Rahden

Moderator: Moderators

Antworten
Kalle
Das Original
Das Original
Beiträge: 2463
Registriert: 24 Nov 2002, 13:00
Wohnort: Nottuln
Kontaktdaten:

Rahden

Beitrag von Kalle »

In der St. Johannis-Kirche Rahden (Gründungsjahr 1353) wurde am 26. November Donnerstagabend, die Erfolgsgeschichte „Räuberzivil“ weitererzählt. Im touristischen Stadtführer beginnt die Beschreibung des Konzertsaals, der Kirche mit nachfolgendem Satz. Zitat: "Wer einen Raum betritt, beginnt ein Gespräch. Und dem, der versteht aufmerksam zuzuhören, dem erzählen die Steine ihre Geschichte. Sie berichten von den Wandlungen der Zeit, von den Menschen, die in ihnen lebten, von dem, was noch heute unser Leben prägt. Und ist der Raum ein kirchliches Gebäude, so erzählen sie auch von dem Glauben, dem Leid und der Hoffnung der Menschen. Sie wollen Gott loben, das Evangelium verkündigen, Mahnung sein und Zuspruch geben bis zum heutigen Tag." Ob dem Autor damals schon bekannt war, dass HEINZ hier auftreten würde?

Die Anreise verlief trotz starkem Regen recht unaufgeregt, sehr bekannte Kunze-Orte lagen am Weg. Lengerich, Osnabrück, Espelkamp und die Fahrt führte uns Heute eben nach Rahden, einen Ort den wir im Normalfall wohl kaum angefahren wären. Jetzt können wir Euch diese Stadt aber Durchaus ans Herz legen, echt knuffig und interessant. http://www.rahden.de/ Rund um den sehr schön gelegenen Kirchplatz waren emsige Leute damit beschäftigt, Verkaufs-, Essen- und Getränkestände aufzubauen. Viele Holzbuden waren rundum drapiert und vermittelten ein gemütliches, wohliges Ambiente. Unter dem Titel „Dezember-Träume“ würde hier ab Freitag der traditionelle „Rahdener Weihnachtsmarkt“ stattfinden.
BildBild

Auch in der Kirche herrschte schon um 16 Uhr geschäftiges Treiben. Peter Pichl und ein kleines technisches Team verkabelten die Kirche und sorgten so für Licht und Sound. Die Bühne war leider wieder mal recht klein mit 4x5 Meter. Peter will die Anweisung neu formulieren. Selber ist er sich aber bewusst, dass der folgende Branchenspruch wohl leider üblich ist „Nichts ist so alt, wie die aktuelle Bühnenanweisung“. Also nimmt man die vorgefunden Ge-gebenheiten so wie sie nun mal sind und macht das Beste daraus. Gegen 17 Uhr wird die Technik getestet. Mit Wolfgang und Hajo wird ein kleiner Soundcheck durchgeführt, mit ei-nem zufriedenen stellenden Ergebnis. Alles ist gescheckt und so kann man sich zurückziehen und sich auf einen schönen Konzertabend freuen. HEINZ und Wolfgang haben nur ein paar Tage Zeit gehabt ihre Erkältung, die bei HEINZ auch wohl die Stimmbänder arg in Mitleiden-schaft gezogen hatte und zur Verschiebung in Bruchhausen-Vilsen geführt hatte, zu kurieren. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer hätte sich eventuell sogar noch ein paar Tage mehr Ruhe gegönnt, aber diese drei umtriebigen Vollblutmusiker hält es nun mal nicht lange auf der gemütlichen Ofenbank. Die schnelle Genesung war erfreulich für die Konzertbesucher und für die Veranstalter Kül-Tür e.V. http://www.kul-tuer.de/, Evangelische Kirchengemeinde http://www.kirchengemeinde-rahden.de/und örtliche Sponsoren, natürlich auch, weil die Kirche mit rund 500 Personen so gut wie ausverkauft ist. Für die gerade mal vier Restkarten wäre die Öffnung der Abendkasse normal nicht mehr notwendig gewesen.
Pünktlich um 20 Uhr begrüßt der Kul-Tür Vorstand Detthard Wittler die Konzertbesucher mit einer netten Anekdote. Die Stadtarchivarin hätte ihm während der Konzertplanungsphase einen Zeitungsausschnitt gegeben, mit folgendem Inhalt - Zitat: „9. Mai 1968 – Osnabrück - der 12-jährige Heinz Rudolf Kunze vom Graf Stauffenberg Gymnasium in Osnabrück ist Sieger“ ...... mehr sei auf dem Zeitungsausschnitt nicht zu lesen, da die Archivarin damals mehr an dem Gedicht auf der Rückseite interessiert war und dieses entsprechend ausgeschnitten hatte. Durch Nachforschungen steht aber fest, dass es sich um den Sieger in Niedersachsen in der Vorausscheidung des bundesweiten Vorlesewettbewerbs des Deutschen Buchhandels handelte. Und dieser Sieger von damals steht Heute hier auf der Bühne der St. Johannis-Kirche und ist ein sehr erfolgreicher Künstler, mit noch viel mehr Auszeichnungen.

20:04 Uhr - Wolfgang und Hajo erobern unter viel Applaus die Bühne. Wolfgang´s Gitarre ist jedoch über die Lautsprecher nicht zu hören. Sekunden, die Peter vermutlich die Herztaktfrequenz in die Höhe treiben. Aufdrehen, wird zunächst an Wolfgang weitergegeben, das hilf jedoch nicht, die zweite Gitarre ist gut hörbar....mmh. Kabel vertauscht. Verflixt... Nach etwa drei Minuten kommt HEINZ aus dem Backstage (Sakristei) und ohne sich bei Wolli und Hajo anzumelden, ruft er spontan auf die Bühne „Ich schlage vor, ihr fangt noch mal an !“ und verschwindet genauso überraschend wie er aufgetaucht war. Die ganze Situation hat das Publikum recht erheitert zur Kenntnis genommen, so dass von Anfang an eine recht lockere, gelöste Stimmung aufkam. Was Peter jedoch auszuhalten hatte, möchte ich gar nicht wissen.

Die beiden Musiker beginnen den Abend mit einem neuen Intro (vergleich mit CD-Version) und spielen sich die Anfangsschwierigkeiten von der Seele. Auch ich möchte hier nicht nochmals die allseits bekannte Setliste aufzählen, sondern werde mich auf die Änderungen, Neuerungen beschränken. Es folgt der offizielle Auftritt von HEINZ, mit seinem lockeren „Na-bee..nd“ und der Vorstellung seiner Mitspieler „Zu Rechten Franz-Josef Jung, zur Linken Gui-do Westerwelle und mein Name ist Angela Merkel“ – „Wie gerade eben erlebt, nicht nur in Berlin, nein auch in Rahden, ist der Start der neuen Bundesregierung nun wirklich verpatzt“. Das Publikum kann abermals herzlich lachen...... und richtet sich auf musikalisch-literarische Streifzüge durch das umfangreiche Heinz Rudolf Kunze-Gesamtwerk ein.
Bild Bild

HEINZ wechselt für „Regen in Berlin“ an das Keyboard. Durch die beengten Verhältnisse auf der Bühne, dauert es eine Weile und dann muss er feststellen, dass seine Notenmappe nicht auf seinem Notenständer liegt. Abermals wird auch hier nach dem Thema „Live ist Live“ laut-hals nach „Conny ?!“ gerufen. „Conny ?! hörst Du mich, bist Du irgendwo?“ Nach einiger Zeit kommt Conny (pers. Assistent) aus der Sakristei (für heute Abend „Backstage“) und wird nun von HEINZ gebeten „Bring mir doch mal die kleine Mappe mit den Hieroglyphen drauf, das sind die Noten“. Gesagt getan und Conny findet die Mappe und bringt sie schleunigst auf die Bühne. Naja – nach dem verpatzten Start und ohne Backliner war das letztlich auch nur ein Grund für das Publikum, das menschliche, handgemachte eben das Liveerlebnis wirklich hautnah zu spüren. HEINZ war sicherlich „Not amused“, aber auch er weiß, das so was schon mal passieren kann. Durch die am Vormittag stattgefundene, äußerst positive Pressekonferenz in Hannover, in der die Fünfjahresoption für die Kunze/Lürig-Musicals in den Herrenhäuser Schlossgärten bekannt gegeben wurde, konnte der Rest des Tages sowieso nur noch „gut“ werden.

Bild Bild
Und so wurde das Konzert ja dann auch... eine rundum tolle Atmosphäre auf und vor der Bühne brachten das Publikum andauernd zum Zwischenapplaus und Standing Ovations. Was will der Künstler mehr.

21:05 Uhr – In die Pause schickt HEINZ die Zuhörer mit dem geliehenen, bekannten Satz „Trinkt Euch die Band schön“ – Vor und um die Kirche herum war der Weihnachtsmarkt und dessen Trink- und Essenstände geöffnet worden, die man nun zur Bewirtung der Konzertgäs-te nutzen konnte. Prima Timing des örtlichen Veranstalterteams. In Kirchraum hätte man wohl kaum eine Möglichkeit gehabt, diese Pause mit essen und trinken auszufüllen.

21:30 Uhr – Im bekannten Verlauf geht es weiter. Nach „Leg nicht auf“ folgt ein neuer TEXT: „Schwäche zeigen“ der seine Wurzeln wohl im tragischen Tot und die Art und Weise des öffentlichen Umgangs mit der Situation von Robert Enke hat.

Noch ein neuer TEXT folgt „ Haben sie auch die Verleihung der MTV Musikawards gesehen?“ fragt HEINZ ins Publikum. „Ich muss sowas ja gucken - Musikpreisverleihungen“ und dann verreißt er die ganze Branche in seiner Kunzeschen Art und Weise. Nun pfeift plötzlich ein Mikro überlaut, sodass HEINZ mal wieder gezwungen ist, ein wenig zu improvisieren. Wolfgang möge doch die Hand vom Mikro nehmen. Was wiederum Hajo zu einem Kommentar veranlasst. „Das Mikro hat wohl das Pfeifersche Drüsenfieber“ – ob solcher Sprüche sind die Lacher natürlich vorprogrammiert. So könnte man manchmal meinen, die kleinen technischen Probleme gehören ins Programm. Da merkt man sehr schnell wie viel Bühnenerfahrung die Drei da auf die Bühne bringen. Cool und gelassen überspielen sie diese nicht vorherzusehenden Begebenheiten und nutzen sie auch noch aus um die Stimmung anzuheizen.

Während „Finden Sie Mabel“ muss Peter sich auch noch auf den Weg zur Bühne machen um die Cajon von Wolfgang zum klingen zu bringen. Ein Konzertabend mit mehreren kleinen, teils vom Publikum unbemerkt gebliebenen technischen Problemen, die einzeln für sich etliche Aufgeregtheiten hätte hervorrufen können, geht um 22:30 Uhr mit dem ersten Bühnenabgang langsam zu Ende. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sitzt keiner mehr in den Kirchen-bänken, sondern jubelt ausgiebig und klatscht sich vor Begeisterung die Finger wund. Voll überzeugt von diesen drei Ausnahmekünstlern setzen sich die Zuhörer nur noch einmal hin, um mit dem wohl erstmalig von HEINZ vorgetragenen letzten Musikstück „ Als ich fortging“ (Dirk Michaelis 1989) zu lauschen. HEINZ solo an der Gitarre ganz ruhig, andächtig nahezu Gedanken verloren und sehr gelöst.

“Als ich fortging, war die Straße steil, kehr' wieder um,
nimm an ihrem Kummer teil, mach sie heil.
Als ich fortging, war der Asphalt heiß, kehr' wieder um,
red' ihr aus um jeden Preis, was sie weiß.

Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein,
ich weiß, du willst unendlich sein, schwach und klein.
Feuer brennt nieder, wenn's keiner mehr nährt,
kenn' ja selber was dir heut widerfährt.

Als ich fortging, war'n die Arme leer, kehr' wieder um,
mach's ihr leichter, einmal mehr, nicht so schwer.
Als ich fortging, kam ein Wind so schwach, warf mich nicht um,
unter ihrem Tränendach war ich schwach.

Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein,
ich weiß, du willst unendlich sein, schwach und klein.
Nichts ist von Dauer, wenn's keiner recht will,
auch die Trauer wird da sein schwach und klein.“

Was für ein toller Abschluss-Song für dieses Konzert. Abermals Standing Ovations und herzliche Verabschiedung in den wohl verdienten „Feierabend“. Ein grandioser Konzertabend endet um 23:10 Uhr. Wer bislang noch nicht von „Räuberzivil“ und den drei Künstlern überzeugt war, hatte spätestens jetzt großes Interesse die Live-CD mit nach Hause zu nehmen. Binnen kürzester Zeit waren alle CD´s an den Mann, die Frau gebracht. Ob damit der noch-malige Einstieg in die Charts zu schaffen ist?

Anmerkung zur Setliste „Legt die Waffen nieder“, “Won't Get Fooled Again” und „My Genera-tion“ wurde nicht gespielt.

(CC) Kalle Prigge
Schreibe (Redet), was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es lesen (hören).
Epheser 4,29
Kalle
Das Original
Das Original
Beiträge: 2463
Registriert: 24 Nov 2002, 13:00
Wohnort: Nottuln
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Kalle »

„Ich bin nur der Postbote. Auf den Brief kommt es an“

Bild

Das Interview führte Christine Scheele vor dem Konzert in Rahden am 26.11.09

CS: Wie sind Sie groß geworden?
HRK : Ich bin in einem Flüchtlingslager auf die Welt gekommen und nach drei Monaten weggezogen. Ich habe keinerlei Erinnerung an Espelkamp. Ich stamme aus dem Osten, da wurde ich noch gezeugt. Und rein zufällig kam ich in Espelkamp auf die Welt. Nach drei Monaten sind die Eltern weggegangen und relativ oft in Nordwestdeutschland umgezogen, bis ich dann mit ihnen in Osnabrück hängen geblieben bin. Da habe ich den größten Teil meiner Kindheit und Jugend verbracht und bin dann auch als Musiker noch ein paar Jahre da geblieben, 1988 aber auch schon weggegangen nach Hannover, wo ich jetzt lebe.

CS. Sind Sie ein Vertriebener, nirgendwo Gebliebener, wie Sie in einem Lied singen?
HRK:Das ist wahr. Das ist ein Lied, das ich gemacht habe, genau wie das Lied ‚Brille’, wo ich einfach mal reagiert habe auf die vielen Fragen. Wo bist denn Du aufzufinden in diesen Texten? Du maskierst dich so oft, du nimmst Rollen ein, und du schilderst Leute, manchmal bist du eine alte Frau in einem Lied oder ein kleines Kind. Gibt es denn auch mal private Äußerungen in Liedform? Und deshalb hab ich so gesagt: Na klar - und dann habe ich Vertriebene gemacht und dann später Brille. Das sind sehr persönlich zutreffende Sachen, das ist so passiert. So war’s.

CS Warum singen Sie in Kirchen?
HRK: Da ich durchaus gerne viel spiele, ist eben die kleine Besetzung eine Möglichkeit, auch in kleinen Orten vorzukommen. Und darum machen wir das. Es hat keine religiöse Bedeutung.

CS. Auf einem Ihrer Plattencover steht ein Zitat von Fernando Pessoa: „Wenn das Herz denken könnte, stünde es still“. Was verbinden Sie mit dem Satz?
HRK: Offenbar ist das Herz für Pessoa ein sehr wichtiges Organ. Und wenn das Herz, so verstehe ich den Satz, nicht nur fühlen könnte, also die Aufgaben des Gehirns noch übernehmen würde, dann würde es vor Schreck still stehen.

CS. Woran hängt Ihr Herz?
HRK: Woran mein Herz hängt, ist schwer zu beantworten, und hat mit meiner Arbeit wenig zu tun. Woran mein Herz hängt, ist im Grunde eine private Frage. Und in meiner Arbeit blute ich mich ja nicht privat aus, sondern ich bin ja Erfinder, Autor von Beruf, und ich lege großen Wert darauf , dass man genau darauf achtet, dass man nicht alle Meinungen, die in meiner Arbeit auftauchen, für meine Meinungen hält. Ich erfinde auch manchmal Rollen und bringe einfach Charaktere zum Sprechen, die ich mir ausdenke oder die ich irgendwo gesehen und aufgeschnappt habe und die von alleine nicht reden würden. Also man muss sehr genau hingucken und das einzeln abklopfen, wo meine persönliche Meinung drin steckt, die ich auch gar nicht für so wichtig halte. Die Texte sind eine Collage, aus dem was ich meine, aus dem, was mir wichtig ist und dem was mir auffällt, was ich um mich herum entdecke an Haltungen, an Wertvorstellungen und die bringe ich eigentlich in die Schwebe. Deshalb habe ich auch manchmal sehr böse Texte dabei.

CS: In Ihren Texten entdecke ich immer wieder religiöse und theologische Bezüge. Können Sie etwas dazu sagen?
HRK: Ich glaube, die Frage nach den religiösen Bezügen kann man ganz einfach beantworten. Wenn man sich viele Jahre mit der Dichterei herumschlägt, dann kommt man an der Bildwelt der Theologie, der Bibel gar nicht vorbei. Das ist ja selbst Brecht so gegangen, der ja auch die Bibel als sein Lieblingsbuch bezeichnet hat und der nun wirklich knochenharter Atheist war und Materialist und Marxist. Aber als Dichter ist man einfach immer wieder magnetisiert von diesen Urgeschichten, die da drin stehen. Es gibt wahrscheinlich wenig in der Weltliteratur - außer Shakespeare - wo menschliche Grundkonstellationen abgebildet sind wie in den biblischen Geschichten, das sind Urtexte des allgemein Menschlichen, die man eigentlich in jedem Jahrhundert wieder neu aufgreifen kann, mit neuem Leben füllen kann. Das sind menschliche Grundmodelle. Und wenn die nicht mehr funktionieren, wenn die auf keine Resonanz mehr stoßen, bei jüngeren, nachwachsenden Generationen, dann hat die Welt sich nichts mehr zu erzählen. Der Mensch lebt vom Erzählen. Ich glaube, man kann ohne zu überspitzen sagen: Wenn irgendwann eine verblödetet Welt heranwächst, die Shakespeare und die Bibel nicht mehr versteht, dann ist das das Ende der Welt.

CS Die Person Heinz Rudolf Kunze hat mich gar nicht interessiert ( Kunze: mich auch nicht). Mich haben Ihre Texte an wichtigen Stationen meines Lebens begleitet. Sie führen immer wieder an die Grenzen des Sagbaren. Haben Sie spirituelle Vorbilder?
HRK: Also bei den Philosophen, das habe ich ja nun studiert, gibt es ja auch einige, die an die Grenze des rational Ausdrückbaren gehen. Das hat mich schon immer sehr interessiert, ich habe aber keinen Guru, keine Leitfigur. Ich bin da eigentlich sehr breit aufgestellt und breit interessiert.
Aber das mit der Person, darauf möchte ich noch einmal zurückkommen. Ich glaube, es gibt grundsätzlich zwei Typen von Sängern, die Lieder machen. Der eine Typ, der nimmt sich selber als Person sehr wichtig, die Lieder sind eigentlich nur ein Vorwand, um sich selber darzustellen. Das sind die Belmondos, da geht es um die Starqualität. Hallo, da bin ich wieder, und ich habe auch ein paar Lieder mitgebracht. Und dann gibt es die andere Abteilung, denen die Lieder wichtiger sind als sie selbst. Bob Dylon hat mal gesagt: „Ich bin nur der Postbote. Auf den Brief kommt es an“. Und die Position find ich gut. Was ich fühle, kommt nur zum Teil drin vor. Ich finde, es ist meine nobelste Aufgabe, dass ich auch Gefühle von Menschen gestalten kann, die ich nicht bin, die ich erfinde oder die ich zitiere, indem ich irgendwas aufschnappe mit spitzen Öhrchen, wenn ich im Cafe sitze. Wenn ich etwas höre, dann regt mich das an, dann bilde ich das ab. Und nur wenn einem das gelingt, hat man das Erlebnis, das man im Konzert ab und zu in den Gesichtern sieht, ja das kenne ich, dass Leute dann aufwachen und sagen: „Das stimmt. Das lag mir auch schon lange auf der Zunge“. Und er sagt’s jetzt.
Kalle
Das Original
Das Original
Beiträge: 2463
Registriert: 24 Nov 2002, 13:00
Wohnort: Nottuln
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Kalle »

QUELLE PRESSE: Neue Westfälische - Zeitung für den Altkreis Lübbecke, Samstag 28. November 2009

Zwischen bitterböser Satire und romantischer Poesie

VON ANJA SCHUBERT Bilder: Christine Scheele

Heinz Rudolf Kunze in der Rahdener Sakristei
Rahden. Ein begeistertes Publikum und ein vor Applaus erzitterndes Gotteshaus machten am Ende des Konzertes eines deutlich: Heinz Rudolf Kunze hat nichts von seiner Originalität verloren. Der gebürtige Espelkamper lieferte ein tolles Konzert, mit bissigen bitterbösen Texten und romantischer Poesie. Das Konzert von Heinz Rudolf Kunze, das in der St.-Johannis-Kirche stattfand, war restlos ausverkauft.
Bild
Bild
Die Spannung beim Publikum vor dem Konzert war deutlich zu spüren. Die Bühne, schlicht mit einem in rot getauchten schwarzen Vorhang, verleitete dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die Musik und vielmehr noch, den Künstler aus heimischen Gefilden, der seinen eigenen Stil in der erheiternden Ankündigung durch Kul-Tür-Chef Detthard Wittler wiederfand.
Bild
Bild
Und dann kam er: Heinz Rudolf Kunze, so wie seine Fans ihn lieben. Getreu dem Motto des Programms in „Räuberzivil“, bekleidet mit einer Tarnjacke im Bundeswehrstil. Unterstützt von den beiden Musikern Wolfgang Stute und Hajo Hoffmann sprang der Funke schnell auf die Zuhörer über.
Bild
Kunze und Co. lieferten nicht nur Songs aus dem neuen Album. Hits wie „Finden Sie Mabel“, „Meine eigenen Wege“ und „Aller Herren Länder“ und „Wenn du nicht wiederkommst“ hallten, größtenteils publikumsgestützt, ebenso durch die Hallen wie die von den Fans geliebten Songs „Rückenwind“, „Regen in Berlin“ und „Ich hab’s versucht“.
Bild
Aber auch mit den neuen Songs „Alaska Avenue“, „Irrland“ und „Steckbrieflich gesucht“ sang sich Kunze schnell in die Herzens des Publikums.

Mal bissig satirisch, mal poetisch und tiefsinnig die Liedtexte ebenso wie die Sprechtexte Kunzes zwischen den Liedern, die ihn zum verbalen Frontmann des Trios machten. Mehr als zwei Stunden zeigte Kunze, was er damit meinte, als er zu Beginn das Publikum mit einem „Ich bin viele nette Leute“ begrüßte. Ob die Bibel, die bald niemand mehr kennt, Nano-Partikel, die die Menschen mehr in Aufruhr versetzen als die Schweinegrippe, menschliche Schwächen, Geheimnisse der Männer, Tokio Hotel und Bohlen, Steinmeier und Co. – die Palette schien unendlich, die Kunze in den zwei Stunden satirisch tiefsinnig unter die Lupe nahm. Seitenhiebe und Sozialkritik, der Finger in den Schwachstellen der Menschen, die eigentlich keine haben, waren an diesem Abend Gang und Gäbe.

Kunze wagte dann auch, Blueselemente zu präsentieren, obwohl die weißen Jungs und Mädchen eigentlich die Finger von dieser schwarzen Musik lassen sollten.
Bild
Mit Wolfgang Stute, der an der Gitarre und Cajon sein grandioses Können ebenso unter Beweis stellte wie Hajo Hoffmann auf der Geige und Mandoline, bot sich den Zuhörern ein faszinierendes Klangerlebnis und amüsante Unterhaltung. „Vollblutmusiker“ unter sich, die das Publikum an ihrem liebsten „Nebenjob“ teilhaben ließen, denn hauptberuflich seien sie schließlich als Asphalttester „ständig unterwegs“.
Bild
Grandios der nicht enden wollende Wettstreit der Instrumente bei „Aller Herren Länder“, der ein purer Klangfeuerwerk entzündete. Kunze und Co. gaben bei diesem Song buchstäblich alles. Das Publikum beantwortete den Einsatz auf seine Art und Weise: Johlen, Pfiffe, begeistertes Trampeln und Standing Ovations erschütterten die St.-Johannis-Kirche schon recht früh und nicht nur einmal. Da versteht es sich von selbst, dass die „Räuberzivilisten“ natürlich nicht ohne Zugaben von der Bühne kamen.
Bild
Bild
Bild
Bild
Kalle
Das Original
Das Original
Beiträge: 2463
Registriert: 24 Nov 2002, 13:00
Wohnort: Nottuln
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Kalle »

QUELLE PRESSE: WB Artikel vom 28.11.2009

Heinz Rudolf Kunze reißt das Publikum mit

Konzert in Johannis-Kirche: Zuhörer fordern Zugaben

Von Cornelia Müller

Er kommt in Räuberzivil: Ohne Schlips und Kragen, aber in Tarnjacke. Und die ist - bis auf die markante Brille - ironischerweise das einzig Auffällige an dem Mann, der aussieht wie ein Studienrat: Heinz Rudolf Kunze Liedermacher, Rockpoet und eine der beständigsten Größen im deutschen Musikgeschäft.
Am Donnerstag ist »HRK« auf Einladung von KUL-TÜR und Kirchengemeinde in der Rahdener St.-Johannis-Kirche zu Gast gewesen. Freie Plätze waren Mangelware, denn Kunze-Fans wissen, was sie an ihm und seiner Musik haben. Er setzt auf Texte, die etwas zu sagen haben, und auf »handgemachte« Musik, statt auf Glamour und elektronisch aufgemotzten Einheitssound. Und damit gelingt ihm, was nur wenige schaffen. Seine Songs hinterlassen Spuren. Sie treffen mitten ins Herz und mitten ins Hirn.
Eine stattliche Anzahl alter und neuer Lieder, von »Aller Herren Länder« und »Finden Sie Mabel« bis »Alaska Avenue« ,standen auf dem Programm. Zwischen den Songs machte sich Kunze in manchmal sehr poetischen, manchmal drastischen Worten so seine Gedanken. Über die Liebe und über menschliche Kälte und über Musikpreisverleihungenn und über eine langsam verdummende Gesellschaft. Und er hatte seinen Spaß am Absurden, etwa wenn er sich fragte, woher all die einzelnen Schuhe am Straßenrand stammen. »Gibt es wirklich so viele Zeitgenossen, die unterwegs plötzlich merken: Hoppla, ich habe ja nur ein Bein?«
Da wurden Erinnerungen an einen anderen Mahner und Erzähler wach - Hanns Dieter Hüsch. Vielleicht sind Doppelvornamenträger ja geborene Satiriker? »Geben Sie Ihrem Kind keinen Doppelvornamen. Doppelvornamen sind die vorprogrammierte Persönlichkeitsspaltung«, sinnierte Heinz Rudolf Kunze, der es ja wissen müsste. Zum Glück für seine Fans sind daraus unzählige Lieder entstanden, in denen Kunze immer etwas Neues ausprobiert: Road Songs, bei denen das Publikum mit einstimmte. Leise Balladen und Protestsongs. Und immer wieder Liebeslieder, die ohne Kitsch und süßliches Gesäusel auskommen.
Der Auftritt in Rahden war auch sonst erfrischend unprätentiös. Mit einem schlichten »'n Abend« betrat Kunze die Bühne und bot danach zweieinhalb Stunden deutsche Pop-/Rockmusik vom Feinsten, mit zwei Musikern an seiner Seite, die ihn perfekt ergänzten und das Konzert zum puren Vergnügen machten: Wolfgang Stute (Gitarre, Percussion) und Hajo Hoffmann (Geige, Mandoline). Für die tollen Soloeinlagen gab es Extra-Applaus.
Die Zuhörer waren schlichtweg begeistert: Gleich dreimal riefen sie Heinz Rudolf Kunze für eine Zugabe auf die Bühne zurück. Der beendete sein Konzert erschöpft, leise und bewegend mit einem Lied von Dirk Michaelis, »Als ich fortging«. Und dann ging er.
Mecki
Stirnenfuss
Stirnenfuss
Beiträge: 226
Registriert: 26 Okt 2006, 15:56
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Mecki »

letzten Musikstück „ Als ich fortging“ (Dirk Michaelis 1989)
wer kennt diesen Herrn und weiss mehr von ihm ?
Ghosti
Draufgeher
Draufgeher
Beiträge: 806
Registriert: 15 Apr 2009, 21:15
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Ghosti »

Kennen ist übertrieben. Er war in der zweiten Hälfte der 80er Sänger der DDR-Rockband KARUSSELL. In dieser Zeit entstand auch das Lied "Als ich fortging", ziemlich großer Hit damals. Nimm irgendeinen Sampler "Die schönsten Rockballaden aus der DDR" oder sowas - das Ding ist mit Sicherheit drauf. Hab bei Youtube gerade diese Originalversion gesucht, stattdessen aber nur eine Coverversion von ROSENSTOLZ gefunden. :roll:
Mecki
Stirnenfuss
Stirnenfuss
Beiträge: 226
Registriert: 26 Okt 2006, 15:56
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Mecki »

Er war in der zweiten Hälfte der 80er Sänger der DDR-Rockband KARUSSELL. In dieser Zeit entstand auch das Lied "Als ich fortging", ziemlich großer Hit damals. Nimm irgendeinen Sampler "Die schönsten Rockballaden aus der DDR" oder sowas - das Ding ist mit Sicherheit drauf.
DANKE - als Wessi habe ich in dem Bereich wohl noch einen riesigen Nachholbedarf......
Weisst Du denn in welcher Beziehung Kunze - Dirk Michaelis stehen, oder ob das von Kunze nur so ein "Mauerfall-Nostalgie"- Beitrag war?
Ghosti
Draufgeher
Draufgeher
Beiträge: 806
Registriert: 15 Apr 2009, 21:15
Kontaktdaten:

Re: Rahden

Beitrag von Ghosti »

Keine Ahnung, sorry. So nah steh ich Herrn Kunze nicht. :lol:
Aber ich war doch etwas überrascht, dass er neuerdings dieses Lied spielt.

Edit: Die meisten Smileys hier sehen doof aus. :(
Antworten

Zurück zu „Berichte Erlebnisse“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast