Location -> Pier2, mittelgrosse Halle, etwa 90% Zuschauerauslastung, gut beheizt, ordentliche Versorgung des Publikums gewährleistet, sanitäre Anlagen in Top-Zustand. Ärgerlich: wir hatten Karten für Sitzplätze auf der Tribüne gezahlt, mussten aber mit Stehplätzen unten Vorlieb nehmen, da die - offenbar nichtmal ausreichende - Bestuhlung nach unten verlegt wurde. So konnten die einen nicht weiträumig toben und tanzen und die anderen nicht gemütlich sitzend aufmerksamst eintauchen ins Konzert...
Publikum -> mit z.B. mir würdevoll mitgealtert, etwa 15% "junge Leute" so ab vielleicht 25, Männer-/Frauenanteil bei 65 zu 35. Mehrheitlich nicht so recht resonanzfähig oder -willig, denn Anfeuerungsapelle der Band (jetzt alle klatschen, jetzt alle singen, jetzt alle die Arme über dem Kopf hin- und herwedeln) wurden nur von wenigen befolgt. Mag sein, dass sich solche Rituale im Laufe des Lebens abnutzen oder sich ab einem gewissen Alter anfangen etwas albern anzufühlen. Freiwillig gab es hingegen tüchtig Applaus an den richtigen Stellen, wobei es mir vorkam, als bekämen die ältesten Sachen am meisten davon ab. Angenehm war die Auditoriumsdisziplin - wenn Heinz die Stimme erhob um zu sprechen wurde es ruckzuck mucksmäuschenstill in der Halle, die ruhigen Sachen wurden andächtig genossen und Mitklatschereien auch bei den Hits eher sparsam eingesetzt. Keine Besoffenen, kein Gedrängel, rundum freundliche Gesichter, mit denen man sich wohlfühlen konnte.
Sound -> naja, ganz ordentlich, ausgewogen, nicht zu leise, nicht zu laut, vor allem nicht zu laut. Man zielte wohl auf durchgehend schönen Wohlklang ab. Manchmal war das passend, fühlte sich über den ganzen Verlauf aber etwas gleichförmig an. Ich hätte mir mehr Dynamik gewünscht und hier und da gern auch mal eine Schaufel "Dreck" im Sounddesign gehabt. Lebend kriegt ihr mich nicht kam mir z.B. zu brav tönend daher, da hätte man ruhig mal lauter machen können. Und wenigsten einer der immerhin drei im Einsatz befindlichen Gitarren "Retro-Modus" gönnen dürfen. Zudem war der Praktikant am Mischpult nicht immer orientiert, welches Mikro Heinz gerade benutzt. So verlor mancher seiner Einsätze durch unfreiwillge "Fade-in-Verzögerung" einiges an Effekt und Dramatik. Sieht auch einfach doof aus, wenn man Heinz schon singen sieht, aber noch nicht hört... Besonders dumm gelaufen beim Duett mit der Natalie bei Mit Leib und Seele, aber auch zweimal nachdem Heinz ans Klavier gewechselt hat - er macht das ja auch mal mitten im Stück, da wärs schon schön, wenn der Mixmann auf sowas vorbereitet wäre. Kleiner Gag am Rande zum Thema: auf der "Speisekarte" der Tresen stehen drei Artikel zu je einem Euro zur Auswahl, nämlich Erdnüsse, Schokoriegel und Gehörschutz...
Bühnendesign -> sinnvoll angeordnet mit genug Platz für alle. Schön viel schön buntes, bisweilen gar stimmungsvolles Licht. Ganz toll das tiefdräuende Blau während der Intro und das fiese Dunkelblutrot bei Lebend kriegt ihr mich nicht (und/oder wars Hartmann?). Punktuell tolle Effekte mit höchst beweglichen Spots (Gitarrensolo bei Zitadelle in messerscharfer Lichtexplosion - sowas gabs früher höchstens bei Pink Floyd in solcher Präzision). Insgesamt eine spitzenmässige Lightshow, offenbar von Spitzenpersonal ausgeführt. Bis hierhin grossartig, aber da waren ja auch noch die
Videoleinwände -> sowas gabs bei Heinz auch noch nicht in solchem Ausmass. Anfangs fand ich diese interessant, aber der Effekt nutzte sich schnell ab, weil er wegen des inflationären Dauergebrauchs bald keiner mehr war, und - sorry - mich haben die Dinger dann irgendwann genervt. Primär möchte ich beim Besuch eines Konzertes Musiker bei der Arbeit beobachten. Wenn jedoch die Videos heller sind als die Bühnenbeleuchtung ergibt sich ein optischer Kontrast, der auf Kosten des Eigentlichen geht. Ein Beispiel: während Lebend kriegt ihr mich nicht gibts über den gesamten Song eine grobkörnige Dauerschleife zu sehen, beinhaltet mit einer Studie über ein ältlich wirkendes Ruderboot für sechs Personen. Diese rudern nicht gerade um ihr Leben sondern scheinen ganz gemächlich die Synchronisation ihrer Bewegungen zu trainieren. Ich erkenne keinerlei künztlerischen Bezug zum Song. Das Video überstrahlt die an sich schöne Lightshow und stellt den Ausdruck der Musikergesichter übel in den Schatten. Man kann andrerseits auch nicht wirklich den "Film" betrachten, weil der Videokünstler es für angebracht hielt, das Bild auf fünf unregelmässig angeordnete Leinwände zu verteilen. So sieht man oben in der Mitte ein Stück von einem Ruderergesicht, ganz rechts oben ein bisschen Bäume und unter dem Schlagzeug sanft gekräuselte Wellen und ab und zu ein Stückchen Ruder rumplätschern. Besonders bei einem Knallersong wie Lebend... will ich den Song sehen und ob die Musiker schwitzen dabei, aber nicht so einen... ...öööhm... Kram. Fragte man mich, ob das Kunst ist oder wegkönne, plädierte ich ganz klar für letzteres. Ein Vorschlag zur Güte: nächstes mal nur eine Leinwand einsetzen, in der Grösse von einzwei Tischtennisplatten, mittig über der Bühne platziert, und darauf Closeups des Bühnengeschehens darstellen, oder meinetwegen Bilder von zugehörigen Plattencovern, oder die legendär guten Promofotos von Herrn Huch, Zeitgeistimpressionen die zum Song passen, oderoderoder...
Ablauf -> in jeder Hinsicht reibungslos. Pünktlichst 20:00 gings los, der letzte Ton verklang um 22:34. Keine Opfer an Mensch oder Material zu beklagen. Heinz ist fit hoch zwei, hat nach zweieinhalb Stunden noch Lust und Puste für die gesamte Bestandsaufnahme, scheint trotz Jacke und Schal nichtmal zu schwitzen dabei. Wow, was für eine Kondition für "62 vor dem Komma steeeehn..." zu haben! Am Ende ein glücklich-entspanntes Publikum und eine zufriedene Kapelle, die sich in gegenseitigem Einvernehmen bis zum nächsten mal wieder trennen ohne zu murren oder gross Müll zu hinterlassen.
Verstärkung ->
Matthias ist ein unauffälliger, aber souveräner Stein in der Brandung, nur ab dem Hals aufwärts zu sehen (dabei stets wohlgelaunt dreinschauend), ist konzentriert bei der Sache, wählt stets die passenden Sounds, prägt wesentlich die Atmosphären der Songs.
Leo groovt mit elastischem Körpereinsatz, ist angesichts einer gewissen Basslastigkeit des Sounds sehr präsent, glänzt durch kleine mehr oder minder choreografierte Tänzeleien mit den Gitarristen (wenn Heinz am Klavier sitzt und infolgedessen nicht sooo viel im Bühnenfordergrund zu sehen ist). Optisch getrübtes Vergnügen durch die Videoleinwand unter dem Schlagzeugpodest (schwarze Beine, amorpher Oberkörper bei Videoüberbelichtung). Kommt insgesamt höchst sympathisch rüber.
Jens ist mein Favorit der Tour. Er spielt hochwertig, weit weg vom 08/15-Gebummsklatsche lässt er das Schlagzeug kräftig und geschmackvoll erbeben. Man sieht ihm an, dass ihm das Spass macht (wenn man ihn denn sieht, einzwei Spotlights auf den Drummer wären wünschenswert gewesen). Er arbeitet viel mit den ausgezeichnet gestimmten Toms, was ich ganz persönlich sehrsehr mag, bürstet beim Ultimatum die Bongos auch mal gegen den Strich - fabelhaft, ganz grosse Klasse, der Mann.
Peter Koobs macht einen tollen Job, dosiert seine Soli auf den Punkt, macht dabei keinen auf "Macker" sondern wirkt stets ganz bei der Sache und hat das Team dabei im Auge (Ohr, meine ich). Allerdings reibt er sich in den Soloparts ziemlich an den alten Stücken: es ist schon gewagt, ein klassisches Heiner-Solo wie z.B. beim ganzen Herzen gleichzeitig annähernd reproduzieren und zeitgleich auch interpretieren zu wollen. Da wär ich mehr für ganz oder gar nicht - ein Heinersolo ist ein Heinersolo ist ein Heinersolo, entweder man spielt es oder man macht ein eigenes. Einzweimal war ich etwas iriitiert an solchen Stellen.
Andrew Gräser wirkte auf mich blass und unauffällig. Seine Funktion in der Verstärkung kam mir etwas undankbar vor, so hier und da ne Lücke mit Gitarre oder Stimme oder hauen auf ne grosse Trommel füllen oder ein bisschen posen als Tanzpartner für Leo. Kann ich nicht viel zu sagen.
Zu den Damen: als sich dezent im Bühnenlichtschatten wiegende Backgroundsängerinnen sehr angenehm anzuschauen. Manche engelhaft anmutenden Chöre der beiden empfand ich als echte Bereicherung. Bei mehr als einem Gesangseinsatz war mir ein klares "Oh-wie-schön-Gefühl" vernehmlich. Wenn sie dann auch noch mit kleinen Schäkern oder mittelgrossen Schellenringen wedeln, freundlichst aus der Wäsche gucken und vom Mixer-Praktikanten rechtzeitig bemerkt werden - wirklich ein Genuss. Im einzelnen muss ich allerdings auch etwas unangenehm werden, und das mache ich lieber jetzt, als später das eigentliche Konzertprotokoll durch diese nötigen Bemerkungen zu verunzieren.
Jördis Tielsch -> in ihrer Funktion als Geigerin hat sie mir sehr gefallen. Sie fiedelt nicht ständig herum, sondern violinisiert bei den richtigen Songs an den richtigen Stellen sehr schön ins Geschehen. Allerdings verkackt auch hier wieder der Mann am Mischpult so einiges. Mehr als einmal sieht man sie engagiert den Bogen streichen, ohne wirklich was davon zu Ohren zu bekommen. Das ist schade, denn wenn es klappt hört es sich schön an und veredelt den Song. Zuweilen (ich glaub bei Aller Herren Länder) zupft sie auch die Geige (oder schlägt sie gar), was nochmal musikalischen Mehrwert generiert. Bis hierhin höchst erfräulich.
Aberaberaber... wenn Jördis zu ihrem eigenen Song anhebt, gibt es einen Bruch im Programm. "Bühne deines Lebens" ist leiderleider ein dermassen allerweltlicher Song, dass es mich graust. In der Quintessenz geht es darum, dass man im Leben nur man selbst sein soll. (Ach was...
) Das Arrangement trieft vor Klischees (z.B. Fake-Ending, dann pong-bumm-batz von den Drums und nochmal zweimal den kirchentagstauglichen Trallala-Refrain). Der Zeitpunkt ihrer Darbietung ist direkt nach dem bedrückenden Ultimatum so Scheisse gewählt, dass ihr belangloses Popsöngchen maximalen Kontrast zu einem HRK-Konzert ausstrahlt. Wohl dem, der jetzt eine volle Blase hat... Ganz peinlich danach ihre Rede ans Publikum: mit piepsiger YouTubeStar-Stimme wirbt sie für ihre CDs und dass man sie im Internett laiken soll und ihr bei Fakebook followen soll...
Natalie Pütz > hat anschliessend ihren Solo-Part, indem sie Mit Leib und Seele anhebt zu singen. Auch das ist erstmal ein Schock für meine zarten Ohren. Klar kann sie singen, das hört man. Aber Mit Leib und Seele ist nunmal keine Musical-Nummer... Wenn dann Heinz dazukommt läuft der Song völlig aus dem Ruder (finde ich), denn die beiden Stimmen wirken noch inkompatibler als bei der auch schon schlimmen Version mit Julia Neigel vom "Ichbin"-Album. Ach wie rührend - sie legt ihre Hand auf seine Auuuugen... Man höre zum Vergleich die Mit Leib und Seele - Version vom 2004er Live-Album, um das Ausmass dieser akustischen Katastrophe vollständig zu erfassen.
Damit ist das Bemeckernswerte jedoch auch schon abgearbeitet. Schöneres gibts morgen zu berichten...
(tbc)