38* RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

die HRK Produkte und Meinungsbilder
Miro
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38* RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Miro »

Nach den ersten Durchläufen wirken nicht so sehr die Texte nach, sondern die Musik - ein bei Kunze-Alben, selbst bei „Die Gunst der Stunde“, sonst bei mir nicht üblicher Effekt. „Tiefenschärfe“ ist von einer fast beständig gedrückten Grundstimmung geprägt und erinnert von daher an „Radio Pandora“ von BAP. Da ich auch kein Country- oder Blues-Fan bin, stürze ich mich jetzt umso mehr auf die Texte. Unter diesen befinden sich diesmal keine hervorstechenden Highlights wie „Der Kartenleger“ oder „Es ist Krieg“, sie weisen aber solides Kunze-Niveau auf. Bemerkenswert ist, dass es zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder eine Reihe schwer bis gar nicht zu deutender Kunze-Texte gibt. Jetzt schlägt er mit Räuberzivil den Bogen zur Phase zwischen den beiden Verstärkungen wie auch zu seinen ganz frühen Platten.

„Tiefenschärfe“ ist ein atmosphärisch ziemlich homogenes Album (Ausreißer nach oben: „Es ist schwierig“), bei dem ich das Gefühl habe, dass die durch die Umbesetzung erweiterten Möglichkeiten nicht voll ausgenutzt werden. Bei insgesamt gut 90 Minuten Musik hätte sich das Material ohne für mich erkennbaren musikalischen Verlust auf eine randvolle Einzel-CD reduzieren lassen. Der Country- oder Blues-Experte mag mehr Differenzierungen raushören.

Textlich sind wieder einige Ausrufezeichen dabei. Die Bandbreite von „Hier rein da raus“ wird diesmal nicht erreicht (nach oben wie nach unten). Die Texte könnten auch diejenigen eines Band-Albums (einschließlich der frühen) sein.

Schade ist, dass im Booklet die Texte von „Brot aus Gold“ und „Willkommen liebe Mörder“ nicht bis zum Schluss abgedruckt sind.
MartinB
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von MartinB »

Vorhin die CDs bei Saturn Hansa in Bremen für 17,99€ erstanden. Es waren übrigens nur (noch?) zwei Exemplare vorhanden. Auf den ersten Blick ansprechend aufgemacht, da hat Herr Huch mal wieder sehr schön bebildert.

Danach erstmal die Texte gelesen: oha, da ist nichts "lustiges" dabei (womit ich gut leben kann). Viel ist die Rede vom Tod, finde ich, kommt morbide, düster und streckenweise ganz schön bös-brutal rüber - der alte Niedermacher schlägt wieder zu, und mir gefällt der stellenweise aufgebracht Mut zur Incorrectness... heissa, da wirds viel Gemecker geben von den kritischeren Kunden unseres Super-Heinzes. Einige Surrealitäten und etwas herzblütige Poesie ist mit eingebaut sowie krasse, aber treffende Zustandsbeschreibungen. Offenbar meint Heinz es diesmal ziemlich ernst. Na prima, denn so hab ich ihn am gernsten...

Und wenn ich in den Credits die endlose Aufzählung von Hilkos buntem Percussion-Arsenal betrachte trommelt mein Drummerherz freudig erregt seine Rippenfelle. Mir waren die programmierten Drums bei Rein&Raus nämlich ein klitzebisschen unangenehm (auch wenn sehr korrekt programmiert wurde und es mir wahrscheinlich nicht aufgefallen wäre, hätte ich es nicht gewusst). Als Analogtrommler mag ich diese synthetische Vorgehensweise einfach nicht. Umso grösser nun die Freude, dass bei Räuberzivil nun ein "richtiger" Schlagzeuger an Bord ist, auch mit einem "richtigen" Drumset, wenns drauf ankommt.

Nun bin ich gespannt, wie das alles klingt. Erstmals halte ich eine völlig jungfräuliche Kunze-Produktion in den Händen, denn ich habe es unter Aufbringung geradezu unmenschlicher Disziplin diesmal geschafft, die Ohren von den Hörschnipseln der diversen Musikdealer fernzuhalten, worauf ich jetzt fast ein bisschen stolz bin. Zuvor muss ich mich jedoch noch um banalere Dinge kümmern und meinen von einem Winterabschiedsvirus (oder sowas) geplagten Körper besänftigen. Der bevorstehende Genuss ist sicher nichts für "zwischendurch", von daher bleibe ich erstmal noch ein Weilchen im Vorfreudemodus...
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von MartinB »

ROBERT LIMPERT -> Beim lesen des Textes fiel mir wieder ein, dass meine Oma mütterlicherseits (mein Schutzengel seit etlichen Jahren...) mir von einer ähnlichen Begebenheit berichtete. Sie war eine damals junge (meine Mutter) alleinerziehende Frau, lebte in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, und wurde gezwungen mit anzusehen, wie zwei Männer ihres Dorfes von den Nazis kurz vor der Flucht ("Die Russen kommen") noch mal eben aufgehängt wurden, ehe die braunen "Verantwortlichen" - selbstverständlich motorisiert im Gegensatz zur Oma - als erste abhauten. Sicher fehlt hier die heroische Komponente - es waren "nur" kriegsgefangene Zwangsarbeiter, die sich gar vor Angst weinend einurinierten, als es soweit war - aber der Text geht mir von daher schon als solcher unter die Haut und begünstigt meine Bereitschaft, mich auf den Song einzulassen.

Abgesehen von diesem eher persönlichen Andockpunkt stimme ich Kalle zu, dass hier ein sehr diskreter Übergang von Räuberzivil 2.0 zu 3.0 vollzogen wird. Das ist verbraucherfreundlich. Ich finde es gut, dass so die Weiterentwicklung fliessend dokumentiert wird. Ist auch inhaltlich ein guter Einstieg in das Album und bezieht m.E. rechtzeitig klar Stellung zu eventuell (gemessen an den Texten) aufkeimen könnenden Zweifeln an Heinzes rechter Gesinnung. Auch als Ouvertüre in die ernste, morbide und gnadenlose Grundstimmung des Albums, so sie sich auch musikalisch manifestiert, dürfte das Stück geeignet sein.

Käme jetzt eine/r daher mit der Behauptung, das sei so 08/15 deutscher Quasi-Country kurz vor Truckstop mit ewiggestriger Betroffenheitsthematik, geeignet zur Aufrechterhaltung der historisch verordneten ewigen Gewissensprüfung der Doitschen, könnte ich ihn auch verstehen. Mir würde es den ...ööööhm... Respekt vor diesem Stück jedoch nicht vergällen.
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von MartinB »

LÜGNER -> Meines Wissens das einzige Stück, welches aus der vorhergehenden Räuberzivil-Generation heinzlich übernommen wurde. War vor etwa anderthalb Jahren in einem Radiokonzert vertreten. War schön... blöderweise finde ich die Version jetzt nicht wieder. So zum Direktvergleich, denn ich habe die Ahnung, dass am Text herumgeschraubt wurde. Mir würde es auch Spass machen, die seinerzeitige Geigen- mit der aktuellen Gitarrenarbeit zu vergleichen.

Aber auch nur nach Gedächtnisprotokoll schneidet die Gitarre in meiner Welt (noch) besser ab. Im Mittelteil ist so ein Wechsel zwischen E- und A-Gitarre, der herrlich sonderbar ist. Wenn es strategisch gewollt ist, einen fliessenden Übergang zwischen RZ2&3 abzusolvieren, wurde dieses Vorhaben mittels des Lügners optimal umgesetzt. Wenn diese klare Schnittstelle auf Zufall beruht, ist dem Zufall zu huldigen.

Auch ohne diese Überlegungen ist Lügner wunderbar eingesungen und von einer tiefsinnig shitzophrenen Stimmung getragen. Gehört für mich etwa in den Topf, in dem `"Manchmal" von der Richterskala vor sich hinsimmert. Da gibt es nichts zu verstehen - aber es fühlt sich tüchtig vielschichtig an. Wenn das mal nicht Kunzt ist...
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von MartinB »

KOMME NICHT AUS ALABAMA -> ok, jetzt klingt es definitief nicht mehr nach Räuberzivil, wie man es bisher kannte. Und der Übergang war schmerzlos. Saubere Arbeit. Wenn das hier jetzt des Heinzes neue Kapelle ist bin ich einverstanden. Um was hinkendes anzubieten: JJ Cale meets early ZZ Top(?) oder so. Gesanglich und textlich nicht so aufregend nach meinem Gusto. Wirkt eher so, als stelle sich die Band freundlich vor und Heinz singt was dazu. Gefällt mir eher musikalisch als heinzlich. Was doch auch was ist.

ROSMARIN -> Das würde auf jede beliebige HRK-Platte passen ohne aufzufallen. Auch mit jeder beliebigen Besetzung eingespielt. Hier höre ich des Heinzes Kern, und ich geniesse es. Nahe dran an Finderlohn. Ein wunderbar kryptischer Text, in den ich alles hinein- und herausprojezieren kann. Schönstens getrommelt (auf einem Schlaaaagzeuch...), und was sind das für Sounds? Akkordeon? Geigen? Mellotron? Da wurde aber geschmackvoll gekeyboarded... Bis hierhin ist Rosmarin mir ein klarer Favorit des Albums. Kann ich mich kaum von losreissen, wächst und atmet mit jedem Durchgang... höchst erfräulich in jeder Beziehung. Hier ist der Beweis, dass die neue Band den Heinz versteht. Klingt so dicht dran an Verstärkung No.1&only wie niemand danach. Ausser, dass der Heiner nicht dabei ist... obwohl Rosmarin sehr dicht dran ist am Spirit of Heiner. Liebe auf das erste Ohr, was mich betrifft. Ich freue mich richtig darüber. Vielen heinzlichen Dank.

SO WIE DU BIST -> Soweit ich das beurteilen kann ist dies ein Liebeslied aus einer orignellen Perspektive. Dieses Sich-selbst-infrage-stellen ist schon mutig und blabla... Aus ungegebenem Anlass resoniere ich momentan nicht so auf "Beziehungslieder", deshalb geht mir der Song etwas am Sitzmuskel vorbei, falls Ihr versteht...

GENERAL LEE -> Das mit den Geigen macht der Martin mit der Lapsteel, vermute ich.

30 PROZENT -> Wow, Räuberzivil goes Heavy-Psychedelic! Vom Sound-Design her an Gewalt grenzend. Und ein richtig fieses Thema - es geht um eine real existierende Verschwörungstheorie, wie man zu wissen gelernt hat. Schön, dass das mal einer thematisiert, dazu mit der gebotenen Vehemenz. Eine Vokabel wie "Totschlagargument" gehört dringend öffentlich diskutiert. Und was die Band da ab etwa 2:20 vom Stapel lässt ist räuberzivilisatorisch ein Quantensprung. Hat aber den Nachteil, dass das Klavier ab und zu in akustische Schmächtigkeit gerät. Stimmungsmässig gehts in den tiefsten Keller, denn so etwas grausames visualisiert man selten. Die Musik gebärdet sich bedrohlich, konsequent und kraftvoll. Es herrscht Verstärkung. In jeder Beziehung ein Monster von Song. Ich bin vollstens einverstanden. Wow, Räuberzivil goes Heavy-Psychedelic...!
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Kalle »

QUELLE PRESSE http://www.rollingstone.de/videos/sessi ... ueber.html

27. Februar 2015 von Fabian Broicher
Session
ROLLING-STONE-Session: Heinz Rudolf Kunze mit "Drunter und Drüber"
Schon seit 2012 ist Heinz Rudolf Kunze mit seiner Band Räuberzivil aktiv, nun erscheint am 27. Februar das zweite Album des Projekts, "Tiefenschärfe". Wir haben den Frontmann zu einer Akustik-Session getroffen.
Schreibe (Redet), was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es lesen (hören).
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Kalle »

Releasekonzert
zum neuen Räuberzivil Album "Tiefenschärfe" Hannover 27.02.2015
Bild Bild
TEXT
Robert Limpert
Lügner
TEXT
Rosmarin
TEXT
So wie du bist
TEXT
Willkommen liebe Mörder
TEXT
Nichts als offene Fragen
Drunter und drüber
Brot aus Gold
Samarkand
Geh mir nah (2005 Das Original)
Ponderosa (mit Vorstellung der Band) VIDEO: https://www.youtube.com/watch?v=PdY4L1V ... e=youtu.be

Papa hat Geld
Das Problem ist

HEINZ im Dezember 2000 in einem Interview gegenüber Alfred Biolek: Ja, es gibt ein klares Ziel. Ich möchte gerne enden als der elektrische Hüsch. Ich möchte der elektrische Geschichtenerzähler sein, der noch lange weitermachen darf und eine Institution sein darf wie Hanns Dieter Hüsch. Ich möchte den Leuten noch lange etwas erzählen über dieses Land und über mich, wenn es sie interessiert, und so eine Gestalt werden, die man einfach braucht. Nicht unbedingt in den Hitparaden, die aber notwendig ist. Das wäre mein schönster Plan.

ANMERKUNG: an dieses Statement habe ich mich am Freitag in Hannover erinnert gefühlt und zu meiner Freude feststellen dürfen, HEINZ ist auf dem besten Wege.
Schreibe (Redet), was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es lesen (hören).
Epheser 4,29
MartinB
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von MartinB »

AM MEER STEHEN -> Eigentlich ist solcherlei schunkelwalzerige Seligkeit gar nicht mein Ding. In diesem Falle funktioniert es aber, wenn ich mich gedanklich an den Strand von z.B. St. Peter Ording zurückbeame. Beim ersten Durchgang wünschte ich mir unterwegs noch ein bisschen kitschverstärkendes Meeresrauschen in die Musik und war dann erfreut, als mir zum Schluss tatsächlich eine schöne grosse Muschel ans Ohr gehalten wurde. Wenn mir mal wieder nach maritimer Besänftigung der Sinn steht, greife ich gern auf das Liedchen zurück.

DRUNTER UND DRÜBER -> Rock´n Roll ultralight, coole Mundharmonika und ein schön bunter Text, der gegen Ende wieder nach der Tödlichkeit des Lebens schielt und so der Fast-schon-Fröhlichkeit einen entspannt-bitteren Beigeschmack verleiht. Gefällt mir im oberen Mittelfeld. Romeos Wunsch nach totgeficktwerden finde ich arg originell.

GREIF SCHON ZU -> Hier gefällt mir das hand- bzw. mundwerkliche Geschick, mittels dessen Heinz mit sich selber singt. Sehr schön. Und die in der Vorabkritik schon erwähnte Romanze zwischen Blockflöte (eigentlich mein Hassinstrument No.1) und Gong (wieso fehlt der in den Credits?) ist mir auch noch nicht untergekommen. Überhaupt, was ist das für eine Sorte Musik? Schwer einzuordnen, passt aber gut zu den an dieser Stelle im Textheft abgedruckten Schneewittchenzwergen. Und wieder endet das Lied tödlich...

EIN NICHTSNUTZ SEIN -> Perfekter Rausschmeisser für die erste CD. Zutiefst verschlüsselte Botschaft, ergreifend dargeboten in Gesang und Musik. Die Stille danach wirkt, als wäre sie gewollter Bestandteil des Stückes. Die ultradezente und gleichzeitig ultraverbasste Perkussion grummelt gehörig in Bauch und Hirn. Ganz grosses Kopfkino!

Fazit der ersten CD: gäbe es nur diese, wäre sie allein schon perfekt, sowohl von der Dramaturgie wie vom Inhalt her. Die Band hat einen konsequent eigenen Sound, Heinz singt in Hochform, stilistisch wird extremistische Vielfalt geboten. Kein Stück gleicht dem anderen und doch klingt alles wie aus einem Guss. Handwerklich über jeden Zweifel erhaben eingespielt und eine Stimmung verbreitend, we ich sie von den frühen Platten in Erinnerung habe. Irgendwie hinterlässt sie eine anregende Form des Niedergeschmettertseins. Hier gibts hunderttausend Stachelbeeren statt Schlagerrosen. Das ganze wirkt authentisch, es ist klar spürbar, dass Heinz hier ist wie er ist und seine ureigentlichen Ansinnen verwirklicht. Nicht die Spur einer kommerziellen Anbiederung zu erkennen. Kunze kompromisslos - yeah, so liebe ich es! Mit General Lee kann ich als einzigem Ausreisser gar nichts anfangen. Lügner, Rosmarin, 30% und Nichtsnutz reihe ich ein in die Liste der ewigen heinzlichen Unentbehrlichkeiten, was eine erhebliche "Ausbeute" einer (!) CD darstellt, die nach 1999 veröffentlicht wurde. Auch dem Rest stehe ich tendenziell freundlich gegenüber. Hilkos Percussions sind vom feinsten, mein Drummerherz tuckert beglückt vor sich hin beim Geniessen. Ralphs E-Gitarre wertet Räuberzivil in Richtung einer "richtigen Band" enorm auf. Ich bin sehr gespannt, wie wohl die älteren Stücke in dieser Besetzung live dargeboten werden und erwarte Grosses - das kann nur gutgehen... Tiefenschärfe toppt Rein&Raus, aber ohne es abzuwerten. Glasklar ist eine gelungene Weiterentwicklung zu beobachten, und ich freue mich schon auf Räuberzivil 6.0 (vielleicht 2022 oder so...). Auch wenn inzwischen diesbezüglich 34 vor dem Komma steht ist es immer noch höchst beglückend, das Wirken des Heinz Rudolf Kunze mitzuverfolgen.
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von DasUltimatum »

Nachdem ich beide CD's jeweils 3-4 mal gehört habe, gefällt mir CD2 im Moment etwas besser als CD1. Es sind eine ganze Reihe toller neuer Songs dabei (Robert Limpert, Am Meer Stehen, Nichtsnutz, Es ist schwierig, Schurkendarsteller, Nichts als offene Fragen, Ich möchte scheitern, ...), aber für meinen Geschmack auch etwas viel simpel gestrickter Country und langweiliger Blues. Musikalisch höre ich eine konsequente Fortsetzung von HRDR, aber Verwechselungsgefahr zum Verstärkungssound besteht nicht. Nach wie vor klingt manches wie das Demo eines zukünftigen Kunze-Songs.

Insgesamt eine fantastische Veröffentlichung für Kunze-Fans, absolut schlagerfrei ;-), mit vielen Texten zum Nachdenken und daran reiben. Ich bin sicher, dass das weitere Hören meine Meinung zu den einzelnen Songs noch sehr verändern wird, daher hier noch keine detaillierte Bewertung, nur ein erster Eindruck.

8)
Ghosti
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Ghosti »

Ich kann mich noch erinnern, das Gefühl nach dem ersten Durchlauf von „Hier rein da raus“ war pure Euphorie. Nach dem ersten Durchlauf von „Tiefenschärfe“, wo ja alles noch besser und größer sein sollte, war ich zunächst ziemlich ernüchtert. Mein Fehler war wohl eine überhöhte Erwartungshaltung, und dass ich mir das komplette Programm gleich auf einmal zugemutet hatte, als ich’s beim zweiten Mal dann nur mit der ersten CD versucht hab, klappte das schon wesentlich überzeugender.
„Tiefenschärfe“ ist sehr gut, keine Frage. Die Arrangements sind meist raffinierter als auf dem Vorgänger, der Detailreichtum größer (besonders bei der sehr abwechslungsreichen Perkussion, wobei auch Wolli seinerzeit schon ein beachtliches perkussives Instrumentarium ins Studio geschleppt hatte). Die Dramaturgie der ersten CD finde ich auch straffer, spannender, was jedoch zu Lasten der zweiten CD geht, da dudelt dann doch vieles musikalisch zu seicht an mir und meinem Geschmack vorbei, auch wenn da ein, zwei ganz ungewöhnliche und neue Seiten von Heinz zu vernehmen sind. Den meisten Songs dieser zweiten CD würde ich einige der wunderbar atmosphärisch unterlegten Sprechtexte des ersten RÄUBERZIVIL-Albums vorziehen.
„Hier rein da raus“ hat insgesamt gesehen überhaupt die stärkeren Songs: „Die Waffe“, „Es ist Krieg“ oder „Bleib Schmerz bleib“ gehen tief unter die Haut, da kommt lediglich das böse, bedrohliche „30 Prozent“ ran. „General Lee“ mit seinen grandiosen Melodien ist wunderbar, spielt aber nicht ganz in derselben Liga, ebenso „Lügner“, das ich zudem live bei den „Songs an einem Sommerabend“ 2013 noch besser gesungen fand. Auch äußerst gelungen sind „Ich möchte scheitern“, „Ponderosa“ oder „Komme nicht aus Alabama“ , aber da kann das erste Album mit „Als der Teufel kam“, „Gesichter Gesichter“, „Überall liegen Dinge“ oder „Sisyphos TV“ locker gegenhalten, „Rosmarin“ ist gefällig, kommt jedoch gegen „Mach es wie ich“ nicht an, genauso wie „Robert Limpert“ nicht gegen den „Kartenleger“. Bin sehr gespannt, ob und wie sich die Verhältnisse nach weiteren Durchläufen noch verschieben…
Die schon angesprochenen Selbstzitate (nicht nur musikalisch, sondern auch textlich) sind nicht zu überhören, bei einem Künztler, der seit über 30 Jahren Alben wie am Fließband veröffentlicht, wohl auch nicht ganz verwunderlich. So wirkt etwa „Robert Limpert“ wie eine Kreuzung aus „Ein Wirtshaus voller Probleme“ und „Erwarte wenig“, oder klingt „So wie du bist“ nach etwas „Elixier“ mit ein paar „Meinungen“, „Rosmarin“ erinnert stark an „Finderlohn“, der Anfang von „Ponderosa“ an „Überall liegen Dinge“ usw.
Zuletzt geändert von Ghosti am 02 Mär 2015, 22:52, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von An »

Insgesamt ein gutes Album! Musikalisch sehr vielseitig, textlich z.T. wieder rätselhafter und mehrdeutiger als in der Vergangenheit, was ich durchaus sehr begrüße. Besondere Highlights sind für mich derzeit: Robert Limpert (zu diesem Stück kann ich die insgesamt allein schon aufgrund der Kürze unendlich oberflächliche Rezension des Rolling Stone nicht nachvollziehen), Lügner (hier gehen Text und Musik eine wunderbare Symbiose ein), Am Meer stehen, Brot aus Gold, Samarkand, Der beste Schurkendarsteller, Nichts als offene Fragen, Ich möchte scheitern.
Mit einigen andere Songs komme ich dagegen nicht ganz so gut zurecht (Komme nicht aus Alabama, Rosmarien, Ponderosa - auch wenn die beiden letzten musikalisch ansprechend sind). Gelegentlich hätte es klanglich noch etwas besser abgemischt sein dürfen (z.B. Am Meer stehen).

Ich hoffe, das Album verkauft sich zumindest ähnlich gut wie das letzte Räuberzivil Album - es hätte es verdient!
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Thofrock »

Ghosti hat geschrieben:IMein Fehler war wohl eine überhöhte Erwartungshaltung, und dass ich mir das komplette Programm gleich auf einmal zugemutet hatte, als ich’s beim zweiten Mal dann nur mit der ersten CD versucht hab, klappte das schon wesentlich überzeugender.
Das sagst Du was. 23 Songs können unmöglich mehr oder weniger gleichzeitig so haften bleiben, dass man sie verpackt bekommt. Diesen Tango z.B. fand ich einige Zeit geradezu störend. Erst als ich zu den Songs drumrum die gewisse Vertrautheit aufgebaut hatte, hab ich mich mit der Nummer vorurteilsfrei beschäftigt. Mein Lieblingssong wird es nicht mehr, aber inzwischen ist es ein Farbtupfer, der da jetzt auch hingehört.
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Ghosti »

Thofrock hat geschrieben:Diesen Tango z.B. fand ich einige Zeit geradezu störend. Erst als ich zu den Songs drumrum die gewisse Vertrautheit aufgebaut hatte, hab ich mich mit der Nummer vorurteilsfrei beschäftigt. Mein Lieblingssong wird es nicht mehr, aber inzwischen ist es ein Farbtupfer, der da jetzt auch hingehört.
Ja, dieser Tango ist 'ne irre Geschichte. Wirklich hören muss ich "Es ist schwierig" (nebenbei absolut passender Titel) nicht, aber ich finde es super, dass Heinz sowas macht.
Miro
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von Miro »

Für mich ist das Album auch nach vielen Durchläufen grau in grau. Vielleicht wechselt es mal zwischen hellgrau und dunkelgrau. Penetranter Country und traniger Blues wechseln sich ab. Die stilistische Bandbreite, die manche erkennen, geht an mir vorbei. Das ist schade, weil die Texte es wert gewesen wären, musikalisch differenziert untermalt zu werden. Während die Musik bei "Hier rein da raus" über singersongwritermäßige Begleitung nicht hinausgegangen ist und von daher stimmungsmäßig neutral war, hat sie bei "Tiefenschärfe" eine Klangfarbe, die die Wirkung der Texte teilweise leider einengt.
An
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Re: nach VÖ: RÄUBERZIVIL - Tiefenschärfe

Beitrag von An »

Miro hat geschrieben:Für mich ist das Album auch nach vielen Durchläufen grau in grau. Vielleicht wechselt es mal zwischen hellgrau und dunkelgrau. Penetranter Country und traniger Blues wechseln sich ab. Die stilistische Bandbreite, die manche erkennen, geht an mir vorbei. Das ist schade, weil die Texte es wert gewesen wären, musikalisch differenziert untermalt zu werden. Während die Musik bei "Hier rein da raus" über singersongwritermäßige Begleitung nicht hinausgegangen ist und von daher stimmungsmäßig neutral war, hat sie bei "Tiefenschärfe" eine Klangfarbe, die die Wirkung der Texte teilweise leider einengt.
Dem kann ich nicht zustimmen: Ich finde soviel musikalische Bandbreite war selten auf einem HRK-Album, auch wenn Tango, Bossa Nova und Co. für uns ungewöhnlich sind. Ich finde z.B. die musikalische Umsetzung von "Lügner", "Ich möchte scheitern", "Samarkand", "Brot aus Gold", "Schurkendarsteller" oder auch "30 Prozent" sehr gelungen.

Leider hat es Räuberzivil - wie auch nicht anders zu erwarten - nicht in die Rubrik "Abgehört" von Spiegel Online geschafft.
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