OE-Fassung Thofrock:
Wenn man aus dem Südniedersächsischen Richtung Sibirien fährt, kommt man je nach Routenplanung möglicherweise durch den Grossraum Leipzig. Und wenn man in Sibirien niemanden besuchen wollte, sondern nur mal die sibirische Kälte erleben, dann kann man auch gleich in Leipzig bleiben.
Tourstart am Auensee,
(weiterlesen...) den ich etliche Male im Frühling besucht hatte, aber in dieser trostlosen Winterstimmung noch nicht kannte. Auch die kleine Eisenbahn, die sonst um den See herumfährt, hatte sich zurückgezogen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, bei dieser Schweinkälte in eine offene Bahn zu steigen.
Trotzdem setze gegen 18 Uhr in dieser heute finsteren Gegend plötzlich reges Treiben ein. Und obwohl an diesem 25.1. in Leipzig ein ganzes Bündel Events stattfand (u.a. Suzanne Vega, die Heinz an einer Tankstelle sogar in ihr Tourfahrzeug einsteigen sah), füllte sich das Haus Auensee so fett, dass es Viertel vor Acht zu einer amüsanten Begebenheit im Vorraum kam. Ein Mann hinter der Gaderobe verkündete lautstark der immer noch langen Schlange, dass die Gaderobe leider überfüllt sei, und nichts mehr annehmen könne. Man habe lediglich noch 20 Müllsäche, zur Aufbewahrung von Bekleidung, dann ginge nichts mehr.
Nachdem ich den ersten Teil seiner Ansprache, wenn auch erstaunt, geglaubt hatte, hielt ich das Ganze bei Erwähnung des Wortes “Müllsäche” dann doch für einen Scherz. Aber tatsächlich holte der Mann nun ein Paket große blaue Plastiksäcker hervor, und zupfte sie auseinander.
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Die “Stein vom Herzen”-Tour begann um 20.07 Uhr. Nach kurzem Dudelsack-Intro bretterte die Verstärkung mit “Europas Sohn” los. Der Sound sofort klar und druckvoll, die Band in glänzender Spiellaune, die Halle in der vorderen Hälfte sofort voll dabei, in den hinteren Ecken noch Nachströmende mit der Frage beschäftigt, was mache ich eigentlich mit meiner Jacke.
Heinz schien glänzend aufgelegt, garnierte zum Beispiel die Textzeile “Wie pervers sind die denn da?” mit einer neuen, übermütig anmutetenden Variante. Doch, die hatten einfach richtig Bock.
Frenetischer Beifall, Heinz dankt und nimmt am Klavier Platz, dann ein kurzer Begrüßungstext, der offenbar neu ist, und irgendwas mit Darmstadt zu tun hat. Nun gleich die erste Überraschung. Die Band intoniert “Glaubt keinem Sänger”.Ganz lange nicht mehr gehört. Feine Version, komplett neu einstudiert, da ja niemand aus der Band den Song schon mal gespielt haben dürfte. Sehr schön.
Die Bühne übrigens wirkt “sehr aufgeräumt” wie Heinz es nennt, was allerdings auch daran liegt, dass das Auensee eben nun mal auch viel Platz bietet. Im Capitol wird das schwieriger.
Leipzig ist deshalb auch immer ein schöner Ort, um das Licht zu beurteilen, weil es sich hier optimal entfalten kann. Im Zentrum stehen acht fetten Vari-Lights auf Lichtsäulen im Hintergrund, und natürlich die Leiste über der Band.
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Es rockt weiter. Mit forderndem Schlagzeugintro leitet Jens “Weltweit Feuer frei” ein, und mit “Schämt ihr euch nicht” gibt es das dritte Brett vom neuen Album gleich hinterher. Die Band harmoniert übrigens klasse. Heinz hatte die Proben zunächst als “etwas holprig” bezeichnet, war aber bereits nach der Generalprobe ungewöhnlich entspannt. Dass Zoran auch auf der Bühne ein Großer ist, überrascht sicher nicht wirklich. Aber dass Alex Grube (zuletzt bei der gewaltigen Helene Fischer-Tour am Bass) nach relativ kurzer Einarbeitung von Jens, dass umfangreiche Programm so geil abliefern würde, war keine Selbstverständlichkeit.
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Zum Runterkommen folgt ein neuer Text und “Das Leben nehmen”, womit das neue Album schon mal ordentlich eingeführt ist. Dann der nächste Text “Warum höre ich nichts”, den wir vom neuen Livealbum” kennen, und endlich mal wieder das grandiose “Regen in Berlin.
Für die Leute, denen Heinz zu viel redet, wird es jetzt fast räuberzivilmäßig, weil gleich der nächste Text folgt. Auch “Der dritte Weltkrieg” ist auf der Liveplatte und verbreitet ein sarkastisches Warren Buffet-Gefühl.
Es folgt eine Neuinterpretation von “Abschied muss man üben” und, um die Halle wieder in Schweiß zu bringen, die vielleicht härteste “Draufgänger”-Version, die wir je hatten. Wie Heinz hinterher erzählte, verpatzte er akkordmäßig den Anfang, aber irgendwie hatte das in dem Soundgewitter gar keiner mitbekommen.
Ganz stolzt ist Heinz übrigens auf seine
neue Duesenberg, die ihn nicht nur als Sammler erfreut, sondern auch wegen ihres fantastischen Klanges unbedingt mit auf die Tour mußte.
Mit “Küsse unterm Kleid” ging es weiter. Erwartungsgemäß ein Abräumer auf der Bühne.
Auf den letzten Text des Abends folgte, man glaubt es kaum, das “Männergebet”, gefolgt von “Kleine Fee”, wunderbar intensiv dargeboten und glasklar gesungen.
Jetzt mal eine Anmerkung aus persönlicher Empfindung. Auf der letzten Tour hatten ja alle Songs in der Liveumsetzung gegenüber der Aufnahme auf DGDS klar gewonnen, weil die Studiofassungen eher zahnlos daherkamen. Das machte viele Stücke im Konzert quasi zu Neuentdeckungen. Diesmal, wo das Album einfach saugut produziert wurde, war es gar nicht einfach, diese fantastischen Studiofassungen auf die Bühne zu bringen. Das gelang ohne Frage hervorragend, aber bei meinen beiden Lieblingssongs fehlten mit die letzten 5 Prozent. “Das Glück auf deiner Seite” lebt von seiner wunderbaren Stimmung und Tiefe. Und die ist nicht in letzter Konsequenz auf die Bühne zu bringen. Trotzdem natürlich ein Genuss.
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Weiter gehts mit “Leg nicht auf”, eng am Original, und dem wie ein alter Hit gefeiertem “Hallo Himmel”, übrigens mit verlängertem Schluss, bzw. einem AOR-mäßigen Anbau. Großartig!
Und noch Mal die neue Platte. “Wenn Du sie siehst”, auch als höllisch groovendes Bühnentier, dann “Mit Leib und Seele” in der inzwischen etablierten Version mit dem Prog-Intro. und als wie geschaffener Abschluss des regulären Sets “Es wird ein gutes Leben”
Die Zugaben begannen mit Barpianosolo von Matthias Ulmer, übergehend in die nicht wirklich überraschende “Mabel” und das treibende “Alles was sie will”. Kommt in Leipzig, auch wenn der Altfan es nicht wirklich braucht, immer wieder unfassbar an und treuibt die Halle auf den Siedepunkt.
Dann jedoch, immer noch im ersten Zugabenblock, eine faustdicke Überraschung. Das gute alte Balkonfrühstück in einer zudem so geil entspannten folkloristischen Version, dass einem fast die Tränen kommen. Nostalgie pur.
Der zweite Block mit dem auch etwas straighter gespielten “Vertriebenen” und dem für mich überflüssigesten Song des Abends “Wenn Du nicht wiederkommst”.
Natürlich kommt er wieder. Und wie ich schon in der Albumbesprechung vermutet hatte, gab nicht “Ich habs versucht” den Rausschmeißer, sondern der Namensgeber der Tour. Wundervoll gesungen, vielleicht die Vocals eine Spur zu laut geschaltet. Aber Gänsehaut inklusive.
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Nach der mercharmen letzten Tour gibt es übrigens wieder reichlich neuen Stoff. Verschieden T-Shirts, ein Polohemd, Tassen, Feuerzeuge, Sticker, zwei verschiedene Poster, und natürlich zahlreiche Tonträger. Das Mercherteam ist supernett, wie übrigens alle von der Crew die ich kennenlernen durfte.
So, ich würde den Text jetzt gern noch überarbeiten, verfeinern, und orthographisch berichtigen. Aber Kalle hat mich gezwungen, ihn bis 15.30 h online zu stellen, damit noch Besucher für Magdeburg animiert werden. Da mir auf der Rückfahrt heute früh ab Nordhausen unvermittelt ein ergiebiges Schneetief entgegen kam, brauchte ich für die letzten 100 km über zwei Stunden, und mußte anschließend erst mal ausschlafen. Ich überarbeite dann später noch einmal. Bis dann.