Die Anreise verlief trotz starkem Regen recht unaufgeregt, sehr bekannte Kunze-Orte lagen am Weg. Lengerich, Osnabrück, Espelkamp und die Fahrt führte uns Heute eben nach Rahden, einen Ort den wir im Normalfall wohl kaum angefahren wären. Jetzt können wir Euch diese Stadt aber Durchaus ans Herz legen, echt knuffig und interessant. http://www.rahden.de/ Rund um den sehr schön gelegenen Kirchplatz waren emsige Leute damit beschäftigt, Verkaufs-, Essen- und Getränkestände aufzubauen. Viele Holzbuden waren rundum drapiert und vermittelten ein gemütliches, wohliges Ambiente. Unter dem Titel „Dezember-Träume“ würde hier ab Freitag der traditionelle „Rahdener Weihnachtsmarkt“ stattfinden.

Auch in der Kirche herrschte schon um 16 Uhr geschäftiges Treiben. Peter Pichl und ein kleines technisches Team verkabelten die Kirche und sorgten so für Licht und Sound. Die Bühne war leider wieder mal recht klein mit 4x5 Meter. Peter will die Anweisung neu formulieren. Selber ist er sich aber bewusst, dass der folgende Branchenspruch wohl leider üblich ist „Nichts ist so alt, wie die aktuelle Bühnenanweisung“. Also nimmt man die vorgefunden Ge-gebenheiten so wie sie nun mal sind und macht das Beste daraus. Gegen 17 Uhr wird die Technik getestet. Mit Wolfgang und Hajo wird ein kleiner Soundcheck durchgeführt, mit ei-nem zufriedenen stellenden Ergebnis. Alles ist gescheckt und so kann man sich zurückziehen und sich auf einen schönen Konzertabend freuen. HEINZ und Wolfgang haben nur ein paar Tage Zeit gehabt ihre Erkältung, die bei HEINZ auch wohl die Stimmbänder arg in Mitleiden-schaft gezogen hatte und zur Verschiebung in Bruchhausen-Vilsen geführt hatte, zu kurieren. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer hätte sich eventuell sogar noch ein paar Tage mehr Ruhe gegönnt, aber diese drei umtriebigen Vollblutmusiker hält es nun mal nicht lange auf der gemütlichen Ofenbank. Die schnelle Genesung war erfreulich für die Konzertbesucher und für die Veranstalter Kül-Tür e.V. http://www.kul-tuer.de/, Evangelische Kirchengemeinde http://www.kirchengemeinde-rahden.de/und örtliche Sponsoren, natürlich auch, weil die Kirche mit rund 500 Personen so gut wie ausverkauft ist. Für die gerade mal vier Restkarten wäre die Öffnung der Abendkasse normal nicht mehr notwendig gewesen.
Pünktlich um 20 Uhr begrüßt der Kul-Tür Vorstand Detthard Wittler die Konzertbesucher mit einer netten Anekdote. Die Stadtarchivarin hätte ihm während der Konzertplanungsphase einen Zeitungsausschnitt gegeben, mit folgendem Inhalt - Zitat: „9. Mai 1968 – Osnabrück - der 12-jährige Heinz Rudolf Kunze vom Graf Stauffenberg Gymnasium in Osnabrück ist Sieger“ ...... mehr sei auf dem Zeitungsausschnitt nicht zu lesen, da die Archivarin damals mehr an dem Gedicht auf der Rückseite interessiert war und dieses entsprechend ausgeschnitten hatte. Durch Nachforschungen steht aber fest, dass es sich um den Sieger in Niedersachsen in der Vorausscheidung des bundesweiten Vorlesewettbewerbs des Deutschen Buchhandels handelte. Und dieser Sieger von damals steht Heute hier auf der Bühne der St. Johannis-Kirche und ist ein sehr erfolgreicher Künstler, mit noch viel mehr Auszeichnungen.
20:04 Uhr - Wolfgang und Hajo erobern unter viel Applaus die Bühne. Wolfgang´s Gitarre ist jedoch über die Lautsprecher nicht zu hören. Sekunden, die Peter vermutlich die Herztaktfrequenz in die Höhe treiben. Aufdrehen, wird zunächst an Wolfgang weitergegeben, das hilf jedoch nicht, die zweite Gitarre ist gut hörbar....mmh. Kabel vertauscht. Verflixt... Nach etwa drei Minuten kommt HEINZ aus dem Backstage (Sakristei) und ohne sich bei Wolli und Hajo anzumelden, ruft er spontan auf die Bühne „Ich schlage vor, ihr fangt noch mal an !“ und verschwindet genauso überraschend wie er aufgetaucht war. Die ganze Situation hat das Publikum recht erheitert zur Kenntnis genommen, so dass von Anfang an eine recht lockere, gelöste Stimmung aufkam. Was Peter jedoch auszuhalten hatte, möchte ich gar nicht wissen.
Die beiden Musiker beginnen den Abend mit einem neuen Intro (vergleich mit CD-Version) und spielen sich die Anfangsschwierigkeiten von der Seele. Auch ich möchte hier nicht nochmals die allseits bekannte Setliste aufzählen, sondern werde mich auf die Änderungen, Neuerungen beschränken. Es folgt der offizielle Auftritt von HEINZ, mit seinem lockeren „Na-bee..nd“ und der Vorstellung seiner Mitspieler „Zu Rechten Franz-Josef Jung, zur Linken Gui-do Westerwelle und mein Name ist Angela Merkel“ – „Wie gerade eben erlebt, nicht nur in Berlin, nein auch in Rahden, ist der Start der neuen Bundesregierung nun wirklich verpatzt“. Das Publikum kann abermals herzlich lachen...... und richtet sich auf musikalisch-literarische Streifzüge durch das umfangreiche Heinz Rudolf Kunze-Gesamtwerk ein.


HEINZ wechselt für „Regen in Berlin“ an das Keyboard. Durch die beengten Verhältnisse auf der Bühne, dauert es eine Weile und dann muss er feststellen, dass seine Notenmappe nicht auf seinem Notenständer liegt. Abermals wird auch hier nach dem Thema „Live ist Live“ laut-hals nach „Conny ?!“ gerufen. „Conny ?! hörst Du mich, bist Du irgendwo?“ Nach einiger Zeit kommt Conny (pers. Assistent) aus der Sakristei (für heute Abend „Backstage“) und wird nun von HEINZ gebeten „Bring mir doch mal die kleine Mappe mit den Hieroglyphen drauf, das sind die Noten“. Gesagt getan und Conny findet die Mappe und bringt sie schleunigst auf die Bühne. Naja – nach dem verpatzten Start und ohne Backliner war das letztlich auch nur ein Grund für das Publikum, das menschliche, handgemachte eben das Liveerlebnis wirklich hautnah zu spüren. HEINZ war sicherlich „Not amused“, aber auch er weiß, das so was schon mal passieren kann. Durch die am Vormittag stattgefundene, äußerst positive Pressekonferenz in Hannover, in der die Fünfjahresoption für die Kunze/Lürig-Musicals in den Herrenhäuser Schlossgärten bekannt gegeben wurde, konnte der Rest des Tages sowieso nur noch „gut“ werden.


Und so wurde das Konzert ja dann auch... eine rundum tolle Atmosphäre auf und vor der Bühne brachten das Publikum andauernd zum Zwischenapplaus und Standing Ovations. Was will der Künstler mehr.
21:05 Uhr – In die Pause schickt HEINZ die Zuhörer mit dem geliehenen, bekannten Satz „Trinkt Euch die Band schön“ – Vor und um die Kirche herum war der Weihnachtsmarkt und dessen Trink- und Essenstände geöffnet worden, die man nun zur Bewirtung der Konzertgäs-te nutzen konnte. Prima Timing des örtlichen Veranstalterteams. In Kirchraum hätte man wohl kaum eine Möglichkeit gehabt, diese Pause mit essen und trinken auszufüllen.
21:30 Uhr – Im bekannten Verlauf geht es weiter. Nach „Leg nicht auf“ folgt ein neuer TEXT: „Schwäche zeigen“ der seine Wurzeln wohl im tragischen Tot und die Art und Weise des öffentlichen Umgangs mit der Situation von Robert Enke hat.
Noch ein neuer TEXT folgt „ Haben sie auch die Verleihung der MTV Musikawards gesehen?“ fragt HEINZ ins Publikum. „Ich muss sowas ja gucken - Musikpreisverleihungen“ und dann verreißt er die ganze Branche in seiner Kunzeschen Art und Weise. Nun pfeift plötzlich ein Mikro überlaut, sodass HEINZ mal wieder gezwungen ist, ein wenig zu improvisieren. Wolfgang möge doch die Hand vom Mikro nehmen. Was wiederum Hajo zu einem Kommentar veranlasst. „Das Mikro hat wohl das Pfeifersche Drüsenfieber“ – ob solcher Sprüche sind die Lacher natürlich vorprogrammiert. So könnte man manchmal meinen, die kleinen technischen Probleme gehören ins Programm. Da merkt man sehr schnell wie viel Bühnenerfahrung die Drei da auf die Bühne bringen. Cool und gelassen überspielen sie diese nicht vorherzusehenden Begebenheiten und nutzen sie auch noch aus um die Stimmung anzuheizen.
Während „Finden Sie Mabel“ muss Peter sich auch noch auf den Weg zur Bühne machen um die Cajon von Wolfgang zum klingen zu bringen. Ein Konzertabend mit mehreren kleinen, teils vom Publikum unbemerkt gebliebenen technischen Problemen, die einzeln für sich etliche Aufgeregtheiten hätte hervorrufen können, geht um 22:30 Uhr mit dem ersten Bühnenabgang langsam zu Ende. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sitzt keiner mehr in den Kirchen-bänken, sondern jubelt ausgiebig und klatscht sich vor Begeisterung die Finger wund. Voll überzeugt von diesen drei Ausnahmekünstlern setzen sich die Zuhörer nur noch einmal hin, um mit dem wohl erstmalig von HEINZ vorgetragenen letzten Musikstück „ Als ich fortging“ (Dirk Michaelis 1989) zu lauschen. HEINZ solo an der Gitarre ganz ruhig, andächtig nahezu Gedanken verloren und sehr gelöst.
“Als ich fortging, war die Straße steil, kehr' wieder um,
nimm an ihrem Kummer teil, mach sie heil.
Als ich fortging, war der Asphalt heiß, kehr' wieder um,
red' ihr aus um jeden Preis, was sie weiß.
Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein,
ich weiß, du willst unendlich sein, schwach und klein.
Feuer brennt nieder, wenn's keiner mehr nährt,
kenn' ja selber was dir heut widerfährt.
Als ich fortging, war'n die Arme leer, kehr' wieder um,
mach's ihr leichter, einmal mehr, nicht so schwer.
Als ich fortging, kam ein Wind so schwach, warf mich nicht um,
unter ihrem Tränendach war ich schwach.
Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein,
ich weiß, du willst unendlich sein, schwach und klein.
Nichts ist von Dauer, wenn's keiner recht will,
auch die Trauer wird da sein schwach und klein.“
Was für ein toller Abschluss-Song für dieses Konzert. Abermals Standing Ovations und herzliche Verabschiedung in den wohl verdienten „Feierabend“. Ein grandioser Konzertabend endet um 23:10 Uhr. Wer bislang noch nicht von „Räuberzivil“ und den drei Künstlern überzeugt war, hatte spätestens jetzt großes Interesse die Live-CD mit nach Hause zu nehmen. Binnen kürzester Zeit waren alle CD´s an den Mann, die Frau gebracht. Ob damit der noch-malige Einstieg in die Charts zu schaffen ist?
Anmerkung zur Setliste „Legt die Waffen nieder“, “Won't Get Fooled Again” und „My Genera-tion“ wurde nicht gespielt.
(CC) Kalle Prigge