30.10.2007 Lörrach

pressebericht lörrach (badische zeitung, 02.11.2007):
Der Freejazzer des Wortes
Heinz Rudolf Kunze gastierte auf seiner "Intimbereich" -Tournee erstmals im Lörracher Burghof
Eine Tournee der leisen Töne hat Heinz Rudolf Kunze angekündigt. Doch ganz so intim geht es am Dienstagabend im Lörracher Burghof nicht zu. Die Stöpsel stecken noch, aber anstatt eine Band bildet der Liedermacher mit seinem langjährigem Partner Heiner Lürig (Gitarren) sowie Matthias Ulmer (Keyboards) und Martin Huch (allerlei Instrumente wie Hackbrett oder Mandoline) ein "Kuschelquartett" , das die Songs weicher als auf CD spielt und sie hie und da strahlen lässt.
Besonders das Fehlen eines Schlagzeugs wirkt sich wohltuend auf den Gesamtklang aus. Zurücklehnen und entspannen - diese zu Beginn des Konzerts von Heinz Rudolf Kunze ausgesprochene Einladung kann niemand missverstehen. Ansonsten sind klare Sätze seine Sache nicht. Im Gegenteil: Er reißt sie aus der Alltagssprache und seinen Gedankenflüssen heraus und setzt sie dem Publikum gedreht und gewendet vor - egal, ob sie von der Liebe handeln oder von Gott und der Welt. Auf die Spitze getrieben hat er das bei "Köpfe in der Kühltruhe" . Nicht umsonst hat Kunze seine Texte einmal als "Sprachbaustellen, die beim ersten Hören oft nur ansatzweise zu durchdringen sind" bezeichnet. Recht hat er. Der Mann ist ein Freejazzer des Wortes.
Manchmal gelingen ihm tiefsinnige Aphorismen, die Empfindungen präzisieren, wie "Ich hab' mit dir das Hoffnungslos gezogen" in "Rückenwind" , aber anderes geht eben auch daneben und endet in Trivialitäten. Als bitterböser Zeitgeistverächter zeigt er sich vor allem in den Zwischentexten. Von eingängigen Melodien und bluesigen, rockigen, spacigen Tönen umspült oder von einem zuckersüßen Sahnehäubchen aus mehrstimmigen Satzgesängen gekrönt, die an Crosby, Stills, Nash & Young erinnern, wird manchem Stachel die Spitze genommen und poetisches in seiner Kraft verstärkt. Die Kost gerät geradezu opulent, wenn sich eine jubilierenden Orgel, ein singendes Hackbrett oder mal auch ein hymnisches Gitarrensolo in den Sound mischt, und trotzdem bleibt am Ende manches, was nicht so schnell zu verdauen ist. Von dem swingenden "Finden Sie Mabel" aus dem Jahr 1986 über das melancholische "Abschied muss man lernen" von 2001 bis zu den Liedern der aktuellen CD "Klare Verhältnisse" (es ist sein 28.!) "Woran man mit mir war" , "Biedermeier" oder "Blues für die Beste" nehmen Heinz Rudolf Kunze und seine bestens aufgelegten Musiker die Fans mit auf eine Zeitreise. Fans sind zweifellos alle, die nach zweieinhalbstündigem Konzert begeistert immer wieder den Refrain von "Wenn Du nicht wiederkommst" singen, um den Pop-Poeten für eine Zugabe auf die Bühne zurückzuholen. Und der lässt sich nicht lange bitten: er kommt vier Mal wieder.
Barbara Ruda
31.10.2007 Day off