ANYONE´S DAUGHTER + HRK live Doppel-CD

[Kalle]

ANYONE´S DAUGHTER mit Heinz Rudolf Kunze - CALW LIVE



VÖ: 20.05.2011 SPV 79142 DCD

Fast auf den Monat genau 30 Jahre ist es jetzt her, dass eine der ungewöhnlichsten und gelungensten Alben einer deutschen Rockband veröffentlicht wurde: Im Frühjahr 1981 erschien Piktors Verwandlungen, das dritte Album der süddeutschen Kultformation Anyone´s Daughter, ein knapp 40minütiges Epos auf der Grundlage des gleichnamigen Märchens von Hermann Hesse, des berühmten deutschen Dichters. Die Scheibe gilt als Meisterwerk des deutschen Prog Rocks, voll fantastisch-atmosphärischer Musik und magisch anmutenden Textauszügen. Mit mehr als 30.000 verkauften Exemplaren wurde Piktors Verwandlungen zur erfolgreichsten Veröffentlichung der Gruppe und zum unvergessenen Klassiker. Es lag also quasi auf der Hand, anlässlich des 125. Geburtstag Hesses im Sommer 2002 Piktors Verwandlungen in dessen baden-württembergischer Geburtsstadt Calw noch einmal aufzuführen.

Der 3. August 2002 ist somit ein denkwürdiger Tag, sowohl für die Anhänger Hermann Hesses, als auch für Calw und natürlich speziell für Anyone´s Daughter. Die Band führte an diesem Abend die gesamte Konzeptscheibe noch einmal auf, eingerahmt durch drei ältere Nummern und einige Stücke der seinerzeit aktuellen Veröffentlichung Danger World. Insbesondere bei den neueren Nummern offenbart sich die große stilistische Bandbreite der Band, die in ihren Songs nicht nur mystisch-sphärisch, sondern auch rockig und zupackend zu Werke geht. Gast bei diesem unvergesslichen Konzert war Heinz Rudolf Kunze, selbst ein Anhänger des deutschen Dichters und mit seiner charismatischen Stimme als Rezitator des Hesse-Textes geradezu prädestiniert. Mehr als 9000 begeisterte Zuschauer wurden auf dem Markplatz Calw Zeuge dieses historischen Schauspiels. „Der Abend war ein großartiges Erlebnis, natürlich wurde man in eine andere Zeit zurückversetzt, ohne jedoch das Gefühl zu bekommen, dass dies nicht mehr zeitgemäß ist“, erinnert sich Keyboarder Matthias Ulmer, einer der Gründungmitglieder von Anyone`s Daughter und selbst in Calw geboren. „Insgesamt fünf Tage probten wir, um Piktors Verwandlungen wieder zu erarbeiten. Wir hatten das Stück seit 18 Jahren nicht mehr gespielt, außerdem mussten unser neuer Bassist Raoul Walton und unser Schlagzeuger Peter Kumpf die Nummern erst lernen. Am letzten Tag der Proben stieß dann Heinz Rudolf Kunze zu uns.“

Heinz Rudolf Kunze Kunze verlas die in das Stück fließend eingearbeiteten Texte Hesses, seine poetische Parabel auf Veränderung, Selbstfindung, Liebe und den Sinn des Lebens. Passend dazu die verträumt-mystische Stimmung der Songs, die den Zuhörer mit auf eine faszinierende Reise durch Musik und Prosa nehmen. „Hesse war in unserer Jugend der wichtigste Autor und für mich der Inspirator auf der Suche nach einer eigenen Lebenssicht“, erklärt Gitarrist und Gründungsmitglied Uwe Karpa. Kein Wunder also, dass Piktors Verwandlungen wie geschaffen für die Musiker von Anyone`s Daughter war.

Den Abschluss dieses denkwürdigen Konzertes bildete die John Lennon-Nummer ´Imagine`, in der Anyone´s Daughter und Heinz Rudolf Kunze gemeinsam musizierten. Ein Duett, das dem stimmungsvollen Abend eines denkwürdigen Abschluss bescherte. Ulmer: „Es war sehr bewegend, dieses große Publikum mit Piktors Verwandlungen zur Ruhe zu bringen. Man hatte das Gefühl, dass wirklich alle bis in die letzten Reihen im Bann des Stücks standen, was natürlich nicht zuletzt auch an der bewegenden Interpretation von Heinz Rudolf Kunze lag.“ Kunze selbst sieht dies ganz ähnlich: „Das Konzert in Calw war, wie Arno Schmidt sagen würde, ein Abend mit Goldrand“, erklärt er, „Tausende von Menschen auf dem Marktplatz vor der Bühne und Hesses Geburtshaus rechts von uns: Wir lieferten sicher eine der denkwürdigsten Shows in der langen Geschichte dieser Band ab, und ich durfte als Gast dazu beitragen.“

TRACKS
CD1
Ansage 0:20
Swedish Nights 5:05
Between The Rooms 6:05
Buchstaben 2:15
Piktors Verwandlungen 36:16

CD2
Ansage II 0:59
Nina 4:00
Danger World 6:11
I’ll Never Walk That Road Again 5:37
Helios 3:45
Wheel Of Fortune 5:59
Moria 6:01
Imagine 7:38

BESETZUNG: Uwe Karpa – Gitarre, André Carswell – Gesang, Raoul Walton – Bass, Peter Kumpf – Schlagzeug, Matthias Ulmer – Keyboards - Gast: Heinz Rudolf Kunze

siehe auch AMAZON: http://www.amazon.de/Calw-Live-Heinz-Ru ... 988&sr=1-1

[MartinB]

Mir ist das Ding seit einger Zeit als Bootleg bekannt - Piktors Verwandlungen und Moria sind darauf zu hören. Von daher freue ich mich auf die CD und möchte sie hier gern allen Kunze-Interessierten empfehlen. Braucht schon Ruhe und Aufmerksamkeit. Wenn man sich darauf einlässt wird man mit einem schönen tiefsinnigen und poetischen "Abflug" belohnt. Hesse zu mögen (bei mir etwa seit Erspriessen der Schambehaarung der Fall) hilft natürlich sehr dabei, den Genusswert dieser Aufführung auszukosten. Mainstream-Kunzefans wird das ganze zu kopflastig und verfrickelt sein. Hardcorefans, die immer noch auf die Fortsetzung von Draufgänger warten sei geraten, Voreingenommenheiten aller Art abzuschütteln und sich auf etwas ganz anderes einzustellen. Ich persönlich freue mich besonders auf Imagine und bin gespannt, ob der deutsche Text von Heinz auch zum Einsatz kommt.

[Kalle]

Aus dem Booklet

Ich bin geneigt, Hermann Hesse vor seinen verkopften Verächtern als auch vor seinen unkundigen Verehrern in Schutz zu nehmen. Weder ist er der gefühlige Spätromantiker unter Kitschverdacht, zu dem ihn manche abstempeln wollen, noch der Kerouac-Vorläufer und Stichwortgeber für Möchtegern- Outlaws, den die Hippiegeneration in ihm sah. In der für den deutschsprachigen Roman glanzvollen ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts nimmt Hesse zwischen Thomas Mann, Hermann Broch, Robert Musil, Hans Henny Jahnn und vielen anderen eine ganz eigene Position ein, hellsichtig, tiefsinnig und mit einer Sprachbegabung, die ihn zweifellos leichter lesbar macht als den einen oder anderen Großmeister. Und auch bei ihm, nicht nur bei Thomas Mann, sind viele Bezüge zu Goethe gegeben, wenn auch aus einer anderen Denkrichtung kommend.
Das Konzert in Calw mit Anyone´s Daughter war, wie Arno Schmidt sagen würde, ein Abend mit Goldrand, Tausende Menschen auf dem Marktplatz vor der Bühne und Hesses Geburtshaus rechts von uns: Wir lieferten sicher eine der denkwürdigsten Shows in der langen Geschichte dieser Band ab, und ich durfte als Gast dazu beitragen, ihr Konzept- (und Erfolgs-) album „Piktors Verwandlungen“ aufzuführen. Eines von Hesses unergründlichen, vieldeutigen Märchen diente den Musikern als Ausgangspunkt für eine ausgedehnte Klangreise, in der hier und da ein Erzähler zu Wort kommt wie bei „Peter und der Wolf“ – in diesem Fall ich. Nach uns spielte, es war Hesses Geburtstag, selbstverständlich „Steppenwolf“ – nach meinem Eindruck hatten sie nach unserem Auftritt keine Chance mehr. Wir hatten sie weggepustet. Mehrere Mitglieder von PUR, die alte Anyone´s Daughter-Fans sind, bestätigten das. Und für mich war es sowieso und überhaupt eine große Ehre und ein großes Vergnügen, mit der Band von Matthias Ulmer zu arbeiten, der seit vierzehn Jahren mein Keyboarder ist und mit dem ich die Vorliebe für den „progressiven“ Klassik-Rock der 70er Jahre teile, eine Richtung, die in Deutschland außer Anyone´s Daughter kaum nennenswerte Vertreter gefunden hat. It was a pleasure.

Heinz Rudolf Kunze, März 2011