04* Die Städte sehen aus wie schlafende Hunde (1984)

[Gerrit]

"Der zornige junge Mann" (Kunze über Kunze) will die schlafenden Hunde wecken. Mich beeindrucken damals gerade die Sprechtexte zwischen den Liedern: "Und ein ärmelloses Hemd / ist ein Norwegerpullover" zitiere ich noch heute gerne. "Ich bin gegen den Frieden" verkündet der Liedermacher damals, und die Fans dürfen sich heute nicht beschweren, dass er es nicht schon immer gesagt hätte.

Und mit "Lisa" ist eine der schönsten vertonten Zuneigungserklärungen auf diesem Album enthalten, die wurde später in der Studioversion auf "Ich brauch dich jetzt" auch nicht besser, nur glatter.

[Regenfreund]

Nicht zu vergessen "Verlassen von allen guten Geistern" die Deutsche Nationalhymne schlechthin.
Oder der unerwartete Zwischeneinwurf im perfekten Hessisch beim 7.Juli vormittags: Isch bin todal begeistäd von de neue Pembers" gefällt mir aus lokalpatriotischen Gründen natürlich besonders gut.

[thommes]

@ Regenfreund:
Sorry, aber diese Korinthe muss gekackt werden:
Der von dir geliebte Mundart-Einwurf ist Teil von "Zeitbombe".
"Siebter Juli vormittags" ist leider nicht auf dem Album, obwohl es sicher sehr gut gepasst hätte.

Das Album ist tatsächlich sehr gelungen. HRK hatte sich noch an nichts gewöhnt und seine Texte einen zeitgeschichtlichen Bezug. Die grandiose Version von SICHERHEITSDIENST ("Zimmermann, Zimmermann - BKAaa") scheint mir wie die gesprochenen Zwischentexte Legionen von Epochen vor seiner mittlerweile vollzogenen inneren Emigration zu liegen.
HRK at his best!

MfG
thommes

[ulf]

ehrliches Livealbum.

Mit wahnsinns Texten und Atmosphäre.

[Ralvieh]

Ich zitiere mal eine Rezi, die ich bereits an anderer Stelle publik gemacht habe:

"Dieses Live-Doppelalbum kann man getrost als Kunzes viertes Originalalbum betrachten. Von den 21 Nummern kennt man nämlich nur ganze 7 von den drei Studio-Alben her. Der Rest sind 7 bislang unveröffentlichte Songs und 7 Textbeiträge.

Das Album fängt sehr gut die Atmosphäre früher Kunze-Konzerte ein. Noch füllt er nicht die ganz großen Hallen. Dafür kann er es sich leisten, im kleineren Rahmen auch literarische Texte zum Besten zu geben.

Der Opener "Eine ruhige Kugel" schildert die konträren Gefühle eines Arbeitslosen und seiner Umgebung. Wie sich ein Arbeitstier wie Kunze so authentisch in den Kopf eines vorzeitig zum alten Eisen gelegten Arbeiters versetzen kann, ist schon erstaunlich. Hervorragend ist auch Kunzes alternatives Deutschland-Lied (Verlassen von allen guten Geistern) und der als Single veröffentlichte Song "Sicherheitsdienst", a cappella gesungen und nur von einer Rhythmusmaschine unterstützt. "Du also bist mein Tod" führt uns in die Realitäten metaphysischer Begegnungen ein, während die stille Ballade "Lisa" zu Kunzes schönsten Liebesliedern zählt.

Genial auch die halsbrecherischen Gratwanderungen auf der Worte mehrfacher Bedeutungen. Von den literarischen Beiträgen möchte ich "Variationen über den Satz: Gewaltloser Widerstand ist Gewalt", "Ich bin gegen den Frieden" und "Abendprogramm" hervorheben. Alles sind ansprechende Statements eines politischen Künstlers. Ja, damals konnte er in seinen Konzerten auch noch so was bringen...

Aber wieso versuche ich hier, mit langem Gesabbel meine Voreingenommenheit zu rechtfertigen? Mein erstes HRK-Konzert fand statt in Hannover während eben jener Tour, bei der das vorliegende Live-Album aufgenommen wurde. Kein zweites Mal erlebte ich, dass von einem Musiker 9 (in Worten: neun!) Zugaben gefordert und auch gegeben wurden.

Allein für diese schöne Erinnerung vergebe ich die volle Punktzahl! Und damit basta!"

[MartinB]

Oha, diese Platte traf mich voll in mein ganzes Herz seinerzeit. Ich kannte damals die drei Alben von Kunze und hatte eine Cassette von der zweiten Hälfte des 81er Radiokonzertes (NDR2, geht hier und da als Bootleg "Deutsche Wertarbeit" über oder unter den Tisch).

Ich war arbeitslos, schob eine ruhige Kugel (wenn auch nicht für lange, aber das wusste ich damals noch nicht), hatte eine morbide Grundstimmung (Du also bist mein Tod), war unglücklich verliebt in eine Dame namens E(Lisa)beth, war auf allen Pflichtdemos für Anarchistenlehrlinge (ZimmermannZimmermannBehKahAahhaa), wusste auch, was Pornos waren (hab ich seinerzeit verzweifelt gelacht über diesen Song...), wollte möglichst Keine Angst haben (also hatte ich wohl welche), sass Nachts um halb Drei möchtegerndichtend vor erstmal leeren DinAVier-Herausforderern und die Sonne schien rund um die Uhr, die Anwesenheit gewisser rauchbarer psychotroper Substanzen, die ich damals zu vergöttern suchte, vorausgesetzt...

Bis dahin mochte ich den Heinz und fand ihn inspirierend, aber seitdem pilgere ich zu seinen Konzerten und lasse mir nichts entgehen von ihm, wessen immer ich habhaft werden kann. Wenn ich so überlege, welchen Genuss, Spass, Schweiss, Tränen und Ejakulat zwischen meinen Ohren seitdem zirkuliert mittels des Heinzes, darf ich zu Fug und Recht behaupten, dass die in mir schlafenden Hunde durch eben diese Platte das träumen zu geniessen gelernt haben.

Von daher - eine glatte Eins für diese Scheibe von meiner Seite.

[notamann]

Erste Bekanntschaft mit dem Literaten HRK! Live-Konzerte konnten wir Ossis ja leider nicht besuchen und deshalb waren Sprechtexte von Heinz uns völlig unbekannt.
Die Sprechtexte unterschieden Heinz deutlich von den anderen Deutschrockern! Waaaaahnsinn!!!
Und dann noch die fette Live-music....
Deshalb für mich noch heute eine dicke Eins für die DLP!

Ergänzung: ..und das Heinz auch Bücher schreibt habe ich erst nach 1989 erfahren.......