Kunze im Krieg mit Worthülsen
LESUNG Kritik an Umgangssprache – Ironisch und nachdenklich

Ohne Schnauzer: Heinz Rudolf Kunze stellte im Gymnasium sein neues Buch vor.
Sein schwarzer Humor kam nicht bei allen Besuchern gut an. BILD: KERSTIN WILL
VOLKSWEISHEITEN WURDEN SEZIERT. MIT DER DEUTSCHEN SPRACHE NIMMT ES KUNZE GENAU.
VON KERSTIN WILL
BRAKE - Erwartungsvoll sitzt das Publikum am Sonnabend im Braker Gymnasium. Angekündigt wird Heinz Rudolf Kunze, doch zunächst kommt erst einmal sein Freund und Manager Wolfgang Stute auf die Bühne.
Er wird bei der Lesung den Künstler musikalisch an der Gitarre unterstützen. Dann erscheint der Meister selbst. Im Laufe der Jahre hat er sich verändert: Der charakteristische Schnauzer ist ab und seine schwarze, markante Sonnenbrille muss einer unscheinbaren Lesebrille weichen. Dennoch erscheint er auf der Bühne, wie seit vielen Jahren: mit Jeans, Weste und einem schwarzen T-Shirt.
Ironie und Sarkasmus
Vielen, die Heinz Rudolf Kunze aus der Zeit kennen, in der er kritische Texte auf Platte bannte, erleben an diesem Abend einen ganz anderen Mann.
Dieser jedoch sprüht noch immer vor Intellekt. Sein Sinn für Humor, oftmals jedoch rabenschwarz, kommt unterschiedlich beim Publikum an. Die Texte aus seinem neuen Buch „Saldo mortale“ sind gesellschaftskritisch und halten den Menschen einen Spiegel vor, in den sie nicht immer sehen wollen. Sie sind ironisch, teilweise sarkastisch, hin und wieder sehr böse oder nachdenklich. Platte Witze sind nichts für Kunze. Er studierte Philosophie und Germanistik und gab sein Dasein als Deutschlehrer auf, um sich voll und ganz der Musik hinzugeben.
Die deutsche Sprache nimmt er deshalb genau unter die Lupe: Musik wird zum „download“ und „MP3“ klinge wie ein Maschinengewehr. Promis dürften sich alles erlauben. Auch Volksweisheiten werden seziert. Vorsicht unter anderem vor Leuten, die Fünfe gerade sein ließen, sie könnten sicher nicht bis drei zählen.
Vieles komme nur als leere Worthülsen daher. So soll man sich vor Leuten hüten, die die Seele baumeln lassen, denn es könnten Henker sein. Überall wirft Kunze einen kritischen Blick drauf. So könnten Kirchen bald ganz schließen, denn Menschen unter 70 Jahren könnten keine Fragen mehr zur Bibel beantworten, so Kunze.
Vielfalt überzeugt
Wolfgang Stute, der wie ein Derwisch Gitarre spielte oder auf dem Cajon, das er auch als Sitz nutzt, für den Rhythmus sorge, unterstützte Kunze bei seinem Auftritt.
Auch wenn die rund 120 Besucher hin und wieder nur verhalten Applaus klatschen, zeigten sie sich doch sehr begeistert von der Vorstellung und spendeten am Ende stehende Ovationen für zwei Künstlern, die vor allem durch ihre Vielfalt überzeugten.