" Ich bin kein Plakatierer"
Verfasst: 10 Mär 2011, 09:11
"Ich bin kein Plakatierer"
30 Jahre Bühne: Heinz Rudolf Kunze über Vampirbrillen, seine Kindheit und harsche Fan-Kritik
Bekannt wurde er Mitte der 80er Jahre mit "Dein ist mein ganzes Herz". Nun kommt der Sänger Heinz Rudolf Kunze am 19. März ins Leipziger Haus Auensee, um seine neue Platte "Die Gunst der Stunde" zu präsentieren.
Frage: Sie stehen seit 30 Jahren auf der Bühne, haben viel ausprobiert. Ihrer markanten Brille sind Sie treu geblieben. Ist das der altmodische Heinz Rudolf Kunze?
Heinz Rudolf Kunze: Das würde ich so nicht sagen (lacht). Ich hab in der Zwischenzeit sehr extreme Brillen ausprobiert, wobei ich das - ehrlich gesagt - gar nicht so wichtig finde. Aber es stimmt, ich hatte Lust an der Verkleidung und habe dann ganz merkwürdige Teile aufgehabt, mit Tigerfell oder eine, wo ein Vampir auf dem Bügel saß. Wenn man schon eine Brille trägt, dann verhält man sich irgendwann auch offensiv dazu. Aber letzten Endes kehrt man dann doch immer wieder zu dem klassischen Modell zurück.
Bislang haben Sie mehr als 30 Platten gemacht, Musicals geschrieben und Bücher. Was ist Ihr Motor?
Das ist mein kindlicher Spieltrieb. Ich habe schon während Kindertagen die Lust entdeckt, zu gestalten, zu erfinden. Ich habe bereits im Sandkasten komische Geschichten erzählt. Die Leute haben mich dann angeguckt und gesagt: 'Mach das nochmal'. Und so habe ich die Begabung entdeckt, die Menschen ein bisschen zu verzaubern - mit komischen Sachen, die mir einfallen.
Weniger komisch waren Lieder wie "Astronaut in Bagdad", "Bestandsaufnahme" und "Dabei sein ist alles". Für solche kritischen Titel lieben Sie viele Ihrer Fans. Aber auf Ihrer aktuellen Platte fehlen derartige Lieder. Machen Sie Ihre Musik inzwischen für ein anderes Publikum?
Ich glaube nicht, dass solche Lieder nicht mehr auftauchen. Das Thema hat sich etwas modifiziert. Ich bin jetzt über 50 und ich spreche in einigen Liedern wieder wesentliche Themen an wie das Sterben. Ich muss nicht immer das Gleiche tun. Ich bin kein Plakatierer, ich bin kein Kabarettist. Ich bin ein Sänger und versuche, mich weiterzuentwickeln.
Ich hoffe immer noch, den Menschen aus dem Herzen zu sprechen, auch wenn ich über das Älterwerden singe. Denn das gehört nicht nur zu mir, sondern auch zu meiner Hörerschaft. Denn es gibt viele, die 30 Jahre mit mir diesen Weg gegangen sind. Und wenn jemand auf diesem Album aktuelle Sozialkritik vermisst, dann kann ich ihn nur auf mein vorletztes Album "Räuberzivil" verweisen. Ich finde aber, dass das eigentlich nicht zur Musik einer Rockband gehört. Ich möchte keine Songs machen, die ein Verfallsdatum von morgen früh haben. Ich möchte etwas machen, das länger hält.
Welches Lied auf Ihrer neusten CD sind am meisten Sie?
Die Frage ist sehr verständlich. Die verzeihe ich Ihnen. Aber sie ist unfair. Denn es gibt bei allen 13 Liedern genau gleich viel Herzblut. Ich habe selber nur sechs Kompositionen dort untergebracht, weil meine Band so gut komponiert, so dass ich diesen Stücken den Vorrang gegeben habe. Natürlich sind alle Texte von mir, das ist klar. Insofern ist mir das Stück "Unbeliebt" von Jens Carstens, meinem Trommler, genauso nahe wie die sechs Stücke, die ich selber komponiert habe. Wenn Sie mich jetzt konkret nach einem Lieblingsstück fragen, muss ich ehrlich antworten, ja, es gibt eins, das ist "Kampfzone Mitte". Das ist ein typischer Kunze-Rocker.
'Ich will nicht in den Himmel/Ich will nur ins Fernsehn/Dafür mach ich mich nackig/Bis unter die Knochen...'. Wie passen Ihr Lied "Talk Show Schmutz" und Ihre Auftritte im perfekten Promi-Dinner oder beim TV-Spektakel "Das große Einseifen" zusammen?
(lautes Lachen) Sie dürfen nicht jemand, der "Ich" sagt in einem Song, mit dem Autor verwechseln. Es ist eine naheliegende Vermutung, dass der Sänger dann von sich selbst spricht. Das ist aber nicht so. Ich bin ein Dichter, ein Erfinder von Menschen. Und manchmal findet man in diesen Erfindungen einen Teil von mir wieder - mehr aber auch nicht.
Trotzdem treffen Sie damit eine klare Aussage. Denn in diesem Titel verurteilen Sie den Drang, sich darzustellen. Genau das könnte man Ihnen nun durch diese Auftritte vorhalten. Wie gehen Sie damit um?
Ich trete dort auf, wo man mich herzlich einlädt. Ich habe kein Problem damit, bei Carmen Nebel aufzutreten, auch wenn mir das einige Hardcore-Fans vorwerfen. Sie ist eine sehr intelligente Frau, die meine Musik sehr mag, die eine wunderbare Gastgeberin ist und die die zweitgrößte Musikshow im deutschen Fernsehen betreut. Und wenn ich dort eingeladen werde, werde ich den Teufel tun, das abzulehnen. Die Frau ist sehr angenehm, ich fühle mich dort gut aufgehoben. Das heißt natürlich nicht, dass ich jeden Beitrag, der dort läuft, persönlich liebe. Aber ich fände es arrogant, dort nicht aufzutreten. Wenn ich diese Möglichkeit bekomme, dann ist das ein Zeichen, dass ich wahrgenommen und ernstgenommen werde. Wo sollte ich denn sonst auftreten?
Interview: Insa van den Berg
iHeinz Rudolf Kunze: 19. März, 20 Uhr, Haus Auensee (Gustav-Esche-Straße 4 in Leipzig); neue CD: Die Gunst der Stunde (Ariola)
Quelle: Leipziger Volkszeitung, 10.03.2011
Z
30 Jahre Bühne: Heinz Rudolf Kunze über Vampirbrillen, seine Kindheit und harsche Fan-Kritik
Bekannt wurde er Mitte der 80er Jahre mit "Dein ist mein ganzes Herz". Nun kommt der Sänger Heinz Rudolf Kunze am 19. März ins Leipziger Haus Auensee, um seine neue Platte "Die Gunst der Stunde" zu präsentieren.
Frage: Sie stehen seit 30 Jahren auf der Bühne, haben viel ausprobiert. Ihrer markanten Brille sind Sie treu geblieben. Ist das der altmodische Heinz Rudolf Kunze?
Heinz Rudolf Kunze: Das würde ich so nicht sagen (lacht). Ich hab in der Zwischenzeit sehr extreme Brillen ausprobiert, wobei ich das - ehrlich gesagt - gar nicht so wichtig finde. Aber es stimmt, ich hatte Lust an der Verkleidung und habe dann ganz merkwürdige Teile aufgehabt, mit Tigerfell oder eine, wo ein Vampir auf dem Bügel saß. Wenn man schon eine Brille trägt, dann verhält man sich irgendwann auch offensiv dazu. Aber letzten Endes kehrt man dann doch immer wieder zu dem klassischen Modell zurück.
Bislang haben Sie mehr als 30 Platten gemacht, Musicals geschrieben und Bücher. Was ist Ihr Motor?
Das ist mein kindlicher Spieltrieb. Ich habe schon während Kindertagen die Lust entdeckt, zu gestalten, zu erfinden. Ich habe bereits im Sandkasten komische Geschichten erzählt. Die Leute haben mich dann angeguckt und gesagt: 'Mach das nochmal'. Und so habe ich die Begabung entdeckt, die Menschen ein bisschen zu verzaubern - mit komischen Sachen, die mir einfallen.
Weniger komisch waren Lieder wie "Astronaut in Bagdad", "Bestandsaufnahme" und "Dabei sein ist alles". Für solche kritischen Titel lieben Sie viele Ihrer Fans. Aber auf Ihrer aktuellen Platte fehlen derartige Lieder. Machen Sie Ihre Musik inzwischen für ein anderes Publikum?
Ich glaube nicht, dass solche Lieder nicht mehr auftauchen. Das Thema hat sich etwas modifiziert. Ich bin jetzt über 50 und ich spreche in einigen Liedern wieder wesentliche Themen an wie das Sterben. Ich muss nicht immer das Gleiche tun. Ich bin kein Plakatierer, ich bin kein Kabarettist. Ich bin ein Sänger und versuche, mich weiterzuentwickeln.
Ich hoffe immer noch, den Menschen aus dem Herzen zu sprechen, auch wenn ich über das Älterwerden singe. Denn das gehört nicht nur zu mir, sondern auch zu meiner Hörerschaft. Denn es gibt viele, die 30 Jahre mit mir diesen Weg gegangen sind. Und wenn jemand auf diesem Album aktuelle Sozialkritik vermisst, dann kann ich ihn nur auf mein vorletztes Album "Räuberzivil" verweisen. Ich finde aber, dass das eigentlich nicht zur Musik einer Rockband gehört. Ich möchte keine Songs machen, die ein Verfallsdatum von morgen früh haben. Ich möchte etwas machen, das länger hält.
Welches Lied auf Ihrer neusten CD sind am meisten Sie?
Die Frage ist sehr verständlich. Die verzeihe ich Ihnen. Aber sie ist unfair. Denn es gibt bei allen 13 Liedern genau gleich viel Herzblut. Ich habe selber nur sechs Kompositionen dort untergebracht, weil meine Band so gut komponiert, so dass ich diesen Stücken den Vorrang gegeben habe. Natürlich sind alle Texte von mir, das ist klar. Insofern ist mir das Stück "Unbeliebt" von Jens Carstens, meinem Trommler, genauso nahe wie die sechs Stücke, die ich selber komponiert habe. Wenn Sie mich jetzt konkret nach einem Lieblingsstück fragen, muss ich ehrlich antworten, ja, es gibt eins, das ist "Kampfzone Mitte". Das ist ein typischer Kunze-Rocker.
'Ich will nicht in den Himmel/Ich will nur ins Fernsehn/Dafür mach ich mich nackig/Bis unter die Knochen...'. Wie passen Ihr Lied "Talk Show Schmutz" und Ihre Auftritte im perfekten Promi-Dinner oder beim TV-Spektakel "Das große Einseifen" zusammen?
(lautes Lachen) Sie dürfen nicht jemand, der "Ich" sagt in einem Song, mit dem Autor verwechseln. Es ist eine naheliegende Vermutung, dass der Sänger dann von sich selbst spricht. Das ist aber nicht so. Ich bin ein Dichter, ein Erfinder von Menschen. Und manchmal findet man in diesen Erfindungen einen Teil von mir wieder - mehr aber auch nicht.
Trotzdem treffen Sie damit eine klare Aussage. Denn in diesem Titel verurteilen Sie den Drang, sich darzustellen. Genau das könnte man Ihnen nun durch diese Auftritte vorhalten. Wie gehen Sie damit um?
Ich trete dort auf, wo man mich herzlich einlädt. Ich habe kein Problem damit, bei Carmen Nebel aufzutreten, auch wenn mir das einige Hardcore-Fans vorwerfen. Sie ist eine sehr intelligente Frau, die meine Musik sehr mag, die eine wunderbare Gastgeberin ist und die die zweitgrößte Musikshow im deutschen Fernsehen betreut. Und wenn ich dort eingeladen werde, werde ich den Teufel tun, das abzulehnen. Die Frau ist sehr angenehm, ich fühle mich dort gut aufgehoben. Das heißt natürlich nicht, dass ich jeden Beitrag, der dort läuft, persönlich liebe. Aber ich fände es arrogant, dort nicht aufzutreten. Wenn ich diese Möglichkeit bekomme, dann ist das ein Zeichen, dass ich wahrgenommen und ernstgenommen werde. Wo sollte ich denn sonst auftreten?
Interview: Insa van den Berg
iHeinz Rudolf Kunze: 19. März, 20 Uhr, Haus Auensee (Gustav-Esche-Straße 4 in Leipzig); neue CD: Die Gunst der Stunde (Ariola)
Quelle: Leipziger Volkszeitung, 10.03.2011
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