anheimelnd. Textlich ein bisschen „Mehr als dies 2“, musikalisch erinnernd an warme, melodische Heinz & Heiner-Nummern wie „Leg nicht auf“. Rund, nostalgisch, schön. OK, wo Heiner die Axt schon einmal auf dem Schoß hatte, hätte er ruhig noch ne Minute mehr solieren dürfen, aber das sind Marginalien.

Apropos Heiner - die zweite H&H-Nummer „Heute ist gut“ wächst für mich bei jedem Hören weiter. Grandioses Intro, wuchtige Strophen, geile Unisono-Breaks und Groovemeister Walton zupft sich großartig einen zurecht. Heinz in so positiv und lebensbejahend mag erstmal Erstaunen auslösen, in Kombination mit DER Musik jedoch bleibt für mich am Ende nur Begeisterung.

Der besondere Wert des Openers besteht für mich besonders darin, dass er die erste Single war und deutlich gemacht hat, dass Heinz seinen Rosenvorrat, aus dem er in den letzten 10 Jahren die Auskopplungen gefüllt hat, endgültig aufgebraucht hat. Diese Signalwirkung war meines Erachtens nach die Initialzündung für den (momentan von mir nur angenommenen) Erfolg des Albums.

Diesen Erfolg wünsche ich dem Album mehr als jedem zuvor, denn ich fänd es fast unverzeihlich, wenn auf dieses neu entfachte Feuer gleich wieder ein Management- oder labelinduzierter Regen folgen würde, wie es nach Korrekt und Rückenwind der Fall war. Heinz hat sich in den aktuellen Interviews sehr weit aus dem Fenster gelehnt („Schlagerscheiße“) und es wäre ihm zu wünschen, dass er nach dieser Platte so weitermachen dürfte, wie er es für richtig hält. Bei MAWI/Meadow Lake habe ich aber zum ersten Mal das Gefühl, dass das wirklich klappen könnte. An so viel Promo wie zu diesem Album kann ich mich lange nicht erinnern. Die Tatsache, dass die Boxen fast ausverkauft scheinen, CD und Vinyl nachgepresst werden müssen, und die Tour bereits Zusatztermine bekommen hat, lässt zumindest hoffen, dass es bei der künztlerischen Freiheit erst einmal bleiben kann. Es wäre ein Traum, wenn das angekündigte Spätwerk in diesem Stil und mit dieser Spielfreude weitergehen würde.

PS: In dem dankenswerterweise hier verlinkten „mdr um 4“-Beitrag wurden Sequenzen aus dem Auftritt vom 09.11.80 gezeigt. Diese habe ich zum ersten Mal gesehen. Gibt es das irgendwo komplett? Eine Live-DVD der kommenden Tour mit diesen Aufnahmen als Bonus würde sich doch gut als Geschenk zum 40. Bühnenjubiläum machen, oder?
"Somewhere between the time you arrive and the time you go may lie a reason you were alive, but you'll never know." Jackson Browne, 1974
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Miro »

An hat geschrieben: 26 Feb 2020, 22:13Kommt eigentlich im Rolling Stone eine Besprechung?
Keine Ahnung, aber in der neuen "SCHALL." ist eine ziemlich reservierte Besprechung drin.
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Ghosti »

Ian hat geschrieben: 27 Feb 2020, 13:14 Damit meine ich nicht, dass ich es für gleichwertig oder sogar besser als Korrekt halte. Dafür ist dieser Monolith in seiner kompromisslosen Vielfalt, seiner Verspieltheit, seiner Länge und dem Mut zu experimentieren einfach zu einzigartig. Trotz der beinahe absurd wirkenden Mischung verschiedenster musikalischer Stile ist es für mich immer noch das „rundeste“ Album von HRK. Das liegt insbesondere an der Tatsache, dass ich trotz der Menge an Material auf keinen Song wirklich verzichten wollen würde - insbesondere nicht, wenn ich das Album komplett höre. Für sich allein ist ein Stück wie „Himbeerbaby“ für mich absolut verzichtbar, innerhalb der Dramaturgie des Albums allerdings passt es und muss genau an dieser Stelle sein. [...] Ab Korrekt konnte ich kein Album mehr wirklich am Stück als Gesamtwerk hören.
Das geht mir genauso, wobei ich bis einschließlich "Korrekt" alle Alben immer noch nur komplett am Stück hören will (die meisten öfter, ein paar wenige seltener). Aber bei "Korrekt" war das ob der Länge und Fülle schon eine ganz besondere Leistung.
Ab "Halt" hab ich mir bei jedem Album meine eigene Playlist zusammengestellt, in der bestimmte Songs nicht (nie) vorkommen. "Jesus Tomahawk" (also das Album) ist davon übrigens auch betroffen, insgesamt gefällt es mir zwar besser als "Halt", weil da ganz feine Songs drauf sind, die uns zunächst vorenthalten wurden ("Killing No Murder", "Weil sie nicht gestorben sind"), aber auch einige, die bei mir schon bei "Halt" rausgefallen sind.
Ian hat geschrieben: 27 Feb 2020, 13:14 In dem dankenswerterweise hier verlinkten „mdr um 4“-Beitrag wurden Sequenzen aus dem Auftritt vom 09.11.80 gezeigt. Diese habe ich zum ersten Mal gesehen. Gibt es das irgendwo komplett? Eine Live-DVD der kommenden Tour mit diesen Aufnahmen als Bonus würde sich doch gut als Geschenk zum 40. Bühnenjubiläum machen, oder?
Da waren noch mehr Ausschnitte zu sehen, wovon ich gerne komplette Aufzeichnungen hätte (Konzert bei der Friedenswoche der Berliner Jugend 1988, Konzert der "Rockpoeten-Tour" in Berlin-Weißensee 1989, die Doku über die "Rockpoeten-Tour" in "Dramms"). Ich würde zu gerne mal einen Tag lang im Archiv des MDR stöbern...
Oder sollten wir tatsächlich mal solche Veröffentlichungswünsche zum 40. an Heinz herantragen?
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Thofrock »

PLATZ 3 https://www.offiziellecharts.de/charts/ ... jnGQ5gryBw

Wenn mich nicht Alles täuscht, der höchste Charteinstieg aller Zeiten für Heinz. Ich bin platt!

Baden-Baden (dts Nachrichtenagentur) – Die südkoreanische K-Pop-Band BTS steht neu an der Spitze der offiziellen deutschen Album-Charts. Das teilte die GfK am Freitag mit. Das Album „Map Of The Soul: 7“ stieg direkt auf dem ersten Platz der Hitliste ein, gefolgt von „Ordinary Man“ des britischen Rockmusikers Ozzy Osbourne, dessen Album ebenfalls neu einstieg. Dahinter befindet das Neueinsteiger-Album „Der Wahrheit die Ehre“ des deutschen Liedermacher Heinz Rudolf Kunze auf dem dritten Rang. In den Single-Charts steht „Blinding Lights“ des kanadischen Sängers The Weeknd weiterhin an der Spitze, gefolgt von „Rich Rich“ von Ufo361, dessen Single neu einstieg. Auf dem dritten Rang befindet sich „Schüsse im Regen“ von Samra, dessen Single auch neu dabei war. Die offiziellen deutschen Charts werden von GfK Entertainment im Auftrag des Bundesverbandes Musikindustrie ermittelt. Sie decken 90 Prozent aller Musikverkäufe ab.
DasUltimatum
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von DasUltimatum »

Thofrock hat geschrieben: 28 Feb 2020, 21:33 PLATZ 3

Wenn mich nicht Alles täuscht, der höchste Charteinstieg aller Zeiten für Heinz. Ich bin platt!
Stimmt, Brille war auf Platz 4. Okay, die 17 Chartswochen von Brille wird Der Wahrheit die Ehre wohl nicht schaffen. Aber wenn es sich mehr als 5 Wochen in den Top 100 halten sollte, wäre das definitv der mit Abstand größter Erfolg der Neuzeit für HRK. Verdient!

8)
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Re: Album - DER WAHRHEIT DIE EHRE nach VÖ

Beitrag von Kalle »

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NEUES VON HEINZ RUDOLF KUNZE:
Hits gegen Rechts?
VON JENS BUCHHOLZ-

Auf seinem neuen Album „Der Wahrheit die Ehre“ übt sich Heinz Rudolf Kunze im Mark Forster-Sound. Aber geht man nach den Texten, ist die Platte voller Protestsongs. weiterlesen https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 38558.html
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