„Schöne Grüße vom Schicksal“
Ein Gespräch - DAS INTRO KOMMT SO OFT, DAS LASSEN WIR VORNE WEG...
Endlich, nach einer für wahre Fans schon fast unerträglichen Wartezeit von 26 Monaten erscheint Heute, am 4. Mai ein neues HEINZ RUDOLF KUNZE & Verstärkung Album. Die Wunderkinder haderten schon fast mit ihrem Schicksal, da ein Prelistening Termin zwar schon frühzeitig anvisiert wurde, aber durch den knappen Terminplan unseres Lieblingskünstlers immer wieder verschoben werden mußte. Erst mitte April konnte man in der Wedemark das neue Produkt begutachten und (der Kalauer muss jetzt kommen) „Das Schicksal“ in die eigene Hand nehmen.
Eines schon mal vorab, was wir zu hören bekamen, ist weit entfernt von den entsetzten Vermutungen einiger Wuki´s, auf Grund der Radio tauglichen Vorabsingle „Ich sag´s Dir gerne Tausendmal“. Das was wir zu hören bekamen, war eine musikalische Entdeckungsreise in Gefühlswelten mit unterschiedlichsten Mitmenschen, urigen Typen, Charakteren und viel Herz ist auch mit dabei - versprochen. *„Songs, die von Schicksalsergebenheit ebenso erzählen wie von unbeugsamen Trotz; von den Schlägen, die man nicht kommen sieht, wie von den Momenten, in denen alles perfekt ist und einem die List der Vernunft ein Lächeln schenkt. Kurz: Musik für die Beste aller möglichen Welten. Mindestens.“
Was HEINZ und seine, wie er immer während des Gesprächs betonte, genialen, kollegialen, professionellen und menschlich hervorragend zusammen passenden, harmonischen Verstärker da gezaubert haben, ist eine bemerkenswerte Fortsetzung und gleichzeitig das Ende einer Trilogie (Stein vom Herzen 2013, Deutschland 2016).
Auch Marc Schettler am Mischpult - HEINZ spricht vom 6. Bandmitglied -, hat das Album, die HEINZ Stimme als Instrument immer ganz nach Vorne gemischt, zu einem völlig begeisternden Klangerlebnis verfeinert. Total echt und authentisch, was natürlich auch an der Stärke des Materials lag, wie HEINZ lächelnd anmerkte. Wir können zu Recht von einem Rock- und Popalbum sprechen, denn es werden alle musikalischen, aber auch textlichen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Wieder einmal ist es Martin Huch (ehemaliges, langjähriges Verstärkungsmitglied & Profifotograf) mit seinen Fotos gelungen, das KUNZE Projekt mit einer tollen Covergestaltung zu versehen und dadurch den sehr guten Gesamteindruck zu vervollständigen. Ein Fankommentar: „Das könnte man sich auch an die Wand hängen!“
Doch lassen wir den Künstler selber zu Wort kommen.
Ein Gespräch - DAS INTRO KOMMT SO OFT, DAS LASSEN WIR VORNE WEG...
Wukis: Beim "Deutschland"-Album gab es eine recht aufwendige Vorproduktion, bevor es ins Studio ging. Das hatte sich ja bewährt. Wie war es diesmal?
HEINZ: Ich habe mich mit Ingo Schmidt getroffen, unserem Mischer der Solokonzerte. Und wir haben, ähnlich wie beim letzten Mal, nackige Versionen mit ein oder höchstens mal 2 Spuren aufgenommen. Die Band hatte sich gewünscht, dass wir das bei meinen Songs wieder so machen.
Wukis: Weil sie dann schon zeitig Ideen entwickeln konnten, bevor man sich im Studio trifft.
HEINZ: Genau. Und die Songs, die die Jungs geschrieben haben, waren natürlich schon fast fertig entwickelt. Die hatten da schon richtig Gas gegeben. Ich kriege da dann immer ein bisschen Minderwertigkeitskomplexe, aber das ist bei der begrenzten Zeit ja nicht hinderlich.
Wukis: Klar, der Zeitplan steht und endlose Diskussionen sind heute nicht mehr drin.
HEINZ: Deshalb ist es so toll, dass die Atmosphäre in dieser Band so außergewöhnlich harmonisch und konstruktiv ist. Es gibt in dieser Kapelle einfach keinen Streit. Jemand schlägt was vor und das wird dann tatsächlich einvernehmlich angenommen oder abgewählt. Klar kommt es mal vor, vielleicht bei jedem dritten Stück, dass ich Leo sage, ich hätte gerne beim Bass das oder das. Dann sagt er "Ja klar, kein Problem". Ansonsten richte ich mich nach ihm, weil er normalerweise besser weiß wie das geht. So ist es bei allen.
Trotzdem hätte ich gern mal wieder drei, vier Tage mehr, damit man eine Entscheidung auch mal sacken lassen kann. Bei unserer Produktionsweise muss am Ende des Tages was stimmen und abgehakt werden. Sonst schaffen wir es einfach nicht.
Wukis: Das war ja nicht immer so. In den 80ern wart ihr oft Monate im Studio um 40 Minuten aufzunehmen.
HEINZ: Ja, da wundert man sich heute gelegentlich. Das war auch nicht immer notwendig. Da wurde auch viel Zeit verschwendet. Wenn keiner Fragen stellt und das Geld ist da, dann machst du das eben.
Wukis: Dann ist Harmonie aber auch zwingend erforderlich, weil der enge Zeitplan keinerlei Konflikte zulässt?
HEINZ: Mal ein Beispiel, das für mich in die Ewigkeit eingeht. Matthias Ulmer hatte für "Schäme dich nicht deiner Tränen" etwas mit Streichern vorbereitet. Und es fiel mir unendlich schwer, ihm zu sagen, dass das ungeeignet war. Das ging in eine Richtung, die ich mir wirklich gar nicht vorstellen konnte. Ich bin ja belehrbar und wenn ein Kollege gute Arbeit macht, auch leicht beeinflussbar. Aber ich habe ihm gesagt, es tut mir leid, ich weiß, dass du tagelang daran geschraubt hast, aber das ist hier einfach falsch. Das geht nicht. Matthias hat sich eine halbe Stunde zurückgezogen, Mund abgeputzt, und dann hat Jens gesagt, "OK, jetzt machen wir das mal als Bandnummer und hat angefangen zu trommeln. Und Matthias war wieder da, setzt sich an die Orgel und gibt wieder Vollgas. Das ist einfach extrem professionell und zeigt eine große menschliche Qualität. Ich glaube, ich hätte gekündigt.
Das ist uns auch zum ersten Mal passiert. Normalerweise weiß er genau was ich spüre, das muss man gar nichts sagen.
Wukis: Dann ist es auch noch nicht so weit, dass der heimische PC das Studio schon komplett ersetzen kann, wie es bei den Kollegen von der Elektronik oft behauptet wird? Ihr arbeitet noch authentisch.
HEINZ: Machen wir uns nichts vor, wenn das amtlich klingen soll, kommt man ohne richtiges Studio nicht aus. Das ist eine Utopie. Und wenn es irgendwann eine Einbildung ist, dann halte ich an dieser Einbildung fest. Ein Schlagzeug das im Gaga-Studio in diesem wunderbaren Raum aufgenommen wird, klingt einfach völlig anders.
Wukis: Produziert hast du wieder mit Jens?
HEINZ: Ich würde mich da zurücknehmen. Das waren diesmal Jens Carstens, Peter Koobs und ich. Peter ist in seine Rolle stark hinein gewachsen. Das fühlt sich an, als wäre er schon immer da gewesen. Und das Alles bei beiden ohne jedes Gockelgehabe. Natürliche Autorität nennt man das wohl. Und ich dann als Spiritus Rektor.
Wukis: Kommen wir mal zum Cover. Bei der ersten Ansicht, noch ohne Kenntnis der Songtitel waren wir etwas überrascht. Diese schwarz-weiße einsamer Wolf-Pose ist ja der Gegenentwurf zum großartigen Deutschland-Cover. Hier denkt man spontan an das spärlich instrumentierte, durchgängig folkige und langsame Alterswerk.
HEINZ: Ja, aber ich finde es gut, diese erdigen Farben, vielleicht einen Tick zu dunkel, das entsteht dann vielleicht auch noch im Druckwerk. Aber diese Bildwahl, diese Sprache, diese Atmosphäre, da treffen sich Martin und ich schon sehr gut.
Wukis: Wir waren jedenfalls recht erleichtert, dass die Platte dann doch sehr bunt und lebhaft ausgefallen ist, eben nicht so eintönig wie das Cover andeuten könnte.
HEINZ: Wir hatten auch wenig Zeit. Am ersten Tag hat es geschüttet wie aus Eimern, am nächsten Tag gewindet wie aus Windhosen. Wir haben in zwei Sessions einfach das Beste aus den Bedingungen gemacht. Es ist auf jeden Fall stimmig, vielleicht für die Platte ein bisschen dunkel.
Wukis: Wo waren die Aufnahmen?
HEINZ: In der Bluesgarage in Hannover.
Wukis: Ah, der Live-Club in Isernhagen. Schöne Idee.
HEINZ: Ja, da hat dieser Henry ein Motel gebaut, wo auch die Musiker meist übernachten die da spielen. Da gibt es richtige Themenzimmer mit Originalutensilien alter Blues Größen wie z.B. John Lee Hooker, Frank Zappa, Rory Gallagher.
Wukis: Reden wir mal über die Platte selbst. War die Anordnung der Songs schwierig?
HEINZ: Die Reihenfolge der Songs ist von Jens. Er hat eine gemacht, ich habe eine gemacht, wir haben wie fast immer seine genommen. Er hat da ein Händchen für. Ich habe das gelesen und gesagt "Ja, das ist es".
Wukis: Die Platte ist wirklich sehr abwechslungsreich, vor allem die Songs der ersten Hälfte unterscheiden sich stark voneinander.
HEINZ: Ja, z.B. mit "Komm mit mir" habe ich wohl einen der lustigsten Songs meines Lebens geschrieben und hatte einen Sauspaß dabei. Das war beim Komponieren so das Gefühl wie ich mir vorstelle, dass es John Fogerty manchmal hatte. Ein ganz einfaches tolles CCR-Lied. Es geht auch ohne h-Moll7.
Wukis: Groß eingeschlagen hat bei uns ja "Herzschlagfinale". Die Nummer hat ja mal wieder unglaublich viel Text. War das schwer, sie aufs Album zu bekommen? Der siebenminütige "Kakadu" beim letzten Album endete ja als Bonustitel.
HEINZ: Richtig, aber das war für mich gesetzt. Ich habe es geschrieben im Dezember auf Sylt bei Sturm. Im Hotelzimmer vor dem Auftritt abends.
Wukis: Den ganzen Text am Stück?
HEINZ: Ja, das war wie im Rausch. Ich habe grad irgendwie Sport Reportage laufen gehabt und da ging es um einen Zieleinlauf. Und ich dache "Alter Schwede, was für ein tolles. Wort: „Herzschlagfinale". Und dann habe ich erstmal alle Wörter aufgeschrieben, die sich auf Finale reimen.
Wukis: Es wirkt übrigens wie live eingespielt.
HEINZ: Ist es natürlich nicht, aber das ist dann auch die Qualität von Koobsi und der Band, einen längeren Song so aufzubauen, dass immer wieder was passiert. Man muss ja dann die Spannung halten. Der Rhythmus war übrigens tatsächlich meine Idee. Das ist ein Steely Dan-Zitat vom "Gaucho"-Album.
Wukis: Wir hatten übrigens den Gedanken, dass du vom ersten Takt an sofort los singst, um keine Sekunde zu verschenken, damit die Nummer nicht bei 10 Minuten ankommt.
HEINZ: Das hat Peter entschieden.
Er hat gesagt, das Intro kommt so oft, das lassen wir vorne weg.
Wukis: Und ein anderer Gedanke war, das wird HEINZ auch ins Solo-Programm nehmen.
HEINZ: Ja, das wird er ganz bestimmt. Es ist so eine schöne Liebesbeziehung mit blauen Flecken. Noch existent, aber mit vielen Blessuren. Aber jetzt mal weiter, der Kunsthöhepunkt ist doch "Der Vogel, der nach Süden zieht". Das ist doch ein Lied wie ganz früher, mit diesem ganz opaken, undeutlichen Text, den auch ich nur bedingt erklären kann.
Wukis: Ja klar, wunderbar schwermütig. Strindberg zum Hören irgendwie.
HEINZ: Den Refrain kann ich erklären. Das ist dieses typische Kunze-Modell, wo man niedergeschlagene, depressive Zeilen singt und das Publikum widerspricht "Nein, stimmt gar nicht und dann bei Konzerten ein Plakat hochhält – Wir lieben Dich Du Träumer".
Wukis: In "Der Vogel, der nach Süden zieht" ist wirklich eine schöne Portion Jazz.
HEINZ: Ja, der zweite Akkord ist sehr Keith Richards. Das ist einer dieser Akkorde, die man nur ganz schwer notieren kann weil man nicht weiß wie der heißt. Und das ist übrigens ein Neun-Achtel-Takt. Wir haben erst beim Aufnehmen gemerkt, wie tricky das ist mit neun Achteln. Na klar, Studentenmucke, lange nicht mehr gemacht, hat die Band geflachst. Und dann sind sie fast verzweifelt. Bis auf Jens, der hat sich da durch getrommelt wie ein Jazz-Trommler. Aber Matthias und Leo hatten tierisch Schwierigkeiten mit diesem krummen Takt.
Wukis: Klingt ja nach einem richtigen Zappa-Moment im Studio.
HEINZ: Ja, das war ein Späßchen. Selbst Ulmer, mein Experte in Prog-Rock hat geflucht wie ein Scheunendrescher.
Wukis: Es gibt im Sound Genreverweise und Bandbezüge von Country bis Artrock, von Roxy Music bis AC/DC – was hast Du während des Kreativprozesses so gehört?
HEINZ: Hauptsächlich Jazz (lacht), kein Witz! Was man höchstens bei ein, zwei Keith-Jarrett-artigen Akkorden bemerkt. Aber schon auch die alten Bands. Neue Bands nicht mehr so, weil ich da nur noch weniges finde, von dem meine Aufmerksamkeit nicht bald abgleitet.
Wukis: Weil der Speicher voll ist?
HEINZ: Genau. Wir hören schon so lange Musik. Man hat genug damit zu tun, die Dinge zu pflegen, die man schon kennt. Man kann nicht mehr unentwegt Neues aufnehmen. The National ist eine Band, die ich gut finde. Aber eben nur gut. Dann höre ich mir das neue Album an und greife hinterher doch wieder zu Led Zeppelins „III“.
Wukis: Könnt ihr das dann im Konzert überhaupt aufführen?.
HEINZ: Das weiß ich noch nicht. Es kann sein, dass ich weder "Herzschlagfinale", noch den "Vogel" mit der Band live spielen werde.
Wukis: Da wir gerade im unfassbar starken letzten Albumdrittel sind, ein paar Worte zur Schlussnummer.
HEINZ: Ja, die "ganz normalen Menschen" ist das Lied, das Martin Schulz im Wahlkampf gefehlt hat.
Wukis: Erinnert uns übrigens von der Stimmung an "Es wird ein gutes Leben". Quasi die Aufheller am Ende der Platte, aber eben nicht banal erzwungen, sondern absolut schlüssig aufgebaut.
HEINZ: Deshalb bin ich auch der Meinung, dass die drei Alben "Stein vom Herzen", „Deutschland“ und „Schöne Grüße“ eine Trilogie sind.
Wukis: Warum?
HEINZ: Das hat mit der Band und der von uns gemachten Musik zu tun. Wir haben eine Truppe zusammen, die auf ihre ganz eigene Weise klingt. So wie die Kunzeband der Achtzigerjahre ihren Klang hatte. Die eigene Handschrift ist auf diesen drei Alben sehr ausgeprägt.
Wukis: Das glauben wir auch. Die Nullerjahre bis "Bis Gunst der Stunde", waren irgendwie rastlos und eine Suche nach dem beständigen Weg, den du jetzt in Form dieser Trilogie wiedergefunden hast.
HEINZ: Ja, aber deshalb müssen wir uns jetzt was einfallen lassen. Eine abgeschlossene Trilogie heißt ja im Umkehrschluß, wir müssen uns mal wieder woanders hinbewegen. Ich weiß nur noch nicht wohin.
Wukis: Die Kuh will aufs Eis, weil es ihr zu wohl ist?
HEINZ: Solche Aussagen sind natürlich immer mit Vorsicht zu genießen, gerade im Windschatten einer neuen Veröffentlichung. Das hat oft nicht viel Bestand und kann in einem Jahr ja auch wieder ganz anders aussehen. Aber es darf am Ende auch keinen Stillstand geben.
Wukis: Nochmal in die Einzeltitel. Beim ersten Lesen der Songtitel war ja "Hartmann" am meisten im Dunkeln. Da ahnt man so gar nicht worum es geht.
HEINZ: Ich habe mal in Flensburg in einem Army-Laden ein Bundeswehr-Hemd gekauft, wo Hartmann draufsteht. Auch so kann man auf Lieder kommen.
Wukis: Vortrefflich. Hast du überlegt, ob eine ruhige, moll-lastige Instrumentierung die bittere Thematik nicht besser transportiert?
HEINZ: Ich hab mich für diesen schönen Rocker entschieden, um zu zeigen, der Typ hat noch Kraft, der ist noch nicht fertig. Der ist nur sauer. Das ist ja ein Unthema. Die kriegen ja keine Rückendeckung die Jungs.
Wukis: Wo wir grad bei den Rockern sind, "Schieß" versucht ja sehr schön, Led Zeppelin und Deep Purple zusammenzubringen.
HEINZ: Jau, und das zu einem relativ jungen und spontanen Text, wo ich einfach mal versucht habe, dieser Stimmung nachzugeben, wenn man sich von allen verkauft und verraten und verlassen fühlt. Mach einfach Schluss, ich schaffe es nicht. Nicht mal das schaffe ich.
Wukis: Der Mittelteil ist im übrigen auch ganz toll geworden. Da zerfließt der Song regelrecht.
HEINZ: Ja, ich weiß gar nicht wie die Jungs das gemacht haben, diese komischen Sounds zu erzeugen.
Wukis: Da schließt sich die Frage an, wie viel Autobiografie steckt denn da drin.
HEINZ: Es ist der Versuch dem Ausdruck zu geben, einem Gefühl, wenn man verraten, im Stich gelassen wird. Das bin ich ja auch schon in diesem Leben, klar.
WUKIS: Wir hatten uns als Frage nur notiert, ob es eine Abrechnung mit der Musikbranche sein könnte.
HEINZ: Das wäre zu pauschal und ungerecht. Die Branche hat mir ja auch viel Gutes getan. Aber es könnte die Abrechnung mit Einigen sein. Manche in meiner langen Laufbahn haben mich schon zutiefst enttäuscht. Ich glaube schon, dass der Song auch davon handelt. Vor allem hat er aber seine Berechtigung, weil es vielen Menschen ab und zu so geht.
Wukis: Die böseste Nummer ist Schorsch, oder?
HEINZ: Es ist meine Reaktion auf das Stück "Revolution Blues" von Neil Young auf "On the Beach". Da singt er mit Einverständnis von Warner Br: Well, I hear that Laurel Canyon is full of famous stars, But I hate them worse than lepers and 'll kill them in their cars. (Nun, ich höre, dass Laurel Canyon voll von berühmten Sternen ist, aber ich hasse sie schlimmer als Leprakranke und werde Sie in ihren Autos zu töten.)
Wukis: Bei dir geht es ja noch viel tiefer. Die Bedeutung der Schere, einmal als Symbol für abnehmende soziale Gerechtigkeit, und andererseits als halsabschneidendes Regulativ, ist schon sehr spannend. Und sehr anschaulich.
HEINZ: Ja, das ist es schon. Irgendein Schnabelschuhtyp hätte das auch im Mittelalter auf Marktplätzen singen können. Im Bauernkrieg.
Wukis: Vor allem bildet die Musik einen herrlichen Gegensatz zu der finsteren Message.
HEINZ: Ja, es ist auch sehr interessant arrangiert. Das war wieder so eine Teamarbeit. Ich saß am Klavier, und dann kam jeder so mit seiner Idee. Jeder tat also was dazu und dann kam Matthias mit diesem wunderbaren Genesis-Keyboard von "And the there were Three...". Und ich wusste sofort, Danke Matthias, das war es, das ist mir nicht eingefallen.
Und dann kam der Höhepunkt der gesamten Session. Koobs hatte sich sehr lange Gedanken gemacht über dieses schwierige Solo, das zweite Steely Dan-Zitat auf dem Album. Das ist wirklich sehr schwierig und geht ja schon in Richtung Chick Corea. Irgendwann hatte es dann auch drauf. Und dann sagte Ulmer: Ich geh mal rein, gell? Und spielte das Solo mal eben 1:1 mit. Uns fiel die Kinnlade runter. Das ist unser Matthias.
Wukis: Aufgenommen habt ihr wieder Gaga Studio Hamburg und im Studio Nord in Bremen. Man kann ja im Internet besichtigen was für ein breites und teilweise auch historisches Equipment in Bremen für euch verfügbar war.
HEINZ: Das ist richtig. Bei "Wie tut man denn sowas" hört man ein ganz flach klingendes, aber auch total niedliches Keyboard. Die hatten da wirklich diese alte Dampforgel, die Hanns Dieter Hüsch immer hatte. Dieses kleine Teil, auf dem er immer so rumgejazzt hatte, sodass seine Zettel immer davon heruntergefallen sind. Das klang so süß. Und in "Zitadelle" haben wir den verrücktesten Sound auf dem ganzen Album, ein Solo auf einem verstimmten Westernklavier mit Nägeln an den Hämmerchen. Da musste mich die Band überzeugen, mal irgendwas ganz anderes auszuprobieren.
Wukis: Wie ist eigentlich die Aufteilung der Komponisten. Texter ist klar, aber welche Stücke sind von wem?
HEINZ: Die Single ist von Carstens/Koobs, "Schieß" ebenso, dann auch "Raus auf die Straße" und "Luft nach oben".
Wukis: Also elfmal (11) Kunze. Apropos Single. Kann es sein, das "Straße die zweite Auskopplung fürs Radio ist. Ein toller Opener, dabei sehr eingängig, und nach unserer Meinung organischer als "Hunderttausend Mal".
HEINZ: Könnte sein. -
Am Ende wird dann wieder die Frage stehen, wie das Schicksal, es mit dem seid Jahren kontinuierlich, beständig, gleichbleibend und konstant tolle Alben produzierenden HEINZ, denn so meint? Ist die künstlerische Vielseitigkeit nun ein Fluch oder ein Segen? So unterschiedlich wie die Kunstformen des HEINZ RUDOLF KUNZE sind auch seine Fans, seine Hörerschaft, aber mit diesem Album könnte der immer währende Spagat zwischen Kunst und Kommerz, zum wiederholten Male gelingen und alle Hörer und Fans zufrieden gestellt werden.
Alle Richtungen von Liedern im unplugged „Räuberzivil“und Solo-Stil, bis nahe am Mainstream-Schlager, über geilen, stampfenden Rock und ambitionierten Pop, mit fast schon Schlagertextnähe, aber auch epische, lyrische Texte, reich an rhetorischen Stilmitteln. Hier wird alles geboten, was den KUNZE-Fan beglückt, sofern er alle Spielarten der Musik und Dichtung ertragen kann. Eine Produktion die nicht in erster Linie auf kommerziellen Erfolg schielt, sondern die Vielseitigkeit des Künstlers eindringlich dokumentiert und quasi als ein Angebot zu verstehen ist. HEINZ sagte uns, er steht voll und ganz zu all den Facetten dieser Produktion und auch bei den sogenannten Popnummern, habe er viel Spaß gehabt, was man dem neuen KUNZE Baby auch wirklich anmerkt. Nebenbei erwähnte er auch, dass ein Album zur Welt zu bringen, bei ihm auch mit einer Schwangerschaft zu vergleichen sei und dazu auch meistens noch 9 Monate braucht. (lacht) HEINZ singt (Zitat) „Ich war lange verborgen, hab mir Menschen ausgedacht, alles was sie erleben selbst mit durchgemacht, mit Tönen gedichtet, mit Worten gemalt, ich erfinde neue Welten, dafür werd ich bezahlt.“ Ein tolles Werk mit großer Spannweite von Pop bis Extrem, eben ein Dr. Jekyll und Mr. Hyde, also KUNZE typisch mit vielen wundervollen Poesieanteilen, teils nachdenklich und durchaus mit Aussage, aber meist klar und deutlich, verliebt in Menschen und der Welt freundlich gegenüber, absolut ohne Besserwisserei oder Oberlehrerhaftigkeit, was früher oftmals die behaupteten, die nie ein Album von HEINZ RUDOLF KUNZE wirklich einmal komplett durchgehört haben. Jetzt hätten sie die Gelegenheit ihre unbegründeten Vorurteile abzubauen und sich ein ehrliches Bild vom Dichter, Denker Mitmenschen HEINZ RUDOLF KUNZE zu machen.
Abschließend bedanken wir uns bei HEINZ für ein "Schicksalhaftes Gespräch" und die Möglichkeiten der Analyse dieses Kunstwerks mit Hand und Mund. Es sind wirklich "Schöne Grüße vom Schicksal" geworden und "Schicksalsschläge" sind ab Heute nur noch unbedrohliche, wundervolle Taktschläge, Rhythmen von HEINZ, Jens & Leo und eine bunte "Schicksalsmelodie" von HEINZ, Matthias & Peter.
Wir drücken jedenfalls die Daumen, denn die WUNDERKINDER bestätigen gerne DEIN IST UNSER (MEIN) GANZES HERZ. Es ist besser, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und in der *„KUNZE Trutzburg gegen Oberflächlichkeit und Herden-Mentalität“ bis zur letzten Platzpatrone "aufrecht!" weiter zu kämpfen. Wir WUNDERKINDER wollen, in unseren bescheidenen Möglichkeiten, gerne die Flanke sichern und eine Prise Glück gehört natürlich auch dazu. HEINZ und seine Truppe, werden den neuerlichen Durchbruch schon schaffen. Letztlich glauben wir, ist es nur eine Frage von emotionalem Erreichen des Menschen, um eine Single, ein ganzes Album zum Erfolg zu verhelfen. Das Schicksal wird’s gut meinen mit HEINZ.
„Schöne Grüße vom Schicksal“ ein Album wie ein Buch oder besser gesagt, wie ein Bestsellerroman, den man anfängt zu lesen und ihn nicht mehr aus der Hand legt. Ein wirklicher Spannungsbogen bis zum Schluss. Unsere Empfehlung - am Besten die Vinyl Platte mit Genuss auflegen und nach der Hälfte umdrehen auf dem Plattenteller, alle Sinne ansprechen lassen, genießen, in Gefühlen schwelgen und die Texte sezieren, an sich ranlassen und durchaus damit rechnen auch einmal rhythmisch zu tanzen. Wie? - Ich kann nicht tanzen! Wunderkinder können das...! HEINZ zu hören ist doch unser Schicksal.
Das Gespräch führten Franky Thofern & Kalle Prigge
* Zitat = Oliver Kobold