Spottlight 17 über UDO LINDENBERG Stark wie Zwei

ein Leben (Musik) auch ohne HEINZ?

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Thofrock
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Spottlight 17 über UDO LINDENBERG Stark wie Zwei

Beitrag von Thofrock »

Anlässlich der "Auferstehung" des Godfather of Deutschrock gibts ein Extra-Spottlight. da mir die Hinterlegung in der Spottlight-datei nicht so ganz gelungen ist, parke ich hier zwischen:



UDO UND DIE ALTERSWEISHEIT (Spottlight 17 vom 2.4.08 )

Die Zeiten wo Udos Veröffentlichungen Happenings waren, liegen mehr als 20 Jahre zurück. Häufig bekam man seine neue Platte kaum noch mit. Umso erstaunlicher diesmal der Hype, der bereits vor der VÖ entstand. Nicht nur die Fachpresse, sondern auch Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine aller Niveaugruppen publizierten das grosse Comeback. Die Besprechungen des Albums waren so wohlwollend und ernst gemeint wie nie zuvor.

Da ist man ja erstmal mißtrauisch, und wittert eine so ausgeklügelte und aufgeblasene Marketingstrategie wie sie bei Herrn Grönemeyer üblich ist. Zu tief war der Fall des einzstigen "Erfinders" von Rockmusik mit deutschen Texten, die zudem seinerzeit voll den Zeitgeist trafen. In den 70ern in dem Genre fast konkurrenzlos, wurde Udo in den 80ern links und rechts überholt. Maffay zockte ihm die Band ab, Grönemeyer und Lage hingegen hatten mit ihren Texten erkannt dass der Zeitgeist weitergewandert war. Udo ließ immer noch mal aufhorchen und hatte sporadische Wahrnehmungsoasen mit dem "Sonderzug", der marzialischen Antirechts-Hymne "Sie brauchen keinen Führer", und seinem Single-Hammer "Hinterm Horizont". Da aber deutschsprachige Rockmusik in den 80ern auf allen Ebenen populär wurde, blieb Udo grundsätzlich auf der Strecke und wirkte bald nur noch wie eine schlechte Parodie seiner Glanzzeiten. Alben wie "Der Exzessor", "Kosmos", "Zeitmaschine", "Benjamin", "Panik-Panther" oder "Casanova" waren nur noch peinlich. Seine originellsten Songs nahm er nicht mehr selbst auf, sondern reichte sie an andere aufstebende Bands wie z.B. "Die Prinzen" weiter.
Und nun plötzlich tönte es aus allen Ecken, "Stark wie Zwei" sei wahlweise seine beste Arbeit seit 20 bis 30 Jahren. Die Geister scheiden sich ja, ob "Udopia" die letzte geile Udo-LP gwesen sei, oder man "Odyssee" noch zur alten Klasse rechnen könne. Viele mochten auch "Götterhämmerung" noch sehr, und für mich hatte auch "Sündenknall" noch ihren Reiz, weil die Songs darauf wirklich gut waren, nur leider schwach umgesetzt wurden, weil Udo hier erstmals mit mässigen Musikern auskommen mußte.

Und jetzt bin ich 5 mal durch und wundere mich tatsächlich. Vor allem weil "Stark wie Zwei" total organisch und stimmig daher kommt. Das Album paßt einfach. Zudem ist es herrlich entspannt produziert und klingt trotz sparsamer Instrumentierung voll und ausgereift. Zudem wird sehr gut musiziert, nicht zuletzt auch von Jörg Sander, der nicht bei allen Songs dabei ist. Fiepende Synthies, tragendes Pianogeklimper und immer gleiche Gitarrensolis bleiben hier in der Tonne. Die Keyboards sind äußerst zurückhaltend und sparsam arrangiert (Ausnahme das großartige "Woddy Woddy Wodka", dass nach ruhigem, entspannten Aufbau in ein regelrecht orchestrales Finale mündet), die Klampfen geben den Ton an. Udo selbst hat zwar keine Gesangsstunden belegt, vermeidet aber zum Glück gar zu hohe Töne und gibt der Produktion mehr Blues als jemals zuvor. Man könnte fast ein bißchen Altersweisheit ausmachen.

Zu den Lyrics: Naiv kitschige Stellen ("wenn du der liebe Gott bist, warum läßt du dann Kriege zu") gibts auch hier. Plattitüde, wie sie in allen Alben lauern ("geht uns am Arsch vorbei"/ "irgendwie, das war doch klar, irgendwann da wohn ich da"), lassen sich leider nicht vermeiden. Es wäre ja auch nicht ganz fair, zu erwarten, dass Udo plötzlich anders textet. Seine Undergroundsprache hat ihn immer ausgemacht und ohne würe er unecht wirken. Auch die Themen sind nicht neu. Es gibt die gefühlten Songs Nr. 24 bis 26 über Alkohol und Drogen, die 14. Absage an Religion und Glaubensgemeinschaften und allein 6 Songs über Zwischenmenschliches. Allesamt merkwürdig auch die Stücke mit Hilfseinlagen. Stefanie Klos von Silbermond macht ihren Job in "Der Deal" sogar unerwartet gut und die Nummer rockt schön fett und dreckig. Der Einsatz von Jan Delay in "Ganz anders" ist schon fragwürdig, weil der dieser ebenfalls geilen Aufnahme eher schadet. Ganz grotesk wird es in der ohnehin schon bedenklichen Swing-Ballade "Chubby Checker" in der Udo mit Helge Schneider den Drogenhund Rex besingt. Wie immer bei Helge befindet sich der Song freischwebend zwischen Witz und Schwachsinn. Jedenfall ist der Song der absolute Fremdkörper auf dem Album. Das hält es aber gut aus.

Erwähnt sei noch, dass Udo natürlich auf seinem gefühlt 28. Studioalbum keine neuen Akkorde erfunden hat. manche Komposition erinnert mehr als deutlich an ältere Songs. Das wunderbar schwermütige "Nasses Gold" z.B. bietet gleich mehrere Adaptionsvorlagen von denen ich "Leider nur ein Vakuum" bevorzugen würde.
Oft kaschiert die gekonnte Produktion aber auch die altbekannten Riffkombinationen.
Übrigens sprach ich ja vorhin schon von Altersweisheit. "Was hat die Zeit mit uns gemacht" und "Verbotene Stadt" muten tatsächlich ein bißchen an, wie ein uns bisher eher verborgener Udo. Geradezu schöngeistige Lyrics in verbluester Athmosphäre, schwer, molllastig und harmonicagarniert. Und das Alles panisch authentisch. Ein Seelenstrip ist es aber nicht. Das Album wirkt zwar sehr persönlich, ist es aber bei näherer Betrachtung gar nicht.

Seit wann das nun tatsächlich Udos beste Platte ist, möchte ich nicht auswerten müssen. Aber sie ist um Längen besser als alle Erwartungen die ich noch an das lebende Weltkulturerbe Lindenberg gehabt hätte. Wieso er über 20 Jahre und viel zu viele unerträgliche Platten gebraucht hat um diese Wohltat abzuliefern, verstehe ich nicht. Wir wollen übrigens auch nicht übersehen, dass Udo auch in den 70ern nicht nur Hammeralben gemacht hatte. Er war ja schon totgesagt. Am totesten vor der VÖ von "Odyssee". Nur hat es nie so lange gedauert, bis er es allen nochmal gezeigt hat.

Wertung ****(von 5)
Anspieltipps: Woddy Woddy Wodka, Was hat die Zeit mit uns gemacht, Nasses Gold



1.Ich zieh' meinen Hut
2. Wenn du durchhängst
3. Ganz anders (feat. Jan Delay)
4. Was hat die Zeit mit uns gemacht
5. Mein Ding
6. Stark wie zwei
7. Der Deal (feat. Silbermond)
8. Chubby Checker (feat. Helge Schneider)
9. Der Greis ist heiß
10. Woddy Woddy Wodka
11. Nasses Gold
12. Interview mit Gott
13. Verbotene Stadt
14. Der Astronaut muß weiter
Zuletzt geändert von Thofrock am 02 Apr 2008, 20:58, insgesamt 1-mal geändert.
EwigGestrieger
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Beitrag von EwigGestrieger »

:!: ich war von herrn lindenberg sehr selten begeistert aber dieses album :!:

von mir gibts ***** (von 5)
und meine anspielempfehlungen sind diese hier:-

Ich zieh meinen Hut
Was hat die Zeit mit uns gemacht
Stark wie Zwei
Verbotene Stadt
Wenn du durchhängst [Unplugged]
Bist 'ne Frau und ich ein Mann [You're A Lady]

und danke franky für diese sehr wohlwollende kritik.hätte ich nicht erwartet. :wink:
manuelg
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Beitrag von manuelg »

soweit ich weiß hat jörg nicht nur zwei songs kompositorisch beigesteuert, sondern auch bei wd...?! den frontgitarristen gegeben.

"wenn du durchhängst", die single, hat mich vom genauerem reinhören bis dato abgehalten. textlich - ganz schlimme phrasendrescherei..."der größte scheiß geht mal vorbei" etc.

auch "stark wie zwei" erinnert zu sehr an "horizont", "du und ich"..."wir zwei"..., zumal zwei halbe würstchen auch nur eine portion ergeben.

versuche dem teil aus deutschrockgründen trotzdem eine chance zu geben, habe lindenberg bis mitte/ ende der achtziger geschätzt, "die klavierlehrerin" bspw. hat meine pubertät versüßt..."reeperbahn" auch.

ab dem "panik panther" wurde es dann leider peinlich.
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Beitrag von An »

Ich finde "Ganz anders" ist eines der stärksten Stücke dieses tatsächlich überraschend guten Albums. Sowohl von der Songidee als auch textlich gehört der von Delay geschriebene und überwiegend auch gesungene Song meines Erachtens zu den besten Stücken des Albums. So ein Comeback wie es Lindenberg mit diesem Album hingelegt hat - sowohl was die Authenzität und Qualität als auch was die Medienpräsenz betrifft - wünscht man sich ja in schwachen Momenten auch einmal von HRK. Ob das mit dem neuen Team gelingt? Es hängt aber bei aller Bedeutung der Werbemaschinerie eben auch vom Songmaterial ab. Bei Lindenberg passt dies: Die mit viel fremder Mithilfe entstandenen Songs sind ihm überwiegend auf den Leib geschneidert. Im Gegensatz zu früher ist die Mithilfe bei jedem Song detailliert ausgewiesen. Zudem ist das Album sehr gut produziert - modern, aber nicht um jeden Preis dem Zeitgeist angepasst.
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Beitrag von Natascha »

Um so ein Comeback hinzulegen müsste HRK erst mal eine Schaffenspause einlegen. Aber das ist bei seinem Veröffentlichungsdrang eher unwahrscheinlich.
Ich mag immer den Mann mehr lieben, der so schreibt, wie es Mode werden kann, als den, der so schreibt, wie es Mode ist.
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Beitrag von thommes »

Es gibt also was Neues vom König des pädophilen Schlagers ("16 Jahr", "Nina", "Lolita")...
Natürlich gab es auch für mich angesichts der medialen Breitseite kein Entrinnen vor dieser Platte. Nun gehöre ich ohnehin nicht zu den Epochisten unter den Lindenberg-Rezipienten, denn für mich schillert das musikalische Gesamtwerk des huttragendsten Deutschrockers in so vielfältiger Weise, dass ich mir nie erklären konnte, wie solche Musenküsse wie "Sie brauchen keinen Führer" oder "Odyssee" oder "Nichts haut einen Seemann um" oder "Vakuum" der gleichen Kreativquelle entspringen konnten wie "Helmut Owiewohl" oder "Club der Millionäre". Beispiele für diese wohl eher unfreiwillige bandbreite ließen sich ja in beliebiger Zahl finden....
Diese Patzer ziehen sich - wie ich finde - durch Früh-, Mittel- und Spätwerk, wenn auch die Peinlichkeitseinschläge ab Anfang der Neunziger sicher näher und häufiger kamen.
Deshalb fügt sich die neue Scheibe aus meiner Sicht auch sehr schön ins Gesamtbild: Neben echten Perlen ("Was hat die Zeit..", "Ganz anders") gibt's - vor allem textlich - auch wieder sehr viel Strass ("Wenn du durchhängst"). So isser eben....
Kurzum: Ich find's ganz passabel, das Album, sehe aber keinen Grund zur Euphorie.

MfG thommes
"Doch nicht alles, außer man ist jung, ist gleich Majestätsbeleidigung"
An
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Beitrag von An »

Zwar meinte die FAZ, Grönemeyer und Westernhagen könnten sich angesichts des Albums vor Neid "in den Arsch treten", jedoch denke ich bei aller Zufriedenheit mit dem Album auch: Es ist ein gutes bis sehr gutes Album für Lindenberg - gleichwohl ist dies natürlich relativ. Anderes begeistert sicherlich noch mehr als Udo - sowohl textlich als auch musikalisch.
Steph
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Beitrag von Steph »

Hallo zusammen
man könnte auch böse sein und sagen, das Album ist so gut geworden, weil Udo nicht so viel damit zu tun hatte...Fragt mich nicht wo, aber ich habe gelesen (Spiegel?, Frankfurter Rundschau?), dass der Produzent mit der Band fleissig gearbeitet hat und der Udo mehr oder weniger nur zum Singen reinkam...
Ob das so stimmt weiß ich nicht und ob das Album wirklich so gut ist sei auch mal dahingestellt.
Wie(so) plötzlich ALLE Medien schlagartig über dieses Album berichten (sogar das "heute journal") kann ich kaum begreifen. Es scheint in unserem Land also wirklich eine Meldung wert zu sein, dass Udo Lindenberg eine gute Platte macht. Komisch irgendwie...
Viele Grüße an alle,
Stephan.

P.S.Hoffentlich hat J. Sander im Herbst genügend Zeit für Heinz, denn bei Udos Tour werden Zusatztermine dazukommen (heißt es heute in der Bild, die ja eine - ziemlich doofe - Udo Serie am Start hat.)
EwigGestrieger
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Beitrag von EwigGestrieger »

An hat geschrieben:Anderes begeistert sicherlich noch mehr als Udo - sowohl textlich als auch musikalisch.
genau.z.b. ist die neue kettcar patte im anmarsch mit namen "SYLT".
das video zur single kann man sich kostenlos und komplett jetzt schon auf ihrer seite anschauen.
http://kettcar.erna-medien.de/index.php?id=1012

desweiteren ist mir aufgefallen das bei musicload z.b. die meisten downloads auf 10 x brennen beschrenkt sind.
künstler wie lindenberg , kettcar + peter licht verzichten auf so einen unsinn völlig und bieten ihre kompletten werke zum unendlichen brennen an wenn man sie einmal erworben hat.find ich korrekt das ganze.
Thofrock
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Beitrag von Thofrock »

EwigGestrieger hat geschrieben:
An hat geschrieben: genau.z.b. ist die neue kettcar patte im anmarsch mit namen "SYLT".
das video zur single kann man sich kostenlos und komplett jetzt schon auf ihrer seite anschauen.
http://kettcar.erna-medien.de/index.php?id=1012
Ich mag den Shop, und würde ihn sehr gern unterstützen. Dummerweise sind Album und Maxi erst mit etlichen Wochen Verspätung lieferbar. So lange kann ja kein Mensch warten.
Da steht zwar was von begrenzter Kapazität, aber ich bin fast sicher dass Amazon seine hohe Abnahmemenge an die Bedingung geknüpft hat, dass GHvC nicht über den eigenen Shop billiger anbietet.

Die Idee mit der Hambug-Tour ist übrigens geil. Da muss man auch erstmal drauf kommen. Die Location wird von Abend zu Abend grösser.
Allerdings fehlen die Grosse Freiheit und der Grünspan (die ja nur 100 Meter nebeneinander liegen)
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