blumfeld gegen HRK / Aus der Spex 11/1994

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EwigGestrieger
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blumfeld gegen HRK / Aus der Spex 11/1994

Beitrag von EwigGestrieger »

Aus Spex 11/1994
Von Christoph Gurk und Ralph Christoph


Kunze und andere deutsche Texte

Ein Interview mit Jochen Distelmeyer

Vor fünf Monaten druckte der "Spiegel" ein Interview mit Heinz Rudolf Kunze, in dem eine Zwangsquote für deutschsprachige Bands in Radio und Fernsehen gefordert wurde, die weniger den etablierten Acts, sondern "Nachwuchsbands" wie Blumfeld, Die Sterne, Element Of Crime, Mastino oder Caspar Brötzmann zugute kommen soll.

Anfangs glaubten wir noch, es handele sich um die übliche Wichtigtuerei eines Rockbeamten, der schon bessere Tage gesehen und die Diskussion um die Folgen der Wiedervereinigung verpennt hat. Als langsam klar wurde, daß Kunze offenbar ein breites Bündnis aus Politik und Musikwirtschaft hinter sich hat, lehnten wir es erst recht ab, eine Stellungnahme zum Thema abzugeben. Denn wer allen Ernstes an einer Kontroverse über die Staatsangehörigkeit oder Sprache von Musikern als Kriterium einer Ausschlußregelung teilnimmt, und sei es nur in distanzierender Absicht muß sich nicht wundern, wenn die Entwicklung eine unkontrollierbare Eigendynamik annimmt. Das war eine Lehre, die wir aus der Nazirock-Diskussion gezogen hatten.

Spätestens seit der diesjährigen Popkomm aber, die inhaltlich ganz im Zeichen der Quotendiskussion stand, hat sich die Debatte in ihr Gegenteil verkehrt. Das Problem sind immer weniger die Nationalisten in der Musikindustrie und die Medien, die das Thema zu dem gemacht haben, was es heute ist, sondern die Objekte der Vereinnahmung. Ein typischer Fall linker Selbstzerfleischung, wo der Hauptgegner völlig aus dem Blickfeld gerät.

So polemisierte Wiglaf Droste in der "Jungen Welt" plötzlich gegen "anpolitisierte Hamburger Musikkreise". Christoph Twickel kanzelte in der Stadtzeitschrift "Szene Hamburg" die "privatistische, sozusagen inkorrekte und 'unverständliche' Sprache" von Blumfeld als Träger habitueller Dissidenz ab und dekretierte, man müsse "schon explizit antinational argumentieren", um der Vereinnahmung zu entgehen. Den Vogel schoß im Oktober erwartungsgemäß Günther Jacob mit einer (gemäßigten) Titelgeschichte in "Konkret" und einem Dokument des kompletten Realitätsverlustes in der "Jungen Welt" ab. Darin wird Jochen Distelmeyer – Sänger, Gitarrist und Texter von Blumfeld – unter anderem unterstellt, er habe beim Indie-Label Fast Weltweit schon Mitte der 80er Jahre an einer »Rückbesinnung auf das deutsche Liedgut« mitgearbeitet.


Neben vielen anderen Dingen, die hier zu kommentieren wären, gehört es zu den bezeichnenden Konstanten in dieser gespenstischen Debatte, daß den Autoren solcher Texte bis zu vier Seiten eingeräumt werden, um von oben herab ihre Argumentation entwickeln zu können, aber kaum jemand auf die Idee kommt, die Leute, um die es geht, nach ihrer Einschätzung zu fragen, von einer fundierten Recherche ganz zu schweigen. Aus diesem Grund verzichten wir auf eine ausführlichere Stellungnahme der Redaktion. An ihrer Stelle hier ein Auszug aus einem Gespräch, das Christoph Gurk und Ralph Christoph mit Jochen Distelmeyer in Köln führten. Der Wortlaut wurde vom Interviewpartner autorisiert.

SPEX: Bevor wir über inhaltliche Fragen sprechen, wäre es hilfreich, ein paar Ereignisse zu rekonstruieren, die bislang nicht weiter an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Fangen wir mit dem Ausgangspunkt der Debatte an: Wie haben Blumfeld auf Kunzes Äußerungen im "Spiegel" reagiert?

JOCHEN DISTELMEYER: Neben einem Interview mit dem Berliner Stadtmagazin "Zitty", das uns als einzige Zeitung anbot, dazu Stellung zu beziehen, haben wir noch einen Brief an den "Spiegel" geschickt, der nicht gedruckt wurde. Sowohl im Interview als auch im Leserbrief haben wir uns klar von Kunzes Forderungen und Vereinnahmungsversuchen distanziert, weil wir seine Äußerungen als Teil des deutschnationalen Diskurses verstehen, gegen den wir uns als Band und Privatpersonen immer erklärt haben.

SPEX: Kannst du dir erklären, warum sich Kunze ausgerechnet auf euch beruft?

JOCHEN DISTELMEYER: Ich sehe darin in erster Linie einen erneuten Profilierungsversuch. Mit der Bezeichnung "Nachwuchs" suggeriert Kunze, wir würden an etwas weiterarbeiten, für das er immer schon gestanden hätte. Daß dem nicht so ist haben wir ihm schon einmal zu verstehen gegeben, als er uns vor zwei Jahren einlud, auf seinem Konzert im Rahmen der Popkomm zu spielen. Wir lehnten mit der Begründung ab, es gäbe nichts, was uns mit ihm verbindet. Schließlich konnte man schon vor dem "Spiegel"-Interview einschätzen, wo sich Kunze sowohl politisch als auch künstlerisch verortet.

SPEX: Kannst du das genauer beschreiben?

JOCHEN DISTELMEYER: Ich verstehe Kunzes Äußerungen zur Zwangsquote nicht nur als Ausdruck einer politischen Gesinnung, die sich mit Martin Walser, Botho Strauß und der Politik der Bundesregierung kurzschließt: Der Wehrmachtston, den er anschlägt, wenn er von der "Flut" ausländischer Musik und "ausländischen Schunds" redet, der "in Deutschland und in Japan, den Verlierernationen des 2 Weltkriegs (...) widerstandslos geschluckt wird"; seine Angst vor dem Strom von Fremden, dem die deutsche (Kultur-)Nation hilflos ausgeliefert sei, wenn die Deiche nicht höher gezogen würden; und schließlich sein Aufruf, sich der eigenen Identität zu besinnen – das alles steht auch für sein Verständnis von sich und seiner Arbeit als Musiker und Verfasser von Texten. Wenn man sich Stücke anhört wie "Ich bin auch ein Vertriebener" oder "Die langen Messer der Nacht", in dem Kunze eine Analogie zwischen Konzentrationslagern und Techno-Clubs herstellt, versteht man auch, wieso es ihm leicht fällt, Ole Seelenmeyers Satz vom "Genozid an der deutschen Rockmusik" als verbalen "Punk" zu verharmlosen. Eben nicht nur, weil er keine Ahnung von Punk hat, sondern auch, weil er das inhaltlich ähnlich sieht.

SPEX: Wenige Wochen nach dem "Zitty"-Interview erschien im "Rolling Stone" ein Artikel von Wiglaf Droste, in dem er gegen Kunze zu Felde zog und sich darüber wunderte, warum es bisher keine öffentliche Distanzierung seitens der von Kunze vereinnahmten Bands gegeben habe.

JOCHEN DISTELMEYER: In der selben Ausgabe wurden Musiker wie Campino zum Thema befragt – doch außer Element Of Crime keine der vereinnahmten Bands.

SPEX: Wieso habt ihr es dann abgelehnt, an der Diskussionsveranstaltung »Wie deutsch kann Pop sein?« teilzunehmen, die vom "Spiegel Extra" im Rahmen der diesjährigen Popkomm ausgerichtet wurde? Da hättet ihr doch die Möglichkeit gehabt, euch in aller Öffentlichkeit zu äußern.

JOCHEN DISTELMEYER: Angesichts der uns bekannten Teilnehmer – neben Kunze halt Vertreter der Musikindustrie und jemand vom "Spiegel" – war der Verlauf vorgezeichnet. Wir hatten keine Lust, als vereinzelte Gegenstimme der Veranstaltung einen pluralistischen Touch zu verleihen. Es lag auf der Hand, daß Kunzes Äußerungen lediglich relativiert werden sollten, um dann aber an den deutschnationalen Inhalten der Forderung festzuhalten. Eine Stellungnahme, in der wir uns auch zu dieser Podiumsdiskussion äußern, ist in der aktuellen Ausgabe der "Beute" abgedruckt worden.

SPEX: In der Tat nahm die Debatte während und nach der Veranstaltung makabre Züge an. Die rechtsextreme "Junge Freiheit" nahm das Thema im Anschluß an die Popkomm unter der Headline "Englisches Gedudel Stoppen" auf die Titelseite, während der linksliberale "Freitag" die Diskussion mit einem Pamphlet gegen die Haltung der sogenannten "Poplinken" auf den Kopf stellte. Ab da richtete sich die Kritik kaum noch gegen Kunze und die Quotenlobby – vielmehr wurden die von Kunze herbeizitierten Bands, darunter auch Gruppen, die bisher in diesem Zusammenhang gar nicht aufgetaucht waren, latent oder manifest dieser Lobby zugeordnet. Was sagst du zu dieser Entwicklung?

JOCHEN DISTELMEYER: Es hat den Anschein, als ginge es den Verfassern darum, den Bands die Fehler ihrer Kunst nachzuweisen. Dabei versuchen sie zwar, eine Verbindung zur Kunst, Musik, Literatur herzustellen, sind aber nicht in der Lage, formal und thematisch mit den darin aufgehobenen Denkweisen zu kommunizieren. Sie können sich in ihren Analysen nicht wirklich einlassen auf die künstlerischen Prozesse und deren explizite Argumentation.

SPEX: Gerade das aber wird Blumfeld vorgeworfen – mangelnde Klarheit in Fragen der politischen Meinungsbildung.

JOCHEN DISTELMEYER: Für Gruppen wie Die Goldenen Zitronen oder Blumfeld, die beide mittlerweile im Zentrum dieser Kritik stehen, ist Explizität und Engagement für den antinationalen Diskurs ein wesentlicher Teil des künstlerischen Selbstverständnisses. Das ist in den Liedern zu hören, in Interviews zu lesen und zu verfolgen gewesen bei politischen Aktionen. Die genannten Journalisten wissen das, und darum ist ihre Kritik nur möglich als Behauptung, als Teil einer Immunisierungsstrategie, mit der sie primär sich und ihre Texte behaupten wollen. Schließlich sind ihre Texte immer schon geschrieben; es sind ja immer dieselben Texte, die sie schreiben. Der Anlaß wird immer beliebiger, ihre Absicht ist entscheidend: Es muß immer etwas geben, das nicht dazugehören darf – bis es nur noch zwei Sprachen gibt, die jeweils eigene und die von vornherein auszuschließende. Deshalb richtet sich die Kritik im Kern auch nicht wirklich gegen mangelndes Engagement, mangelnde Explizität, sondern vielmehr gegen die Kunst, Musik, Literatur selbst, die sich durch ihre Mehrstimmigkeit, Vielsprachigkeit von der Geste des absoluten, autoritären Schreibens unterscheidet. Im Ausschluß abweichender Sprechweisen sehe ich sogar eine strukturelle Ähnlichkeit der Texte bei Kunze und den Journalisten.

SPEX: Heißt das für dich, daß beide Texte im Prinzip das Gleiche sagen?

JOCHEN DISTELMEYER: Ich rede nicht von den politischen Inhalten. Nicht von dem, was sie zum Thema sagen, sondern wie sie zu ihren Texten gelangen, und welche Funktion diese Texte erfüllen. Darin sehe ich Gemeinsamkeiten. Sowohl Kunze als auch die Journalisten verstehen sich nur auf eine Sprache. Das ist die Sprache der Identität, die immer schon Ausdruck eines Gewaltverhältnisses ist. Deshalb erfüllt es sie mit Schrecken, wenn sie bei der Suche nach dem "Eigenen" immer schon auf das Andere stoßen. Sie flüchten sich in ein dogmatisches Wahrheitssystem, mit der totalitären Forderung, denselben Klartext zu sprechen, wie sie selbst.
ulf
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Beitrag von ulf »

ach ja, das Interview mit Diestelmeyer....
EwigGestrieger
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Beitrag von EwigGestrieger »

aber immerhin ist heinz sehr traurig darüber das sich blumfeld aufgelöst haben und ist bekennender fan der band.
ulf
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Beitrag von ulf »

EwigGestrieger hat geschrieben:aber immerhin ist heinz sehr traurig darüber das sich blumfeld aufgelöst haben und ist bekennender fan der band.
genau daran stört sich ja Diestelmeyer. Wahrscheinlich war das auch der Grund sich aufzulösen.

Im Ernst. Das Interview von 1994 und die Entwicklung der Quotendiskussion und die Entwicklung im Radio hatte sich ja stellenweise von selbst erledigt. Da ich kein "Formatradio" (egal ob ÖR oder privat) ausser Samstags zur Bundesliga mehr höre, kann ich auch nur über diese 2h Playlist sprechen. Grottig. Alte, abgetakelte Songs, die seit mind. 10 Jahren eigentlich keiner mehr hören will. Neues? Deutsches? Neues Deutsche? Null, Nada, Niente, Ingenting. Letztenz lief tatsächlich einmal Rosenstolz. Wenn ich da an die 80er denke...da liefen Lage, Grönemeyer, Kunze & Co selbstverständlich im Radio. Heute kommen die 80er Songs, "der anderen".

Nochmal zur Quotendebatte: Kunze hat sich (mal wieder) vor einen Karren spannen lassen und war Sprachrohr für andere Künstler die a) nicht den Mut hatten ebensolches zu sein, und b) ganz schnell, lautlos den Schwanz einzogen. Kunze hat dafür ordentlich auf die Fresse bekommen. Blumfeld sind butterweich. Ich finde "wir sind dagegen" ist die stärkste aussage die Diestelmeyer und Co mal getroffen haben. Irgendwie find (fand) ich diese Band, wie ich an anderer Stelle hier schon erwähnte, immer "Pseudo".
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Beitrag von HenryKupfer »

Mal so nebenbei: Das obige Interview kann schlecht von 1994 sein, da das angesprochene "Spiegel"-Interview mit HRK erst in Ausgabe 25/1996 erschien.
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An
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Beitrag von An »

1994 war hingegen der Rockpalastauftritt von HRK im Rahmen der Popkomm zu der HRK Gäste eingeladen hatte. Scheinbar nachdem Blumfeld nicht wollten traten dann u.a. Die Sterne mit ihm auf. Spätestens nach der Quotendebatte haben diese sich dann von HRK distanziert. Ihr Kommentar zur Debatte findet sich in Form des Stückes "Scheiss Auf Deutsche Texte" auf der CD Posen von 1996.
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Beitrag von HenryKupfer »

Haben wohl einige Leute versucht, sich über die Quotendebatte besonders zu profilieren (der Regener wäre noch so’n Beispiel), nicht ganz ungeschickt den Umstand ausnutzend, dass man die Forderung falsch interpretieren konnte, wenn man sie nicht richtig verstehen wollte. Und Musik aus Deutschland war in aller Munde. Allein werbetechnisch hat die Diskussion den Gegnern sicher genauso genutzt, wie sie den Befürwortern imagetechnisch geschadet hat.
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Thofrock
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Beitrag von Thofrock »

HenryKupfer hat geschrieben:Haben wohl einige Leute versucht, sich über die Quotendebatte besonders zu profilieren (der Regener wäre noch so’n Beispiel), nicht ganz ungeschickt den Umstand ausnutzend, dass man die Forderung falsch interpretieren konnte, wenn man sie nicht richtig verstehen wollte. Und Musik aus Deutschland war in aller Munde. Allein werbetechnisch hat die Diskussion den Gegnern sicher genauso genutzt, wie sie den Befürwortern imagetechnisch geschadet hat.
Ich fürchte, für Distelmeyer und Regener war der Profilierungseffekt nur eine nette Zugabe. Bei den Beiden bin ich fast sicher, dass sie das alles ernst meinten. Schade nur, dass sie nie Udo, Maffay oder Pur angegriffen haben. Distelmeyer tut so, als habe Heinz sich das alles allein ausgedacht.

Aber Thanks, EG, für den Text. Ich hatte viel darüber gehört, ihn aber nie selbst gelesen.
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Beitrag von Natascha »

Ich habe mich eigentlich entchlossen, zu diesem Themen zu schweigen. Klappt aber nicht :-)

@Ulf

Ob Formatradio nun grottig ist oder nicht, muss erst mal jeder für sich entscheiden. Festzuhalten ist aber, dass es sich hier um ein Massenmedium handelt, welches überwiegend nebenher konsumiert wird. Also während der Ausübung anderer Tätigkeiten. Ob die alten Lieder niemand mehr hören möchte? Jedenfalls ist zu beobachten, dass die Radiosender immer mehr Songs aus den 80ern und 90ern spielen. Sie haben die Möglichkeit, auf Hits aller Jahrzehnte zurückzugreifen. Die Gegenwartspopmusik ist mehrheitlich eher weniger an der Kasse erfolgreich. Warum soll man sie also spielen?

@Henry

Wer hat sich zuerst mit wem zu profilieren versucht?
EoC und Blumfeld haben reagiert. Sie wurden medienwirksam von HRK vor einen Karren gespannt, dessen Ziel sie nicht teilten. Hätten sie sich nicht entschieden und lautstark dagegengestellt, wären sie schnell in unserer Mediengesellschaft gefahr gelaufen, als Quotenbefürworter zu gelten.

Hat man die Forderung falsch interpretiert?
Wir kennen das aus der Schule. Es gibt das Thema Quote ja oder nein. Dann
kann man eine Stoffsammlung machen, was für oder gegen sie spricht. Die Argumente wägt man ab und zieht daraus ein Fazit.
Kunzes Argumente und vorallem die Wortwahl waren stark nationalpolemisch vorgetragen. Ich verehrte damals Kunze und habe es geschaftt, eindeutige Formulierungen anders zu interpretieren. "So hat er das nicht gemeint. Ich kenne ja Kunze. Er hat es nur unglücklich ausgedrückt. " Einige Jahre und X-Interviews später denke ich jedoch, er hat es so formuliert wie er es meint.

Kunze beschwert sich immer, dass die Musikerkollegen ihn erst vorgeschickt haben um sich dann bei Gegenwind zu ducken. Haben sie ihm aber auch vorher gesagt: "Heinz, mach klar, dass wir zu den Opfern des zweiten Weltkriegs gehören. Und zwar nicht Opfer des Faschismus, sondern Opfer der
Faschismusaufarbeitung. Verwende dabei typische Worte und Wortschöpfungen der Nazis. Nimm Argumente, denen Altnazis zuapplaudieren können"?
Ich verstehe die Kollegen, die erschrocken weggetaucht sind. Es gibt ein Interview von Maffay, in dem er sich von Kunzes Wortwahl distanziert und erklärt, dass er erschrocken war, als er Kunzes Äußerungen gelesen hat. Es wäre laut Maffay (sinngemäß) eigentlich darum gegangen, durch die Quote ein Gegengewicht zu der übermächtigen amerikanischen Musikindustrie zu bilden, in deren Streben nach der Dominanz auf dem globalen Markt nur international vermarktbare Musiker eine Chance haben und deshalb regionale Musiker immer weniger Chancen bekommen. Schade, dass ich das Interview nicht mehr gefunden habe.
Kunzes Argumentation jedenfalls hat nur er zu vertreten. Sonst niemand.
Ich mag immer den Mann mehr lieben, der so schreibt, wie es Mode werden kann, als den, der so schreibt, wie es Mode ist.
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Beitrag von Thofrock »

Natascha hat geschrieben: Es gibt ein Interview von Maffay, in dem er sich von Kunzes Wortwahl distanziert und erklärt, dass er erschrocken war, als er Kunzes Äußerungen gelesen hat.
Das würde ich gern mal lesen.
Du weißt, dass die Beiden heute richtig dick befreundet sind ?


Was ich übrigens ganz, ganz bedauerlich finde, ist, dass die Kritker völlig ignorieren, dass Heinz diese Quote nie wirklich wollte. Desto öfter er das erwähnt, desto mehr wird es ignoriert weil es nicht ins Strickmuster paßt.
Es ging darum, durch überzeichnete Vorschläge Wind zu machen, gehört zu werden, für Aufregung zu sorgen. Und das hat prima geklappt.
So prima, dass wir die Quote seit Jahren längst erfüllt bekommen. Tokio Hotel und Silbermond, Fettes Brot und Sido, Juli und Rosenstolz sind heute alle Profiteure der damaligen Forderung.

Und weil Distelmeyer und Regener wußten, dass es gar nicht um die Quote ging, sind ihre Einvernahmen tatsächlich ziemlich schäbig.
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Beitrag von ulf »

Natascha hat geschrieben:Ob Formatradio nun grottig ist oder nicht, muss erst mal jeder für sich entscheiden. Festzuhalten ist aber, dass es sich hier um ein Massenmedium handelt, welches überwiegend nebenher konsumiert wird.
tja, leider. Das war mal anders. Wenn du heute einen Sender suchst, der nicht nur dummes Geplapper und den üblichen "Hitmix aus den 80ern, 90ern und das aktuelle von heute" spielt, landet man hier jedenfalls unweigerlich bei Deutschlandradio Berlin, Deutschlandfunk oder NDR Info.
Als Delta Radio 1993 angefangen hat, war der Sender wirklich gut. Privat, interessante Infoblöcke, gute ausgewogene Musik...und von sich aus spielten die 40% deutschsprachige Sachen. Ich bin dann (leider) weg, Studium. Als ich dann mal wieder ins "Deltaradiland" kam...heilige Grütze sind die schlecht geworden. Jetzt ist es wirklich nur noch grenzdebiles Gesabbel und Musik ..... naja.

Also während der Ausübung anderer Tätigkeiten. Ob die alten Lieder niemand mehr hören möchte? Jedenfalls ist zu beobachten, dass die Radiosender immer mehr Songs aus den 80ern und 90ern spielen. Sie haben die Möglichkeit, auf Hits aller Jahrzehnte zurückzugreifen. Die Gegenwartspopmusik ist mehrheitlich eher weniger an der Kasse erfolgreich. Warum soll man sie also spielen?
Nein, ich sehe es eher so, dass es bewusst ignoriert wird, weil selbst die ÖR eine Quotendruck aufbauen. Wozu? NDR2 ist so beliebig geworden. Und wie gesagt, früher haben sie das auch hinbekommen. Aber so lange das nicht aus USA/UK kommt, Robbie Williams oder anderes draufsteht...Pustekuchen. Ich hatte mir irgendwann mal den Spass gemacht die NDR2 Playlist über einen Zeitraum von 3h (Bundesliga ;) zu beobachten...kann man ja online nachlesen. Titel: fast nur 80er, deutsch: 0. Wenn man sich mit so einem Programm abspeisen will. Bitte. Allerdings halte ich "die träge Herde Kühe" (um mal Herbert Grönemeyer zu zitieren) für Weichgespült.
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Beitrag von Natascha »

Thofrock hat geschrieben:
Natascha hat geschrieben: Es gibt ein Interview von Maffay, in dem er sich von Kunzes Wortwahl distanziert und erklärt, dass er erschrocken war, als er Kunzes Äußerungen gelesen hat.
Das würde ich gern mal lesen.
Du weißt, dass die Beiden heute richtig dick befreundet sind ?
Ob sie dick befreundet sind, weiß ich nicht. Jedenfalls weiß ich, dass sie miteinander wohl gut auskommen. Maffays Erschrecken ging eher in die Richtung: Welche Pferde sind denn da mit ihm durchgegangen?
Es war ein respektvoller Umgang mit der Person HRK. Aber auch eine klareDistanzierung zu den mittlerweile oft zitierten Passagen des Spiegel-Interviews.
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Beitrag von Thofrock »

Natascha hat geschrieben:Maffays Erschrecken ging eher in die Richtung: Welche Pferde sind denn da mit ihm durchgegangen?
Es war ein respektvoller Umgang mit der Person HRK. Aber auch eine klareDistanzierung zu den mittlerweile oft zitierten Passagen des Spiegel-Interviews.
Na gut, dann werden sie es später ausgeräumt haben.
Die Beiden schätzen sich wirklich sehr. Und Maffay macht das nicht oft, dass er während seiner Tour die Bitte um einen Backstage-Zugang mit einem energischen "Nix backstage, Du kommst mit auf die Bühne" beantwortet, und seine Band beim Soundcheck "Dein ist mein ganzes Herz üben läßt.

Daraus kann ich übrigens ´ne schöne Frage fürs Quiz machen... :P
problemist
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Beitrag von problemist »

Thofrock hat geschrieben: Es ging darum, durch überzeichnete Vorschläge Wind zu machen, gehört zu werden, für Aufregung zu sorgen. Und das hat prima geklappt.
So prima, dass wir die Quote seit Jahren längst erfüllt bekommen. Tokio Hotel und Silbermond, Fettes Brot und Sido, Juli und Rosenstolz sind heute alle Profiteure der damaligen Forderung.
Mit Sicherheit hat der aktuelle kommerzielle Erfolg der deutschsprachigen Gruppen nichts mit der damaligen Quotenforderung zu tun. Das ist Wunschdenken.
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