Bob Dylans "Tempest"

ein Leben (Musik) auch ohne HEINZ?

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notamann
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Bob Dylans "Tempest"

Beitrag von notamann »

Neben dem Heinz'schen Räuberzivil "Hier rein...da raus" (auf der Wunderkinder-page muß ich natürlich Heinz zuerst nennen)- erschien am 9.9.12 gleichzeitig! (bedeutungsschwanger :mrgreen: ) das neue Alterswerk Bob Dylans "Tempest"!
Da ich mich diesmal mit meiner Meinung zum Album sehr zurück gehalten habe (aber ich bin begeistert über die Scheiben!!) möcht ich meine Gedanken zum Dylanwerk - den " heulenden Musikwölfen des Forums zum Fraß vorwerfen" !

Tempest Bob Dylan 09/2012

Da ist dem alten Herren ja wieder ein Schlag gelungen!

Tempest schließt seinen Zyklus aus bisher 4 bedeutenden Alterswerken (TOM, LAT, MT und TTL) mit einem wahren lyrischem und musikalischem Kunstwerk (nur vorerst hoffentlich!!) ab.
Tempest ist für mich das beste was ich seit über 20 Jahren von Herrn Zimmermann gehört habe und wohl eines seiner besten Alben überhaupt.
Zwar sicher nicht besser als seine ersten Alben mit den bedeutenden Songs, welche die Rockgeschichte veränderten - aber weiser und keinesfalls schlechter!

Tempest, welches nach Aussagen des Meisters ein religiöses Album werden sollte, aber der Stoff dafür nicht ausreichte - ist für mich das bisher bedeutenste Album des 21. Jahrhunderts geworden.
Ein Album, welchem es gelingt einen weiten Bogen über die profanen Probleme dieser Welt zu spannen und dabei immer wieder die Verbindungen zu mystischen und biblischen Themen des Alten und des Neuen Testamentes zu finden.
Das Album ist voller religiöser Bezugspunkte - denn keiner verbindet das Profane besser mit dem Religiösen wie Bob Dylan!
So ist nicht nur im Song "The Narrow Way" der biblische Bezug (hier- Neues Testament, insbesondere Matth.7,13 ff) mehr als direkt!
Dylan gelang ein beachtliches Werk mit seinen typischen - aber immer hervorragenden - musikalischen Einfällen und ganz besonders seiner bedeutenden Lyrik voller dichterischer, philosophischer und prophetischer Meisterstücke - besser geht es wohl nicht.

Dieses Album ist ein Schiff, beladen mit unglücklicher Liebe, korrupten Politikern, mit Märchengeschichten, wie in "Scarlett Town" erzählt oder Gruselgeschichten, wie in der tödlichen 3-er Beziehung in "Tin Angel"!
Und dann rollt ja noch auf diesem Schiff "der Zug der Zeit" mit dem Pfeifen der Duquesne Whistle!
Der Weg führt zweifelsohne durch den apokalyptischen Sturm und der Steuermann Dylan gibt den Kurs an und das mit unerwartet druckvoller und klarer Stimme!
Können wir den sicheren Hafen je erreichen oder tanzen wir im endlos erscheinenden Walzertakt mit der Titanic in den Abgrund aller Zeiten....

Obwohl wohl jeder Song dieses Albums es wert wäre hier angesprochen zu werden muß ich mich vorerst auf einige wenige und mir bis jetzt besonders zugänglich erscheinende Songs beschränken.

Duquesne Whistle Blowing

Mit einem hingehauchtem, aber pfiffigen swingenden Countryintro beginnend um dann in den Rhythmus eines fahrenden, ratternden und pfeifenden Zuges überzugehen - so beginnt der Einstiegssong " Duquesne Whistle Blowing".
Mit Dylan im Zug fahren fahren Spieler und Zuhälter, fahren geliebte und gehasste Frauen und viele Erinnerungen des alten Herren....
Ein Song, mit welchem Dylan wohl sich selbst im" fahrenden Zug der Zeit " sieht und sich fragt was wohl von Allem bleibt....

Long And Wasted Years

Mein Lieblingssong!
Ein feiner Rhythmus unter den klaren guitar lines und die punktgenau einsetzende Stimme des Meisters - man gibt es das wirklich!! - ja Bob kann es noch...natürlich im geliebten slow waltz style.
Im Songs geht es um die sinnlos vergeudeten Jahre einer unglücklichen Liebe - aber dahinter steht auch die apokalyptische Stimmung des gesamten Albums - die sinnlosen Jahre ohne Liebe, ohne Gott - das Warten auf den Sturm!

Pay With Blood

Ein großartiges Werk!
Bob gelingt es hier einen wunderbaren Zustandsbericht unserer politischen Welt zu zeichnen, mit all dem Schmutz, den Lügen bis hin zur Bereitschaft zu Erpressung, Mord und Totschlag.
Die verhassten Politiker sind stets bereit jedes Unrecht zu begehen, um ihre armseligen Ansprüche nach Macht und Reichtum durchzusetzen.
Ja - sie sind bereit dafür mit Blut zu zahlen - aber nicht mit dem Eigenen!

Bob vergißt auch hier nicht in sehr scharfsinniger und hintergründiger Weise darauf zu verweisen, daß auch wir Menschen, die an die Erlösung der Welt durch den Tod Jesus Christus glauben - diese Erlösung auch mit Blut bezahlt haben, dem Blute des Gottessohnes - nicht mit dem eigenen Blut!

Roll On John

Am Schluß seines Albums setzt Dylan einen "Dead And Gone" - Song vom Allerfeinsten!
Es ist eine Verbeugung des Meisters vor John Lennon, einen Musiker, welcher Dylan und welchen Dylan verehrte.
Wir errinnern uns gern an die mehr oder minder ernst gemeinten Neckereien der beiden Ausnahmekünstler am Anfang ihrer beiden großen Weltkarrieren (- "4-th Time Around" und - "Norwegian Wood" ) !

Nicht vielen Künstlern setzte Herr Zimmermann ein musikalisches Denkmal - nach "Blind Willie McTell", "Lenny Bruce" und "Charlie Patton" ist es nun John Lennon und das gefällt mir alten Beatlesfan natürlich sehr!
Genial gemacht vom Meister - beginnend mit dem tödlichen Schuß auf John in N.Y. , am 8. Dezember 1980 - reiht Bob die Stationen des musikalischen Anfangs, des Erfolges und der Trennung von den Beatles teils direkt und teils metaphorisch aneinander,
Schon im ersten Riff verweist uns Dylan an den "Tyger" von William Blake ("Tyger,Tyger burning bright") mit den Zeilen "You burned so bright, Roll On John" .
Er läßt bedeutende Songs wie "A Day In The Life" ( diesen großartige Song vom "Sgt.Pepper" Album) oder auch nur deren Anfangszeile "I heard the news today, oh Boy..." (da höre ich sofort die Stimme Lennons!) oder "Come Together" (ist das nur Zitat oder prophetisch??), oder den "Yer Blues",(in welchem Lennon auf "Mr. Jones" im Songtext seiner Lyrik direkt auf Dylan hinweist) unmittelbar oder mittelbar in seine Lyrik einfließen.
In den Schlußzeilen des Songs läßt Bob ein altes Schlafgebet mit "The Tyger" von William Blake (1794) verschmelzen und erinnert damit an ein altes Werk Lennons "I'm only Sleeping" (prophetisch?) !! vom Beatlesalbum "Revolver".
Geniale Arbeit - Danke Meister!!!

Tempest

Es ist das geniale Titelwerk des Albums und für mich das größte Werk des Albums überhaupt!
Es steht der bezug auf Shakespeares letztes großes Werk "Der Sturm" - aber - obwohl Dylan sicher gern die Maske des großen Zauberers Pospero nützen würde - sagt Dylan : nicht " The Tempest" sondern " Tempest" - ohne Artikel!
Damit erweitert Dylan den Begriff "The Tempest" ( Der Sturm) auf den unartikulierten " Tempest" - den apokalyptischen Weltensturm.

Dylan schuf mit diesem bedeutenden Werk eine neue "Desolation Row" aus der weisen Sicht seines Alters.
Ebenso wie in "Desolation Row" tauchen hier Dinge und Menschen auf, welche nicht auf das Schiff wohl aber in die Gedankenwelt des Meisters gehören.
Im über 14 Minuten langen Song besingt er den Untergang der Titanic, die Traumereignisse aus der Sicht des Steuermannes des Schiffes und lässt uns so an seiner Version des Untergangs teilhaben - im Walzertakt - schier endlos und doch endend..
Man findet Hinweise auf den Stern von Betlehem und unverschlüsselt steht das Buch der Offenbarung..... es trifft am Ende alle das Gottesurteil - die Reichen, die Armen, die Guten, die Bösen, die Schönen.....
Dylan besingt den Untergang der Titanic als Sinnbild für die der Welt bevorstehende apokalyptische Endzeit - mit all den kleinen und großen Dingen, welche passierten, passieren oder passieren können...

Dylan zeichnet damit ein prophetisches Bild der Apokalypse, in welchem die Welt - wie die Titanic - im Meer der Zeit versinkt!

Dylan for Nobel Prize!!!!
Wenn jetzt nicht - wann dann??
mp 20.09.2012
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Re: Bob Dylans "Tempest"

Beitrag von Thofrock »

"Tempest" ist für mich eine Spur interessanter als die beiden Vorgänger (das Weihnachtsalbum klammere ich mal aus), langweilt mich aber doch ziemlich.
Spannend ist aber das Interview im RS, in dem der alte Herr ganz schön gruselig rüberkommt. Er teilt nämlich mit, eine Transfiguration eines ehemaligen Hells Angels-Bosses zu sein. Ah ja...
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