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Kalle
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Bild HEINZ RUDOLF KUNZE 2012
- Eine Lesung als Einstieg in ein Jahr voller Höhepunkte im „Gemeinschaftshaus Wulfen“


Bereits im März 2010 war HEINZ mit „Räuberzivil“ hier an gleicher Stelle zu Gast gewesen und hatte damals mit einem begeisternden Konzert eine hohe Meßlatte aufgelegt. Man durfte also gespannt sein, ob das Format „Lesung“ hier auch funktionieren würde.

Rund 150 Zuhörer interessieren sich Samstag Abend, dem 14. Januar für den Literaten, für dessen Empfinden eine Lesung viel mehr ist, als einfach nur das Vorlesen von Texten. „Er gibt vor, nirgendwo manchmal zu sein, aber immer irgendwo so Wort zu erheben.“ Die örtliche Presse schrieb am Sonntag, Zitat: Heinz Rudolf Erich Arthur Kunze und sein Gitarrist Jan Drees begeisterten im Gemeinschaftshaus mit ihrer Lesung. Also ist alles gut gelaufen, aber beginnen wir von vorn.

Pünktlich um 20 Uhr kommt HEINZ unter viel Beifall auf die Bühne, setzt sich an den vorbereitetet Leseplatz und verblüfft zunächst sein Publikum, indem er seine „klassische schwarze Ray-Ban-Brille“ mit den Worten ablegt, Zitat: „Die habe ich nur auf, damit ihr mich erkennt“. Das erste Schmunzeln im Publikum ist schonmal sicher und dann kann man auch ruhig die randlose „Lesungsbrille“ aufsetzen und mit dem Text (1) „Etwas wird geschehen“ den ersten Lesungsauftritt 2012 einleiten. (2) „Ich gehe dahin, wo es wehtut“ ist in diesem Fall keine Erklärung des Auftritts heute Abend am Rande des Ruhrgebiets, sondern beschreibt wohl eher eine Gemütssituation, die, wenn man „alles“ schon erlebt hat, durchaus nachempfinden kann. Nun liest HEINZ (3) „Ein paar Dinge müssen noch geklärt werden“ und gibt dem Publikum eine „Gebrauchseinweisung“ für den heutigen Abend. (4) „Das große Geschenk“ auf dass nicht nur HEINZ schon ewig wartet, kommt Morgen ganz bestimmt, oder doch nicht? Aber nach der Devise „die Hoffnung stirbt zuletzt“ kommt es bestimmt Übermorgen? So reit sich Text an Text immer, „gefühlvoll“ eingerahmt, aber auch untermalt von musikalischen Experimenten, mal schroff, mal sehr melodiös durch den Mann auf der linken Bühnenseite Jan Drees. Natürlich werden auch, der noch am Donnerstag von HEINZ bei „Beckmann“ verteidigte Bundespräsident Christian Wulff, seine gegenwärtigen Probleme und die Gegenspieler, ohne namentlich genannt zu werden, in drei Texten verarbeitet und seziert.

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Um 20:55 Uhr läutet HEINZ die Pausenglocke und das Publikum hat Gelegenheit sich mit Getränken zu versorgen und über den ein oder anderen „schwerer verdaulichen“ Text nochmals zu resümieren. 21:15 Uhr ist es Aufgabe von Jan Drees die Lesungsgäste für den zweiten Teil mit sphärischen Klängen einzustimmen. HEINZ versäumt es nicht, dem Publikum Jan Drees und seine Beiträge entsprechend zu würdigen und Diejenigen aufzuklären, dass alles absolut live passiert und nicht, wie man bei verschiedenen vorherigen Auftritten schon mal vermutete, vom Band kommt. HEINZ auch bei diesem Lesungsauftritt bekanntermaßen bissig, zynisch und immer ganz nahe an dem, was man wohl mit dem Begriff „das Leben an sich“ umschreiben könnte. Da berichtet der Querdenker freimütig über das Thema Sex und die eigenen Eltern. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und beschreibt schon sehr plastisch, was ihn und seinen Vater verbindet, nachdem der Filius im Keller des Hauses die Porno-Sammlung des Herrn Papa gefunden hat. HEINZ spricht Klartext und geht dabei auch schon einmal an die Grenzen der Erträglichkeit. Da ist seine Abrechnung mit dem Gegenwartstheater, die barsch ausfällt: Nach seiner Einschätzung ist das Niveau auf jedem Golfplatz höher als auf den Theaterbühnen. Auf Golfplätzen gäbe es immerhin eine Platzreife als Voraussetzung zum Betreten eines solchen Platzes. Im Theater sei nicht einmal eine Sitzplatzreife von Nöten. Dann stellt er Fragen, die sich so noch niemand gestellt hat. Warum heißt ein Zahnarzt Dr. Quälschrei?
Spannend und auch irgendwie in der Schlussfolgerung beunruhigend ist Kunzes Schicksalsbetrachtung der US-Präsidenten Lincoln und Kennedy. Lincoln hatte einen Berater, der Kennedy hieß und ihn warnte, ins Theater zu gehen. Kennedy hatte einen Berater namens Lincoln und der riet von der Reise nach Dallas ab. Der eine Mörder mordete im Theater und floh in ein Lagerhaus, der andere schoss aus einem Lagerhaus und floh in ein Theater. Beide Präsidenten hatten einen Nachfolger, der Johnson hieß. HEINZ Schlussfolgerung: Er möchte der Mörder sein. Die meisten Texte des Abends stammen aus dem aktuellen Nichtroman „Vor Gebrauch schütteln“ und vieles davon schüttelte die Zuhörer wirklich wach. Ist es nun Böse was Kunze da gerade sagt? Nein, es sind die Erkenntnisse eines Künstlers, der im Flüchtlingslager Espelkamp das Licht der Welt erblickte und sein Weltbild in der bleiernen Zeit der Terroristenjagd entwickelte. HEINZ bleibt in seiner Lesung dem Image treu, ein Querdenker zu sein, der einen schmunzeln lässt und im gleichen Satz dafür sorgt, dass einem dieses Schmunzeln gefriert. Er brilliert mit seinem wachen und gleichsam unruhigen Geist. Er beruhigt mit Bekenntnissen von Nöten, die wir alle selbst gut kennen und er beunruhigt mit düsteren Prognosen und fatalen Erkenntnissen, die ihre Unbequemlichkeit auch dann nicht verlieren, wenn der Mann zur Gitarre greift.

Es ist 22:05 Uhr, der Lesungsteil ist abgeschlossen und unter viel Beifall verbeugen sich HEINZ und Jan Drees vor dem konzentriert, für mein Empfinden, zu wenig Emotionen zeigenden Publikum. Eine persönliche Anmerkung: Gerade im Winter, ist das ohnehin unterkühlte, oftmals ein bisschen eingefrorene westfälische Temperament, durch eine Lesung mit fast keinem „Schenkelklopferhumor“ und viel „Nachdenklichkeit“ nicht auf hohe Betriebstemperatur zu bringen.

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Ohne Bühnenabgang nehmen die beiden Heroen des Abends nochmals auf ihren Stühlen Platz. HEINZ meint, Zitat: „Ihr (Publikum) habt die Gitarre ja sicher hier schon hier stehen sehn – also dann“. Der Haustechniker wird noch eben durch Zuruf abgefragt, ob er den Klinkenstecker einfach so in die Gitarre stecken darf, ohne einen Riesenknall zu erzeugen und schon bekommt, der Zuhörer ein leider immer zu kurzes, fünf Stücke umfassendes KUNZE Unpluggedkonzert. Im Nachhinein betrachtet wurde es ein nochmaliger Höhepunkt und für den Kunze-Fan ein echtes, geiles Überraschungspaket.

(1) „Heinemann“ Text/Musik Kunze
(2) "Die Arbeiterklasse braucht Helden" (Musik: Working Class Hero – John Lennon, Text-Übersetzung: Heinz Rudolf Kunze)
(3) "Alaska Avenue" Text/Musik Kunze
(4) "In der Mitte der Sanduhr" Text/Musik Kunze
(5) "Sie hassen Dich" Text/Musik Kunze

22:30 Uhr geht ein Lesungsabend zu Ende, der auch für langjährige Fans sicher die Skala „voll befriedigend“ erreicht hat und durch drei (3) neuen Musiktitel, sämtlich aus dem neuen Räuberzivilprogramm „Hier rein da raus“, die Neugierde auf das KUNZE-Jahr 2012 sicher nochmals um einige Potenzen erhöht hat. Allen Lesern sei schon mal prophezeit, dass HEINZ RUDOLF KUNZE abermals viel neuen genialen Stoff, zum voll Begeistern, zu bieten hat.

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HEINZ und Jan Drees signieren

Kalle 16.01.2012

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