Art Brut

ein Leben (Musik) auch ohne HEINZ?

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Gerrit
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Art Brut

Beitrag von Gerrit »

SPIEGELonline schreibt: "Strebsamen Konzertgängern bot sich in diesen Tagen wenig Grund zur Klage: Art Brut zertrümmerten virtuos deutsche Clubs und [...]"

Das Konzert von Art Brut war schon ein seltsames Erlebnis. Der Vorkünstler (oder wie auch immer die Einzahl von Vorgruppe ist) bestieg pünktlich um 21 Uhr die Bühne. Ich meine, ich habe schon häufig die Ankündigung des Gleis 22 gehört: "Diesmal aber pünktlich!" Und eine halbe Stunde Verspätung war trotzdem mindestens immer, aber gut, diesmal wurde pünktlich das schon im Vorverkauf ausverkaufte Gleis 22 gerockt. Der junge Australier Ben Lee allein mit seiner Gitarre auf der Bühne. Das sah aus wie aus der Fußgängerzone direkt auf die Bühne, nur der Gitarrenkoffer vorne mit den gesammelten Münzen und die Beatles-Lieder fehlten. Er spielte schöne ruhige Eigenkompositione, später kam eine junge Frau mit hellem Gesang zur Begleitung am Spielzeugklavier auf die Bühne. Der 27jährige mit dem sympathischen Strahlen nennt sein neues Album glatt "Awake is the New Sleep". Habe nur ich die Assoziation mit "Quiet is the New Loud" der Kings of Convenience? Dann vor dem letzten Lied die Bitte, jetzt mal richtig uncool zu sein, ja verdammt uncool. Mein Gott, der Mittdreissiger vor mir hat fettige, kurze, spärliche Haare ohne jeglichen Schnitt, dazu ein Brillengestell, das jedem Informatiker zur Ehre gereicht. Sein Oberkörper schwitzt in einem schwarzen Black-Sabbath-T-Shirt. Die Jungs hinter mir diskutieren über die neuesten B-Seiten und Raritäten-Sammlungen. Wie soll man da noch uncooler werden? Wir sollen also das uncoolste tun, was man auf einem Rock-Konzert tun kann, wir sollen beim nächsten Lied mitsingen, und das Publikum ist mächtig uncool.

Umbaupause.

Dann Punkt 22 Uhr wird der Vorhang für Art Brut zur Seite gezogen. Der Sänger sieht ja wirklich aus wie Groucho Marx in XXL, und ich dachte das wäre nur für die Pressefotos. Okay, sein Humor ist vielleicht nur Groucho Marx in XXS, aber das ist mehr als die allermeisten von uns und von den Sängern auf den Bühnen dieser Welt bieten können. Dilletantismus feiert jetzt für die nächste 3/4-Stunde fröhliche Urständ, aber es kommt eine Menge Energie über und das bereitwillige Publikum tobt zu den bekannten Songs. Viel mehr als das Debut haben Art Brut nicht zu bieten, aber, wie sie es darbieten, ist beeindruckend. Ich schwanke zwischen zwei Gefühlen, mal denke ich, das ganze ist nur Fake, große Volksverarschung, der Great Rock'n'Roll Swindle, die beherrschen nicht mal ihre Instrumente, nicht mal Singen kann der Typ da vorne in der Mitte, mal denke ich, wow, ich erlebe gerade die Geburt des Punk, nicht eine billige Kopie des 77'er-Punk, nein, eine Form, den Art Punk, oder wie auch immer, aber meistens denke ich gar nichts und lasse mich volldröhnen. Der Sänger gibt seine einzige German Phrase zu Protokoll: "Punk-Rock ist nicht tot!" Dazu fällt mir nur noch ein: "Art Brut just smells funny." Nach 45 Minuten Set dann noch eine Zugabe, das wars, und es war gut.

Den Club haben - entgegen anderer Meldungen - Art Brut nicht zertrümmert, höchstens die Gehörgänge.

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