Herzlichen Glückwunsch HEINZ (zum 50.)

wie lebt er, was treibt er, wie wohnt er, woher kommt er ?

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Kalle
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Herzlichen Glückwunsch HEINZ (zum 50.)

Beitrag von Kalle »

gelesen hier http://www.antibuerokratieteam.de/2006/ ... sch-heinz/

Herzlichen Glückwunsch, Heinz!
Mittwoch, 29.11.06 17:30 by Oliver M.H.
Es wird Zeit, dass ich mich in diesem Blog oute: Ja, ich bin wahrscheinlich neben Adrian Schimpf der einzige liberale Fan von Heinz Rudolf Kunze, und das auch schon seit fast zwanzig Jahren.

So, jetzt ist es raus, und ich fühle mich auch gleich viel besser. Wenn man sich als HRK-Fan zu erkennen gibt, dann wird man von den meisten Zeitgenossen bestenfalls mit Unverständnis bedacht und schlimmstenfalls mitleidig belächelt. Heinz Rudolf Kunze: Ist das nicht dieser etwas oberlehrerhafte Liedermacher? Der Kämpfer für die Deutschquote im Radio? Der Schlagersänger?

Nun ist an all diesen Etiketten mit Sicherheit etwas dran, und Kunze hat seinen Teil zu diesen Vorurteilen beigetragen. Aber man wird HRK nicht gerecht, wenn man ihn in irgend eine Schublade stecken wollte. Die Schublade für HRK müsste nämlich noch gezimmert und selbst dann immer wieder einmal umgebaut werden. In seiner mittlerweile 26-jährigen Karriere hat sich Kunze nämlich ständig neu positioniert, neu orientiert, neu erfunden.

HRK: Das war zuerst ein Liedermacher, der von seiner Plattenfirma Anfang der 1980er Jahre liebevoll als „Niedermacher“ vermarktet wurde, so „lebensbejahend und optimistisch“ waren seine Texte. Im Ernst: An Sarkasmus und Zynismus war der junge Kunze, der gerade sein Germanistik- und Philosophiestudium abgeschlossen hatte, kaum zu überbieten. Statt nun aber wie geplant Lehrer zu werden (daher wohl das Etikett), stellte er sich einem Talentwettbewerb der „Deutschen Phono Akademie“, den er zur allgemeinen und vor allem zu seiner eigenen Überraschung auch noch gewann. Da stand dann ein Mittzwanziger auf der Bühne, der den 68ern gleich eine bitterböse Bestandsaufnahme vorhielt:

Wir sind jetzt mündig und wir haben nichts zu sagen.
Wir wählen selbstverständlich weiter S.P.D.
Wir haben keinen Grund, uns wirklich zu beklagen.
Der Sozialismus täte uns ein bißchen weh.
Wir kommen langsam in das glatzenwunde Alter,
das zwecks Karriere ein Bekenntnis nötig macht.
Zehn halbe Bier, und unsere Fahne hängt im Winde,
noch zwei dazu und wir verpissen uns zur Nacht.

(Bestandsaufnahme, 1981)

„Selbstverständlich weiter S.P.D.“ - ganz so selbstverständlich war das für HRK nicht. Im Gegenteil: Er engagierte sich politisch, sang bei der „Grünen Raupe“ für die Grünen im Bundestagswahlkampf 1983, dann für die SPD 1988 deren Parteilied „Das weiche Wasser bricht den Stein“, ließ sich vor vier Jahren vom CDU-Politiker Günter Nooke für die Bundestagsenquete-Kommission zur Kulturpolitik vorschlagen und bekannte gleichzeitig in Interviews, FDP zu wählen. Die Parteipolitik habe er hinter sich gelassen, betont Kunze in letzter Zeit immer wieder. Wertkonservativ sei er geworden … und ein noch energischerer 68er-Hasser als noch in seiner Liedermacherphase:

Da sitzt du nun du
FETTER ALTER HIPPIE
Parklückenkrieger Nabeldreckbohrer
da sitzt du nun du FETTER ALTER HIPPIE
im Bauch des Wals im Tran der Tage
Hängebackenschwer und die Glatze im Vormarsch
Sozialstaatswallach Mitbestimmungs-Model
glotzt aus dem Reihenhaus rennst vor die Tür
glotzt durch den Briefschlitz wieder rein
FETTER ALTER HIPPIE

(Fetter alter Hippie, 1994)

Und während sich HRK politisch einmal von Links nach Rechts durchs Spektrum gearbeitet hat, änderte sich auch sein Musikstil beträchtlich. Vom Lieder- und Niedermacher zum Endpunkt der Neuen Deutschen Welle („Dein ist mein ganzes Herz“), gefolgt von einem Ausflug ins Schlagerhafte („Du bist nicht allein“) bis hin zu rhythmusorientierter deutscher Rockmusik – es war alles auf seinen inzwischen gut zwei Dutzend Alben einmal dabei. Auch die Musiker um HRK wurden immer wieder einmal ausgetauscht.

Doch nicht einmal mit einer Beschreibung seiner musikalischen Laufbahn kann man HRK gerecht werden. Nebenbei schrieb er nämlich gleich noch mehrere Gedichtbände, übersetzte Musicals und ging mit literarischen Programmen auf Tour. Wer ihn dabei einmal live erlebt hat, weiß, was für ein Arbeiter HRK auf der Bühne ist.

Wenn es überhaupt zwei Konstanten in Kunzes Schaffen gibt, dann ist zum einen seine meisterhafte Beherrschung der deutschen Sprache. Und es ist eben Kunzes Sprachgewalt, die mich zum Fan Kunzes werden ließ. Gute Musiker – und wahrscheinlich auch bessere Musiker als Kunze – zu finden, ist nicht weiter schwierig. Doch wo gibt es noch Musiker, in deren Texten man auch nach Jahren und nach dem hundertsten Hören eines Titels immer noch etwas Neues, Verblüffendes, Überraschendes findet?

Zum anderen ist es Kunzes bitterböser Sarkasmus bzw. - in seinen eigenen Worten – sein „warmer, menschenfreundlicher Humor“. Zwei typische Beispiele für die HRK-Mischung aus Sprache und Sarkasmus aus seinen Gedichtbänden:

Es ist erreicht
es ist vollbracht
es werde Licht
es werde Nacht
ein jeder Schwachkopf
kann auf Erden
alles werden
alles werden
Geschmack und Geist
verläuft im Sande
hierzulande
hierzulande
hoch steigt sie auf
hoch lebe sie
die Idiotie
die Idiotie
das ist demokratisch
das ist tolerant
das ist sehr sympathisch
das ist interessant
das ist demokratisch
das ist freiheitlich
das feiere ich fanatisch
das begeistert mich
egal ob Mann
noch lieber Frau
wir nehmen es
nicht so genau
wir brauchen zwölf
statt zehn Gebote
den Trottelschutz
die Stümperquote
du bist zu blöd
zum Geradegehn
dann wolln wir dich
im Fernsehn sehn

(Demokratisch, 2006)

Oder auch:

Alt siehst du aus,
du Seniorentruppe zwischen Flensburg
und Berchtesgaden, zwischen Aachen
und Stralsund, gleichermaßen weit entfernt
vom Gefrierbrand wie vom Siedepunkt.
Die letzten deutschen Dichter
sprechen Verwahrlosungsworte:
Walhalla –
wer weiß, was das bedeutet,
ist entweder heldentot oder
wird bei RTL Millionär.
Weltweit führend in Windenergie –
die Entrüstungsstürme hiesigen Gefasels
lassen Wassergläser bersten,
bringen Giftfässer zum Überlaufen.
Hinter dem Landstrich aus Blut, Schweiß und Gähnen
zeichnet sich langsam ein Schlußstrich ab –
Deutschland, ein Spuckebläschen Eurasiens,
die Speichelprobe nicht bestanden,
lauter Todestriebtäter, die Freiheit absitzend,
die nicht verjährt.

(Reich ins Heim, 2003)

Heinz Rudolf Kunze feiert am 30. November seinen 50. Geburtstag. Wenn ich auch, HRKs Empfehlung folgend, meine eigenen Wege gegangen bin, so bin ich doch froh, auf diesen Wegen immer einmal wieder ein paar Denkanstöße von HRK bekommen zu haben. Ich hoffe, es werden noch viele weitere folgen.

In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Heinz!
Schreibe (Redet), was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es lesen (hören).
Epheser 4,29

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