
Letztens war Heinz Rudolf Kunze in der Redaktion unserer Westdeutschen Wochenzeitung, um mit Lesern über seine Musik und sein künstlerisches Engagement zu diskutieren. Für mich überraschend, war Kunze unheimlich sympathisch, nichts wirkte aufgesetzt, sein Ansinnen ehrlich, sein Antrieb nachvollziehbar. Das hat mir den Spaß verdorben, denn ich finde Kunze nicht so toll, diese Deutschrock-Tümelei, diese Gutmensch-Attitüde, diese wiederholte Anbiederung an "Dylan" und "the Who". Doch an diesem Tag im sachlichen Konferenzraum drohte ein leidenschaftlich gepflegtes Feindbild einzustürzen. Sollten etwa auch die Konzerte besser sein als meine Vorurteile glauben machen? Die Gelegenheit war günstig, langes Wochenende, also auf nach Leipzig in das altehrwürdige „Haus Auensee“!
Ziemlich pünktlich kommt Heinz Rudolf Kunze am Donnerstagabend um nach acht auf die Bühne, trägt gänzlich Schwarz und sein Markenzeichen die dunkle RayBan-Brille. Rund 1500 Fans stehen vor der Bühne, das waren auch schon mal mehr. Das (gefährliche?) Kunze-Halbwissen lässt vermuten, dass es daran liegen könnte, dass der wahre Fan den echten Band-Spirit vermisst. Schließlich ist es, schon lange her, dass KUNZE in 1985iger Originalverstärkungsbesetzung „Dein ist mein ganzes Herz“ gespielt hat. Doch die jetzigen Herren an Kunzes Seite sind ja auch schon seit Jahren im Profimusikbusiness dabei.
Rockig rabiat steigen die fünf Mitmusiker mit „Astronaut in Bagdad" vom jüngsten Album „Protest" ein. Im ersten Teil der Show legen sie einen Schwerpunkt auf das frische Material, das Publikum folgt gerne. Musikalisch geht's hier auch mal originell zu. Mal schreien die Gitarren heftig, mal treiben die Musiker ein Lied langsam, aber unterhaltsam durch den Saal, er alte Diesel hat Dampf. Hier ein Hauch von Reggae, dort ne Ballade und gerne mal konventionelle Sounds: Da kommt keine Langeweile auf. Zwischendurch erzählt Kunze, was ihn zu den Songs bewogen hat. War ja klar. Er berichtet von Begegnungen in aller Welt, von seinem Unverständnis der Gesellschaft gegenüber und viel Unerklärbares. Dabei wirkt Kunze so entspannt und wenig moralinsauer, dass er die Stimmung nicht nachhaltig verdirbt. Das ist gut!
So gelingt mühelos der Wechsel zwischen nachdenklichen, vielleicht mahnenden Liedern und Party-Krachern wie „Dein ist mein ganzes Herz" „ Finden sie Mabel“, die später am Abend mehr Anteile bekommen. Diese Gassenhauer spielt die Band erstklassig aus, zieht sie im positiven Sinn mit Soli in die Länge, dass es eine wahre Freude ist. Jetzt ist Party.
Fast tut es mir da schon leid, dass mich das nicht so packt wie die 1499 anderen Zuhörer im Saal. Ich wehre mich halt erfolgreich. Ich will kein KUNZE-Fan sein. Warum auch immer.
Peter Langendorf