BRILLE BEGEISTERT LIVE MIT MEGAVERSTÄRKUNG UND GRANDIOSER HAND- UND MUNDWERKS-KUNST
(Leipzig, 11.1.) Tourstart im eiskalten Leipzig hatten wir schon öfter. Ist aber an einem 11. Januar auch keine Sensation. Die schöne Eisenbahn fährt nur zu dieser eben nicht rund um den Auensee.
Sieben Monate zwischen Album und Tourstart ist dann schon eher ungewöhnlich. Von der alten Booking-Regel "Das Album hilft der Tour" ist aber keine Rede. Das "Auensee" ist pickepackevoll, wie immer. Die Tour zum "Deutschland"-Album liegt immerhin 3 Jahre zurück, die bestuhlten Shows zum "Meisterwerke"-Album, fast 2 Jahre. Aber in Leipzig wäre die Hütte am Karfreitag um 8 Uhr Morgens voll wenn HEINZ kommt.
Bevor wir weiter referieren, der eigentlich selbstverständliche Warnhinweis, nicht weiter zu lesen, wenn ihr euch die Überraschungen der "Schicksals"-Tour erhalten wollt. Es gibt nämlich einige. Das Set ist das Schönste seit 2007, und auch Line Up und Bühnengestaltung haben ungewöhnlich viel Neues zu bieten.
Das Set stellen wir gleich mal voran:
INTRO
RAUS AUF DIE STRASSE
ZITADELLE
DER ABEND VOR DEM MORGEN DANACH
SCHORSCG GENANNT DIE SCHERE
DER VOGEL DER NACH SÜDEN ZIEHT
SCHÄME DICH NICHT DEINER TRÄNEN
DAS ULTIMATUM
BÜHNE DEINES LEBENS
MIT LEIB UND SEELE
FINDERLOHN
ALLER HERREN LÄNDER
HARTMANN
LEBEND KRIEGT IHR MICH NICHT
KOMM MIT MIR
REGEN IN MEINEM GESICHT / BRENNENDE HÄNDE
GANZ NAH DRAN/MABEL
DIE GANZ NORMALEN MENSCHEN
HALLO HIMMEL
MEINE EIGENEN WEGE
LEG NICHT AUF
DEIN IST MEIN GANZES HERZ
WENN DU NICHT WIEDERKOMMST
BESTANDSAUFNAHME
* zunächst als Ersatz für den Jördis Tielsch Song (fehlte wg. Krankheit von Bremen bis Mönchengladbach) gedacht, wird
VERTRIEBENER bleibt er quasi zusätzlich fester Bestandteil der Setliste
- 50022237_2251873414831438_998580914227249152_n.jpg (36.95 KiB) 26504 mal betrachtet
Bevor wir mit Informationen und Anmerkungen zum Set beginnen, sei erst mal erwähnt, wie stark die Verstärkung auftritt, nämlich mit acht Musikern. Ein bisschen Pate standen dabei natürlich die "Meisterwerke"-Konzerte, von denen wir den zweiten Gitarristen, Percussionisten und Background-Vokalisten Andrew Gräser schon kennen. Die Band hatte die erweiterten Möglichkeiten bei den Arrangements sehr genossen, und HEINZ hatte seinerzeit schon beschlossen, diese Verstärkung beizubehalten. Das Streichertrio wäre für diese Tour too much gewesen, aber die Violine von Singer/Songwriterin Jördis Tielsch nebst Sängerin Natalie Pütz kam wie gerufen. Jördis hatte 2016 beim NDR-Rundfunkkonzert in Hamburg einen sehr schönen Support für HEINZ gespielt und steht inzwischen auch bei der MAWI-Tochter Meadow Lake unter Vertrag. Und wer im Vorfeld Angst vor einer inflationär und zu dominant herrschenden Violine hatte, dem sei gesagt, dass diese unbegründet war. Das Instrument begleitet den Sound organisch und wohldosiert, und hat ansonsten einige wunderschöne Soloparts. Auch der Background funktioniert nicht nach dem Motto, "Wir zeigen jetzt mal, wie man Feuer legt", sondern schließt eigentlich mehr Lücken und rundet ab. Meistens muss man veränderte Arrangements schon sehr aufmerksam suchen. Jedenfalls bei den oft gespielten Songs. Übrigens hat Jördis nach ungefähr einem Drittel auch ihren eigenen Song "Bühne deines Lebens" am Start und HEINZ eine kleine Pause.
Und damit kommen wir zum Set. Neben 8 Songs vom neuen Album haben wir es nämlich mit weiteren 8 Songs zu tun, die auf der Bühne absolute Raritäten sind, und von denen niemand behaupten wird, er habe sie erwartet. "Lebend kriegt ihr mich nicht" eine der stärksten komplexen Rocknummern in deutscher Sprache die je geschrieben wurden, kann man 26 Jahre nach "Draufgänger" eigentlich als Sensation bezeichnen. Niemand aus der Verstärkung hatte den genialen wie sperrigen Siebenminüter je zuvor gespielt. Und wenn wir schon bei "Draufgänger sind, passt auch gleich die wunderschöne Ballade "Finderlohn" dazu, die hier wundervoll organisch dargeboten wird. Da geht einem das Herz auf. "Der Abend vor dem Morgen danach" ist noch älter. und überrascht zudem gleich früh im Set. Nicht unser Lieblingssong, aber für das irische Flair besser als schon wieder mal "Alles was sie will". Es geht noch weiter zurück. "Ganz nah dran", das Groove-Monster aus dem Album "Wunderkinder" geht satt über den Siedepunkt. Die Nummer stampft wie die Sau, und man erwartet förmlich, dass auch noch das Bläserquartett um Irish Earl die Bühne stürmt.
Das siebenunddreißig Jahre alte "Ultimatum" hat HEINZ zwar für sein "Einstimmig"-Programm reaktiviert, dass die Band die zeitlos fesselnde Nummer aber auch aufbietet, ist der nächste Hammer. Die verstörende Handlung (Schöpfungsgeschichte falsch herum) in sieben Akten ringt hier mit einer traumhaften Instrumentierung, erinnernd an die "Noch hab ich mich an nichts gewöhnt"- Inszenierung der Rückenwind-Tour.
Auf ein Medley aus der chronisch unterschätzten Ballade "Regen in meinem Gesicht (aus "Protest" und "Brennende Hände" muss man auch erst mal kommen. Beides Leckerbissen vor allem für Kunze-Kenner. "Regen" ist vielleicht die schönste verhinderte Single seit "Es ist nicht wie du denkst".
Kommen wir mal zu den Songs vom neuen Album. Auch hier die schöne Überraschung, dass der "Vogel" mit dabei ist, obwohl HEINZ bei der Album-Promo Bedenken hatte, ob man diese schwierige Nummer auf die Bühne bekommen würde. Nun ja, die Live-Version ist fantastisch. Auch "Schorsch" dürfte einige Probenzeit erfordert haben, war HEINZ aber sicher ein Bedürfnis. Die Nummer gewinnt live gespielt deutlich dazu, klingt einfach noch organischer als das im Studio möglich war.
Auch der Opener "Raus auf die Strasse" hat natürlich hier markante Ecken und Kanten, läuft rockiger und kraftvoller durch. Und selbstredend gilt das auch für "Zitadelle" und "Hartmann". Wer übrigens die erste Single "Ich sag´s dir gerne tausend Mal" vermisst, der hat gut beobachtet. Keine so gute Wahl seinerzeit, und deshalb für die Tour nicht berücksichtigt. Die zweite Single "Komm mit mir", auf dem Album auch etwas gewöhnungsbedürftig, macht hier richtig Bock und wird frenetisch begleitet. "Die normalen Menschen" zum Ende des regulären Programms, sind wunderbar arrangiert und profitiert am stärksten von der breiteren Verstärkung. Ganz toll gemacht.
Die Zugaben fallen natürlich weniger spektakulär aus, das Auensee meldet aber inzwischen gefühlte 40 Grad und Luftnot in Bühnennähe. Im ersten Dreierblock muss ein traumhaftes "Leg nicht auf" die Meute wider einfangen, bevor sie beim zweiten Doppelblock wieder ausrastet. Zur dritten Zugabe kommt HEINZ dann noch einmal allein, um den ältesten Song des Abends im Einstimmig-Modus zu performen. Da ist dann die 150-Minuten-Grenze überschritten.
- 49745779_2251885241496922_9030017711610003456_n.jpg (57.58 KiB) 26504 mal betrachtet
Sprechtexte gibt es übrigens fünf, zum Teil Einstimmig erprobt, zum Teil völlig neu. Und apropos Fünf, das gilt auch für die Videowände. Das diesmal wuchtigere Bühnenbild könnt ihr ja auf Fotos beurteilen. Nicht aber die Effekte über Videoeinspielungen und auch bisher bei Heinz nicht gekannte Lichtprojektionen. Ökonomisch betrachtet also sicher mehr Aufwand. Band größer, Technik fetter, visuelle Eindrücke stark aufgerüstet.
So Leute, und jetzt bleiben euch noch 18 Termine um euch das erlesene Event selbst anzusehen.
Oh doch nicht, es bleiben z. Zt. 17 Termine denn MAGDEBURG meldet "AUSVERKAUFT".
Gefilmt wird die Tour nicht. Von einer Live-CD haben wir auch nichts gehört, obwohl allein schon "Lebend kriegt ihr mich nicht" das Geld wert wäre.
Wir sehen uns Kalle und Franky