Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

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CL
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Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

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Lesungstour "Vor Gebrauch schütteln":

13.09.2011 Berlin
14.09.2011 Gerdau
16.09.2011 Hamburg
20.09.2011 Suhl
04.10.2011 Kiel
07.10.2011 Potsdam
11.10.2011 Köln
12.10.2011 Wiehl
14.10.2011 Frankfurt
16.10.2011 Göttingen
17.10.2011 Hannover
18.10.2011 Braunschweig
19.10.2011 Oldenburg
24.10.2011 Bad Hersfeld
26.10.2011 Bielefeld
27.10.2011 Dortmund
31.10.2011 Görlitz
01.11.2011 Dresden
02.11.2011 Gera
03.11.2011 Weimar
04.11.2011 Magdeburg
08.11.2011 Chemnitz
09.11.2011 Zwickau
11.11.2011 Wolfsburg (ausgefallen wg. Krankheit) Nachholtermin: 16.11
15.11.2011 Neuruppin
17.11.2011 Dormagen (Abgesagt)
22.11.2011 Würzburg (Abgesagt)
23.11.2011 Pforzheim
24.11.2011 Ingolstadt
25.11.2011 München
02.05.2012 Minden

Quelle: http://www.aufbau-verlag.de/index.php/a ... -kunze-a01
Zuletzt geändert von CL am 12 Nov 2011, 10:55, insgesamt 4-mal geändert.
MartinB
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von MartinB »

Hier ein erster Bericht, bzw. Interview über die Lesung in Berlin vom 13.9.

http://www.buchtips.net/artikel/hrkunze.htm
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CL
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von CL »

Kalle
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Suhl "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von Kalle »

Geschüttelt und gerührt

"Vor Gebrauch schütteln" - mit der Sprachgewalt des Beipackzettels schmückt Heinz-Rudolf Kunze sein neues Buch. Beim Suhler Provinzschrei erklärt er, warum: Die Texte sind wie eine Gebrauchsanleitung für den deutschen Alltag.

Von Peter Lauterbach

Wenn's ganz hart klingen soll, muss Trubschacher ran. Und Sätze sagen wie: Wer den deutschen Schlager als Musik bezeichne, halte den Bombenkrieg bestimmt für einen Teil der Städteplanung. Oder: Wer als Zahnarzt ohne Mundschutz durch die Straßen laufe und auch nur von einem Patienten erkannt werde, der weiß, dass er schöne Augen hat. Kein Zweifel, Trubschacher ist ein harter Kerl. Trubschacher ist eine Kunstfigur. Der, der sie erfunden hat, sitzt am Dienstagabend im Atrium der Suhler Sparkasse und liest Kurzgeschichten. Obwohl: So genau sagen lässt sich das gar nicht. Es sind mehr kurze Episoden, ziemlich genaue Beobachtungen, ziemlich treffende Beschreibungen, manchmal auch fiktive Hirngespinste. Sätze, die oft in ihrer sprachlichen Schnörkellosigkeit an des Zuhörers Ohr knallen wie ein Peitschenhieb auf blanken Boden. Sätze, die auch mitfühlen lassen. Kunze-Texte eben. So kennt man diesen Kerl seit Jahren und Jahrzehnten. Ein bisschen.

Klare Sprache

Ein bisschen mehr lernt man ihn mit diesem Buch kennen. "Vor Gebrauch schütteln" hat der Autor seine literarische Sammlung genannt. Soeben ist sie im Berliner Aufbau-Verlag erschienen. Die Rhön-Rennsteig-Sparkasse hat die sprachgewaltigen Dichter und Musiker zum elften Provinzschrei in ihre Suhler Filiale eingeladen. Schon nach den ersten Texten dämmert es dem Zuhörer: Der Titel, dem zum Imperativ nur das Ausrufezeichen fehlt, führt in die Irre. Hier muss kein Inhalt aufgeschüttelt werden, um seine Geschmackspartikel voll entfalten zu können. Genau andersherum ist es: Wer zuhört, der wird durchgeschüttelt. Von ganz alleine. Und ganz gehörig. Denn die literarischen Ergüsse des studierten Germanisten und Philosophen sind mit diabolischer Fantasie ausgeschmückte Lebenseindrücke, die niemand sonst mit einer solch brillanten sprachlicher Klarheit und Rücksichtslosigkeit zu Papier zu bringen vermag.

Wer im Theater ein bisschen rum blödelt, darf Wagner inszenieren, liest Kunze. Wer Millionen Leute finanziell ruiniert, erhält Prämien und Boni, liest Kunze. Man nenne dies Erfolg. Nur das Gute, das sei erfolglos. Er rate jeden, der mit einer Panne auf dem Seitenstreifen einer Autobahn liegen bleibt und zum illustren Schauobjekt wird, aufrechten Hauptes zurückzugaffen. Warum den Kopf vor Leuten einziehen, die es für ihre größte Tat halten, beim Stau über den Parkplatz auszuweichen und sich weiter vorne wieder in die Schlange einzuordnen? Er wünsche sich den Tag herbei, liest Kunze, an dem man für "Girls-Day" wieder "Mädchen-Tag" sagen dürfe ohne gleich für Adolf Hitler gehalten zu werden. Den Tag, an denen Vieh-Transporte nicht mehr mit lustigen Bildchen fröhlich grunzender Schweine verziert werden. Den Tag, an dem Autoaufkleber "Baby an Bord" oder "Carsten on Tour" verboten werden. Den Tag, an dem deutsche Soldaten in Afghanistan nicht getötet wurden, sondern für Deutschland gefallen sind.

Kunzes Texte sind eine bunte Mischung. Harmlose Alltagsbeobachtung und provokantes politisches Statement wechseln ohne Vorankündigung. Die Unterzeile "Kein Roman" gönnt er nicht umsonst seinem Buch. Es sind Texte, deren Themen keiner erkennbaren Ordnung gehorchen und die nur die Gemeinsamkeit besitzen, dass der Autor an ihnen Anstoß genommen hat. Kunze ist dabei ein sehr genauer Beobachter. Und ein sehr klarer Erzähler. Das Fabulieren ist seine Sache nicht. Er lässt seinen Gedanken freien Lauf. So abgedroschen dieser Formulierung auch klingen mag, hier trifft sie zu. Denn bei Kunzes Texten gibt es keine Anstand, keine Sitte, nicht den verquasten "guten Ton". Kunze bildet deutsche Hauptsätze. Und er formuliert dabei doch nur, was viele denken.

Hart und herzlich

In Suhl raunt das Publikum, wenn er so liest. Und dann durchbricht er seine frustvollen Alltagstiraden mit liebevollen Sätzen. Etwa, wenn er mit Lust und Ironie von der Pornosammlung seines Vaters erzählt, wenn er mit wenigen Sätzen sagt, was er an ihm hatte und was er an ihm nicht ausstehen konnte. Und wenn dann, am Ende des Textes, doch ein Gefühl der Liebe zurückbleibt. Diese Stelle, die Erinnerung an den Vater, ist wohl eine der stärksten des Buches. Nicht nur, weil sie autobiografisch ist. Sondern auch, weil Kunze hart und herzlich zugleich auf diesen Mann zurückblicken kann, der im Krieg als Frontoffizier der SS gedient hat und erst 1956 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Dieses gebrochene Leben webt Heinz Rudolf Kunze mit in seinen Text ein, ohne dass man auch nur eine Zeile davon lesen würde. Und genau das ist seine Kunst.

Am Ende spielt und singt er noch zwei Stücke. Es ist das Bonbon des Abends, das die aufgewühlten Gemüter wieder ein wenig glätten soll. Heinz Rudolf Kunze hat sie vorher anderthalb Stunden lang ordentlich durchgeschüttelt. Hat sie schockiert - und doch auch gerührt. Seine Beobachtungen sind wie eine Gebrauchsanweisung für den deutschen Alltag. Und wer würde ernsthaft behaupten, dass sich der Autor all das Überdrehte, Durchgeknallte, Widerwärtige, Dreckige, Abgründige, diesen ganz Schmutz und Gestank, den er da ausgemacht, nur ausgedacht hat?

QUELLE PRESSE http://www.insuedthueringen.de/regional ... 76,1756408
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von MartinB »

Kuckt mal hier:

http://www.schwerin-news.de/vor-gebrauc ... nze/20685/

Heinz hat gestern die Schweriner Literaturtage eröffnet, was ich ziemlich stark finde.

"Die Veranstaltung wird als NDR Literaturcafé aufgezeichnet werden, moderiert von Ernst-Jürgen Walberg, dem Kulturchef von NDR 1 Radio MV. Auszüge daraus sind dann auf NDR 1 Radio MV im „Kunstkaten“ zu hören am 16. Oktober 2011 zwischen 19.05 Uhr und 20.00 Uhr."

Klasse, aber Mist, denn ich habe am 16. Dienst und kann definitiv nicht Radio hören oder gar mitschneiden. Deshalb hier meine Bitte an die Gemeinde: kann das irgendjemand aufzeichnen? Blöderweise scheint ausgerechnet der "Kunstkaten" nicht zum Podcast-Angebot des NDR zu gehören...
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von reedinger »

Kalle hat geschrieben:Geschüttelt und gerührt

"Vor Gebrauch schütteln" - mit der Sprachgewalt des Beipackzettels schmückt Heinz-Rudolf Kunze sein neues Buch. Beim Suhler Provinzschrei erklärt er, warum: Die Texte sind wie eine Gebrauchsanleitung für den deutschen Alltag.

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"Mit der Sprachgewalt des Beipackzettels" :lol: ...übrigens eine Empfehlung der HRK Facebookseite. Recht "gestelzt" geschrieben finde ich, aber immerhin: Heinz war beim "Suhler Provinzschrei" dabei!
"Wenn man keine Freunde mehr haben darf und, wenn man bei den Freunden im Gästezimmer übernachtet, nach einer Rechnung verlangen muss, dann verändert sich die Republik zum Negativen."
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von Kalle »

Im Innenleben eines Einzelgängers
VON Steffen Könau, 07.10.11

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Daheim in der Nähe von Hannover: Heinz Rudolf Kunze gibt in seinem neuen Buch anekdotisch Einblicke in seine Weltsicht. (FOTO: DPA)

Halle (Saale)/MZ. Er nennt sich "Trubschacher" und gibt gleich zu Beginn zu, Gründer des Aktionsbündnisses Fahrlässiger Hypochonder zu sein. Den Kultdichter Rainald Goetz findet er tröstlich, zumindest "solange er immer noch zwei Jahre älter ist als ich". Doch sterbe er vor ihm, werde es schwierig.
Nein, Heinz Rudolf Kunze, bekannt geworden als Rockmusiker und im Nebenberuf immer auch Autor von Lyrikbänden, hat auch diesmal keinen Roman geschrieben. So steht es warnend auf dem Einband seines neuen Buches "Vor Gebrauch schütteln" (Aufbau, 19,90 Euro) . Und so liest sich der Band auch. Die 258 Seiten füllt der Intellektuelle der deutschen Rockmusik ohne Handlung, roten Faden und klar umrissenes Personal. Kunze ist hier Trubschacher, zugleich aber mehr er selbst als in all seinen Liedern. Völlig frei in der Form und ohne innere Ordnung gibt er anekdotisch Einblicke in seine Weltsicht. Mal sind das drei Zeilen, mal zwei Seiten, mal ist das belanglos, häufig aber amüsant und hellsichtig.

Kunze, Sohn einer Mutter, die 4 022 Tage auf ihren Verlobten wartete, der erst elf Jahre nach dem Krieg aus russischer Gefangenschaft zurückkehrte, kennt keine Korrektheit, auch keine politische, wenn die Feder mit ihm davonfliegt. Dann wettert er und schimpft. "Jeder von einem Stier getötete Spanier ist ein guter Spanier", heißt es. Oder auch "der Popstar im Fernsehen lügt. Der Moderator lügt, dass er ihm glaubt. Und die Zuschauer lügen, dass es sie interessiert."

"Vor Gebrauch schütteln" ist eine Art Abrechnung mit dem Alltag, an dem der Autor spürbar leidet. Kunze liebt The Who, doch im Radio läuft Lady Gaga. Er mag Neil Young, muss aber immerzu hören, dass der eigentlich nicht Gitarre spielen kann. Er hasst den "abstoßenden Anblick kreischender Fans bei Obama, Madonna und Maradona". Und der Gedanke macht ihm Angst, "zur gleichen Spezies zu gehören".

Das ist das Lebensthema des Heinz Rudolf Kunze. Er möchte gemocht werden, aber niemanden an sich heranlassen, weil er der Liebe der Öffentlichkeit misstraut, weil er der Zerbrechlichkeit seines Talentes auch nach 30 Jahren im Popzirkus noch gewahr ist. "Schon nach einer Stunde Nichtschreibenkönnen siehst du es mit all der Bildkraft, die dich normalerweise peinigt: Das Ende deines Sonderhirns".

Lange hin noch bis dort, daran lässt Kunze in den kaum gebändigten Satzfluten seines neuen Werkes keinen Zweifel. Kunze bietet hier mehr Botho Strauß als Popdichtung, mehr Thomas Bernhard als Liederverse. Und ein Geständnis des Autors: "Ich bin extrem stark sozial engagiert", schreibt er, "ich engagiere mich nämlich wirklich sehr engagiert für mich."

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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von Kalle »

LESUNG: Arbeitshypothese: Ich bin großartig!
Heinz Rudolf Kunze im Waschhaus
POTSDAM / SCHIFFBAUERGASSE - Unter der Schädeldecke von Heinz Rudolf Kunze ist tierisch was los. Und weil die guten Ideen und Bösartigkeiten irgendwohin müssen, bringt er seit 1981 fast jedes Jahr ein Album heraus; er tourt, schreibt, komponiert, doziert und übersetzt wie ein Getriebener. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass das 54-jährige Multitalent ein eigenes Buch veröffentlicht. Am Freitag stellte Kunze „Vor Gebrauch schütteln. Kein Roman“ vor, eine Ansammlung von Lebensweisheiten und Gedankenspielen. Die Waschhaus-Arena war eine der ersten Stationen seiner Lesereise durch die gesamte Republik.

Heinz Rudolf Kunze tauscht seine dicke Brille gegen eine dezente Lesehilfe ein und eröffnet ohne Umschweife die 90-minütige Lesung: „Ich gehe dahin, wo es weh tut. Du musst ja nicht mitkommen.“ Das ist also schon einmal geklärt: Die Samthandschuhe hat Kunze in der niedersächsischen Provinz gelassen. Die Musik der Beach Boys erzeugt Karies, der Roman „Don Quichotte“ ist gähnend langweilig und James Joyces „Ulysses“sogar sterbenslangweilig. Damit weiß das überschaubare Publikum woran es ist, hier wird geklotzt, nicht gekleckert. Die Arbeitshypothese des ehemaligen Germanistikstudenten lautet: Ich bin großartig! Während er seine Lebensphilosophie der Unenttäuschbarkeit näher beschreibt, heult ein Fehlalarm los. „Ich war’s nicht!“, gibt sich Kunze schlagfertig und hebt grinsend die Hände.

Um sich dann weiter zu befassen mit einzelnen Schuhen, die an Straßenrändern liegen, oder mit Schalterangestellten, die vom Aussterben bedroht sind: „Sie haben den Blues.“ Manchmal johlt das Publikum laut, dann ist es wieder ganz still und kämpft mit dem Lachen, das im Halse stecken geblieben ist – wenn sich Heinz Rudolf Kunze politisch gibt („Ich darf das sagen, denn ich will ja nicht Bundespräsident werden.“) oder abgrundtief ehrlich (über seinen Vater: „Irgendwann habe ich im Keller seine Pornosammlung entdeckt.“). Apropos Keller: In Kunzes Verlies sitzt angeblich Lady Di, die habe den Platz von Adolf Hitler eingenommen, auch Knut ist eigentlich gar nicht tot – alles nur Verschwörung! Man darf ihn nicht so ernst nehmen, oder wäre genau das der Fehler?

Für alle, die sich ärgern, die Lesung verpasst zu haben, kommt Kunze am 15. November in die Aula des Oberstufenzentrums Neuruppin.

Heinz Rudolf Kunze: „Vor Gebrauch schütteln. Kein Roman“, 258 Seiten, Aufbau, 18,99 Euro (Von Juliane Primus)

QUELLE PRESSE: http://www.maerkischeallgemeine.de
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von MartinB »

Mit einer hübschen Bilderserie versehen:

http://www.wiehl.de/aktuelles/neuigkeit ... g-mit.html

„Vor Gebrauch schütteln“ - Lesung mit Heinz Rudolf Kunze
(13. Oktober 2011) Der Rocksänger, Musicaltexter/-übersetzer und Schriftsteller Heinz Rudolf Kunze las am Mittwochabend aus seinem Buch „Vor Gebrauch schütteln“, das er als „kein Roman“ bezeichnet. Das ist es auch nicht, denn mit der Kunstfigur Trubschacher schafft Heinz Rudolf Kunze ein alter Ego, mit dessen Hilfe er seine rigorosen, immer präzisen Beobachtungen zu Papier gibt. Daran ließ er auch die Gäste im Burghaus bei der Lesung teilhaben.

Die Herbst-Auftaktveranstaltung Literatur mit Heinz Rudolf Kunze im Rahmen der Kulturkreis Wiehl und Buchhandlung Hansen&Kröger-Veranstaltungen war komplett ausverkauft. Und es war mucksmäuschenstill im Burghaus. Gebannt verfolgten die Gäste jedes Wort von Heinz Rudolf Kunze. Jan Drees, der zuvor den musikalischen Auftakt der Veranstaltung bot, spielte immer wieder zwischen den einzelnen gelesenen Kapiteln. Brillant gestalteten Kunze und Drees die Lesung durch den Wechsel von Instrumentalmusik und Textpassagen aus dem Buch "Vor Gebrauch schütteln".

Mit "Also ein paar Dinge müssen geklärt werden, bevor wir anfangen". Damit eröffnete Kunze den Übergang zu ein paar Statements zu den Beatles und den Bee Gees, aber auch dazu, dass irgendwann die Idee aufkam: "Wir wollen ein Buch schreiben". "Wir" ist er selbst. Er wollte ein Buch schreiben, das ihm selbst gefallen würde. Der Sprachkünstler und Querdenker hat ein sehr überraschendes Buch geschaffen, das - obwohl keine stringente Handlung vorhanden ist - fesselt. Da kommt ein Traum als gehörnter Partner vor - aus dem er nicht mehr aufwacht. Die Frage: "Was ist gute Prosa?" oder "Kann es denn so schwierig sein ein gutes Buch zu schreiben? Wann ist der richtige Tag?"

Die Texte, wie Gedanken, die einem so durch den Kopf gehen. Über die kleinen und großen Begebenheiten. Von eigenen Jugenderlebnissen bis zum Sinnieren über Picassos Wortmüll. Manchmal etwas sehr utopisch, wenn Miles Davis Nougat in sein Musikinstrument stopft. Interessant auch die Reflektionen zum Wort "Schlager". So könne man mit Schlagertexten die Taliban wahrscheinlich effektvoller bekämpfen als mit ABC-Waffen. Zudem: Er hört Dylan oder Kastelruther Spatzen. Lady Di - tot? Wer glaubt denn sowas? Sie übernahm seinen Kellerraum nachdem Hitler dort hochbetagt starb. Heinz Rudolf Kunze erzählt dies, bzw. liest dies auch seinem Buch, als ob diese Fiktion Wirklichkeit sei. Dabei mit einem ganz speziellen Humor. Sätze aneinandergereiht, die sich verstricken und wie ein Wein im Abgang erst spürbar werden. Teilweise sehr makaber.

Sprachmächtig mit vielfältigen Themen - Musik, Philosophie, Eltern und Kindheit und der Alltag in all seinen Tiefen und Untiefen. Ein Buch wie Kunze selbst: einzigartig, gewagt und immer originell. Heinz Rudolf Erich Arthur Kunze, Jahrgang 1956, hatte seinen größten Single-Erfolg 1985 mit "Dein ist mein ganzes Herz". Er erhielt 1986, 1999, 2007 die "Goldene Stimmgabel". Neben seiner Rockmusik komponierte er auch die Hymne des Evangelischen Kirchentages (Mehr als dies) und schrieb Musical-Übersetzungen zu "Les Miserables", "Joseph" oder auch "Miss Saigon". Auch sein Begleiter an diesem Abend in Bielstein ist vielseitig: Jan Drees, geb. 1974, Gitarrist, komponiert und produziert Instrumentalmusik. Seit 1997 führt er diese mit Loop Delays live auf - dabei werden live gespielte Klänge übereinander gelegt.

Nach dem sehr herausragenden Lesungsabend kam doch noch: der Musiker Heinz Rudolf Kunze. Mit zwei Stücken seiner aktuellen CD "Die Gunst der Stunde", die er zu seinem 30. Bühnenjubiläum herausgebracht hat. Die Gunst der Stunde hatten auch die Besucher an diesem Abend, der mehr als beeindruckend war.

Vera Marzinski


Hier eine freundliche Rezension:
http://schreib-lust.de/leselust/rezension.php?id=2410
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von Kalle »

Trubschacher im Geräuschprekariat
Der Musiker und Schriftsteller Heinz Rudolf Kunze stellte sein neues Buch im Waschhaus vor
von Steffi Pyanoe

Er liest neunzig Minuten, faltet seine Blätter zusammen, sagt „und fertig“ und geht von der Bühne, nachdem er die Lesebrille wieder gegen seine Schwarze eingetauscht hat. Die trägt heute jeder, der mit der Zeit gehen will, zu „HRK“ gehört sie seit Jahren. Applaus, keine Zugabe. Irgendwie ist es dann doch genug an Trubschachers wildem Gedankengut und allem Weiteren, das da, gerührt oder geschüttelt, auf das Publikum eingeströmt ist. Und manch einer sich fragt: Warum war das alles jetzt so lustig – falls es das überhaupt war - und was war das eigentlich, was da vorgelesen wurde?

„Kein Roman“, hat Heinz Rudolf Kunze selbst auf sein neues Buch geschrieben. „Vor Gebrauch schütteln“, so Titel und Regieanweisung des „Kein Roman“, mit dem der Musiker, Sänger und Liedermacher derzeit auf Lesereise ist. Sein 11. Buch, sagt er selbst, Wikipedia listet 14 und nennt Kunze an erster Stelle auch einen Schriftsteller. Das mag man schon manchmal vergessen, dass Kunze nicht nur ein Rock-Poet ist, sondern auch für das bloße Medium Sprache ein Faible hegt. Das Schreiben, sagt er am Freitag nach der Lesung im Waschhaus, entspringe seinem Mitteilungsbedürfnis. Mitteilen, teilen, was ihm eben so durch den Kopf geht. Ihm oder diesem Trubschacher, dem fiktiven Erzähler. Jener Trubschacher oder wer auch immer macht sich allerdings über die angeblichen Highlights der Weltliteratur lustig, auch James Joyce’ „Ulysses“ muss dran glauben: Diese vermeintliche Sternstunde irischer Literatur sei so langweilig, dass er das Buch dreimal zu lesen angefangen und abgebrochen habe. „Die Wahrheit muss raus!“

AnzeigeSeltsamerweise ähnelt Kunzes Schreibstil irgendwie dem ungeordneten, wirren Gedankenflusses des Iren, wechselnde Icherzähler, von denen sich Kunze als Kunze distanziert, tragen zur Verwirrung bei. Man muss schon aufpassen, und nicht selten rasen die Metaphern schneller vorbei, als man sie aufdröseln und genießen kann, wie man es müsste, um ihnen gerecht zu werden. Denn Kunze wäre nicht er selbst, würde er nicht um jede Formulierung, jedes Komma ringen. Ein Sprachfetischist, ein Perfektionist, der genau so liest, wie er seine wunderbaren Lieder vermutlich singen würde. Da macht das Zuhören Spaß, erst recht, wenn man sich hier und da wiederfindet im Text. Wenn der Deutschrocker sich über die Zuckergusskapelle der Beachboys lustig macht und auf das zweite Übel der grünen Insel, den selbsternannten Weltretter und U2-Sänger Bono, verweist, bevor er seinen ganzen Frust über den erbärmlichen Zustand der hiesigen Musikszene loslässt, wo Musikpreise an „Bohlen-genagelte Plärrnaddeln“ und „Jazzer im Rollstuhl“ verliehen werden. Da fallen köstliche Wortschöpfungen wie „Geräuschprekariat“, die unerschöpfliche Heimat der Schlagerkäufer und „schleimige Seilschaften, die bei Pornos auf die Handlung achten“. Erfolg ist, sagt irgendwann jemand im Buch, „wenn deine Musik im Supermarkt nicht weniger kostet als ein Schnitzel“.

Aha. Aber der Erzähler, Trubschacher vielleicht, ist hart im Nehmen, in der Speisekammer stapeln sich Atommüllfässer zwischen Senfgasgurken und Biochemonade. „Ich bin schuld“, sagt er gleich mehrmals, und man ahnt: Dieser „Ich“ hat bestimmt keinen „Atomkraft Nein Danke“ -Aufkleber am Auto. Auch wenn er gleich drauf einen Blues über das Bienensterben rezitiert. Und es kommt noch diffuser. Trubschacher fährt mit Bob Dylan und Miles Davis durch Amerika, Lady Di bekommt gemeinsam mit Eisbär Knut Asyl in seinem Kellerverlies und er selbst gibt Musikunterricht im Hallenbad, wo die Klaviere im Becken schwimmen. Sehr spinnert das alles, ein bisschen Kurt Schwitters, ein bisschen Boris Vian.

Und immer wenn man sich freut, wie lustig das alles ist, das Grübeln über die Herkunft einzelner Schuhe am Straßenrand zum Beispiel, schaudert es einen. Die spitzzüngige, böse Analyse des Frühstücksfernsehens, wo man sich zwischen Slalomläufern („wie ein Zitteraal auf Kokain“) und senilen Sexualforscherinnen entscheiden muss. Mindestens ebenso traurig wie der Nachrichten-Wahn in einer Welt, in der eh schon alles öffentlich ist, im Fernsehen live kopuliert, geboren, operiert und gestorben wird. Nun gelte es, das letzte Tabu zu brechen und die Volksgemeinschaft beim öffentlichen Ausscheiden zusammenzuschweißen. „Ich gehe dahin, wo es weh tut“, hieß die erste Zeile der Lesung. Ja, es tat manchmal weh, aber es war schön.

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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von HansabearHH »

Live-Mitschnitt von NDR 1

Heute von 19:05 bis 19:55 Uhr wurde auf NDR 1 Radio MV ein auf 50 Min. gekürzter Live-Mitschnitt der Lesung in Schwerin vom 05.10. gesendet!

hier mein Mitschnitt des Mitschnitts:

http://depositfiles.com/files/y0bv1wiqh
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von MartinB »

Wow, wie geil ist das denn :D :D :D

Zur fraglichen Zeit steckte ich voll im Stress, Rushour auf der Arbeit, keine Chance zum Radio hören und meilenweit weg von meinem Rechner. In meiner Mittagspause hatte ich arg mit mir gerungen, entgegen dem ausdrücklichen Verbot doch den No.23-Recorder auf unserem Dienstcomputer zu installieren, damit meinen dienstlichen Internettzugang zu riskieren und mein Recht auf private Nutzung desselben in meiner Dienstfreizeit aufzugeben. Eine innere und eine äussere Stimme haben mich davon abgehalten. Gut so.

Lieber Hansabear, vielen ganzherzlichen Dank, ich freue mich seeehr.
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

Beitrag von Kalle »

Heinz Rudolf Kunze liest bei Lehmann’s in Hannover
Der Popstar als Autor: Heinz Rudolf Kunze liest bei Lehmann’s in Hannover.Heinz Rudolf Kunzes neues Buch „Vor Gebrauch schütteln“ ist „kein Roman“. Der kommt aber auch noch. Was sonst noch von ihm kommt, verriet der Sänger und Literat der NP bei seiner Lesung bei Lehmann’s.

Bild
Heinz Rudolf Kunze liest im Lehmanns. © Rosin

Auf das Tischtuch will Heinz Rudolf Kunze gern verzichten, wenn er nur ein großes Glas Wasser bekomme. Aber die Leute bei Lehmann’s bestehen auf dem Tuch. Die Lesung soll nach was aussehen, schließlich ist heute auch eine RTL-Kamera am Aufzeichnen. Frohe Gesichter in der Buchhandlung: 300 Gäste. Ausverkauftes Haus. Die Moderatorin kündigt den Popstar als Mann der Prosa an. 14 Bücher schreibt sie ihm zu („Es waren nur elf“, widerspricht Kunze), und 21 Alben („Es sind 31“, sagt er, „ätsch!“).

Kunze liest vor Kinderbüchern, zwischen „Eragon“ und „magischem Baumhaus“. Sein Buch ist kein Roman, auch nicht „magisch“, aber ein Fest der pointierten Sprache. Zusammengehalten wirds durch einen Meinungsextremisten namens Trubschacher. Da schüttelt mancher im Publikum manches Mal den Kopf, nicht so sehr, wenn „Don Quichote“ und „Ulysses“ „sterbenslangweilig“ genannt werden. Aber schon, wenn er das letzte TV-Tabu brechen und „Menschen beim Kacken“ zeigen will. Da ist es gut, dass Kunze den Hamburger Gitarristen Jan Drees dabeihat, der mittels Wavedrum sphärische Americana-Wolken auftürmt. Schöne Musik, bei der Köpfe vom Schütteln ins Nicken übergehen und einem dämmert, dass Autor und lyrisches Ich ja nicht eins sein müssen. Die Sphären gibts seit Freitag auch auf Platte. „Kassiber“ heißt die.

Es sei „kein Roman, eher eine Sammlung von Aphorismen“, sagt Kunze im Gespräch mit der NP. „Ich bin leider immer noch kein Epiker“, seufzt er grinsend, „aber ich träume vom großen Roman über die Rockmusik. In dem meine Figuren in die großen Gestalten des Rock hineinfahren werden.“ Sicher ist – auch dieses Buch wird kommen.

Der deutsche Schlager „riecht wie Führers Unterhose, wenn er Kohl gegessen hat“, verkündet Kunze bei Lehmann’s. Und da beschleicht einen doch auch mal das Gefühl, da sitze vorm Tischtuch ein Steinewerfer im Glashaus, schließlich enthielt die letzte Kunze-Platte „Die Gunst der Stunde“ so einige Stücke für die Schubidu-Sender. „Das heißt ja aber nicht, dass das so bleiben muss“, wehrt Kunze ab. Im Dezember gehts schon mal für eine neue „Räuberzivil“-CD ins Studio: „Wir machen ein Doppel-Album – eine Platte mit neuen Songs, eine mit Sprech-texten zu Geräuschbegleitung und Grooves.“

Erscheinungstermin ist irgendwann 2012 – erst kommt im Februar noch eine Best-of in die Geschäfte. Alles neu eingespielt, eine Duett-Scheibe mit Gästen von Reinhard Mey bis Stefan Gwildis. Tobias Künzel von den Prinzen singt bei „Mabel“ mit, Pe Werner und Kunze versichern sich gegenseitig „Dein ist mein ganzes Herz“. Ein neues Stück mit Heiner Lürig ist drauf, und solo bringt Kunze den ebenfalls neuen Titelsong – ein schlichtes, essenzielles „Ich bin“.

All das ist gewiss nicht alles, doch erstmal liest er bei Lehmann’s fertig, schichtet wohlbetonend, mit würziger Lesestimme Bonmots, Bösworte, Pointen, so dass man wie bei vielen seiner Songs im Allesbegreifenwollen schier nicht hinterherkommt.

Applaus. Signierstunde. Unterm Buch das Tischtuch.

Matthias Halbig

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Schreibe (Redet), was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es lesen (hören).
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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

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Re: Lesereise "Vor Gebrauch schütteln" (Kein Roman)

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Im Interview: Rock-Poet Heinz Rudolf Kunze
Bad Hersfeld. Volle Kirche im Bad Hersfelder Schlippental: 150 Zuhörer applaudierten am Montagabend begeistert dem Rock-Poeten Heinz Rudolf Kunze (55), der sein Buch „Vor Gebrauch schütteln“ und Geistesblitze der lästerlichen Art vorstellte.
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Für wen?: Am Büchertisch signierte Kunze seine literarische Splittersammlung, die Biografie sowie Platten und CDs. Foto: Hornickel

Unterstützt wurde der Künstler beim Röntgenblick auf die gesellschaftlichen Ratlosigkeit von Synthesizer-Gitarrist Jan Drees. Vor der Lesung, zu deren Abschluss „Brille“ noch zwei Lieder zur Gitarre spendierte, sprachen wir mit dem Künstler.
Herr Kunze, ihr Markenzeichen ist die Brille. Ist das Stil oder Notwendigkeit?
Heinz Rudolf Kunze: Ich brauche schon eine Brille, ich sehe schlecht. Das ist kein Mode-Accessoire, sondern eine Weitsichtbrille. Früher habe ich da mit wilden Exemplaren gespielt. Ich hatte welche mit Lederrand, eine Tigerbrille und eine mit Dracula auf dem Rand.
Nun tragen Sie eine gediegene Ray Ban und ziehen mit einem Roman übers Land, der den Untertitel „Kein Roman“ trägt. Wie dürfen wir das verstehen?
Kunze: Das ist ehrlich. Es wäre ziemlich vermessen, zu behaupten, es handele sich um einen Roman. Es ist eine Sammlung von Gedankensplittern, Romananfängen und -schlüssen. Also, ich spiele schon mit Romanformen. Aber zu behaupten, es sei ein Roman, das wäre Etikettenschwindel.
Sie sind heute in der eher ländlichen Kirche zu Gast, die Ihr Biograf, Pfarrer Karlheinz Barthelmes hütet. Gab es noch kleinere Gastspielorte?
Kunze: So oft ich mit meinem musikalischen Begleiter Jan Drees auftrete, sind es eher mittelgroße Locations. Es gibt aber auch ein paar Lesungen in Buchläden. Das ist dann eine etwas intimere Atmosphäre. In Hannover und Braunschweig waren die Buchläden bis zu den Regalen vollgestopft mit Leuten. Bei einer Lesung ist man zufrieden, wenn 50 Leute kommen, aber wir haben auch 300 oder 400. Das wirkt dann schon wie ein Clubkonzert.
Sie sind bekannt als Meister der literarischen Kurzform. Werden Sie jetzt alt und sahen sich genötigt einen Roman zu schreiben?
Kunze: Es ist ja kein Roman.
Da haben wir aber Glück gehabt ...
Kunze: Ich hoffe aber, dass ich das mit einem Roman auf meinem weiteren Lebensweg noch einmal hinkriege, das in eine geschlossene Prosaform zu bringen. Wobei ich aber sagen muss, für die Leute, die sich so etwas live anhören, ist dieses Sammelsurium von Kurzformen schöner, weil sie verschiedene Geschichten bekommen, weil sie lachen können und weil es nicht ein langer, gebogener melancholischer Faden ist, dem sie folgen müssen. Mir geht das jedenfalls so, dass ich bei traditionellen Lesungen schläfrig werde. Die Gefahr ist bei meiner Art Programm geringer.
Ich habe den Eindruck, dass Ihnen Ihre musikalische Vorvergangenheit mit Liedern wie „Dein ist mein ganzes Herz“ und „Marlowe, finden sie Mabel“ höchst peinlich ist. Warum zicken Sie so herum und qualifizieren Ihre Hits als Gassenhauer ab?
Kunze: Das ist mir nicht peinlich. Das sind ja Nummern, denen ich viel zu verdanken habe und die meinen Namen verbreitet haben. Aber es ist so, dass man neuere Lieder lieber spielt, die nicht so abgenudelt sind. Die alten Lieder spiele ich als Gefallen für die Menschen und als Dienstleister, aber nicht für mich selber. Bei meinen Lesungen singe ich Sachen, die mir am Herzen liegen. Am Ende gibt es schon Musik - wenn die Leute bleiben. Und die sind bislang vom Publikum auch ganz toll angenommen worden. Es muss gar nicht immer der olle Hit sein.
Welche Frage wurde Ihnen auf Ihrer Tour noch nicht gestellt ?
Kunze: Die kenne ich ja nicht. Die müssten schon Sie mir stellen. Das ist doch Ihr Job.
Jetzt haben Sie mich kalt erwischt. Werden Sie ihre Biografie, die Pfarrer Barthelmes verfasst hat, irgendwann umschreiben lassen?
Kunze: Um Gottes Willen. Ich finde, es ist eine Schandtat, wenn man in einem stimmigen, geschlossenen Werk hinterher was ändert. Das ist ja so, als ob Fundamentalisten auf fremde Religions-Denkmäler schießen. Die Biografie ist seine Sicht von mir ...
Aber Ihr Schaffen und Wirken hält ja noch an ...?
Kunze: Deswegen muss er vielleicht nochmal einen zweiten Teil schreiben. Als nächstes gibt es ein Best of von mir, wo liebe Kollegen schöne alte Sachen mit mir im Duett neu eingesungen haben und eine neues Räuberzivil mit meiner Miniband. Die ist meine Spielwiese.

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