
Himmelfahrtskommando
Gibt es ein Leben nach dem Tod? Um Himmelswillen, diese Frage ist doch nicht der Stoff, aus dem man Schlagertexte macht! Oder doch? Denn seit je her handeln die meisten Lieder von der Liebe und vom Tod. Das sind ja schließlich die wesentlichen Themen.
Aber man muss bei Heinz Rudolf Kunze schon zwei Mal hinhören, bis man die tiefere Bedeutung seiner unverschämt fröhlichen Single "Hallo Himmel" erfasst. Denn dieser gut gelaunte Ohrwurm - die erste Single-Auskopplung aus dem neuen Album "Stein vom Herzen" - ist zuallererst eine wunderbare Pophymne im Sound der Sixties. Ein Song mit Hitqualitäten und einem unwiderstehlichen Refrain, wenn man so will auch ein Querschlager mit philosophischem Mehrwert.
Alle reden vom Wetter. Kunze nicht. Auch wenn er den blauen Himmel und weiße Wolken beschreibt. Ihm geht es angesichts des Firmaments um die letzten Dinge und die eigene Vergänglichkeit. Ein Pop-Philosoph sieht dem Ende mit heiterer Gelassenheit entgegen. Ohne Angst und Verbitterung. "Es ist halt irgendwann mal Schluss", um diese Erkenntnis kann sich niemand drücken. Vielleicht ist das aber auch gar nicht so schlimm, denn "hier unten wird es ziemlich eng / es läuft nicht gut und riecht auch streng / im besten Falle ist es kurios."
Kunze nähert sich himmelhochjauchzend (und keinesfalls zu Tode betrübt) einem der letzten großen Tabus unserer Spaßgesellschaft. Sein musikalisches "Momento Mori" wirkt wie ein fröhliches Pfeifen im dunklen Wald. Es ist ein Song übers Loslassen, ein Song gegen die Verzweiflung. Keine Predigt, sondern Pop. Radiofutter für gute und für schlechte Zeiten.
Der Himmel müsste taub sein, wenn er diesen hoffnungsvollen Hilferuf nicht erhört - und auch beim Letzten die Lebensgeister wieder weckt. Ein Happy End? Aber hallo!
Soweit der Kommentar vom Label. Wem dieser Text jetzt Angst gemacht hat (die "Sixties" kann ich nicht ganz einordnen), dem sei gleich mal gesagt, dass die Nummer großartig ist. Für HRK-Eingeweihte vermutlich die beste Single seit 14 Jahren. Ein zupackender Popsong, so ziemlich das Gegenteil zu den gar zu seichten "Hunderttausend Rosen", und eben auch mit dem kunzetypischen Widerhaken. Und der könnte manch einer Radiostation ein Problem bereiten. Der Song selbst, geschrieben übrigens von Carstens/Grujovski, hat Radiopotential ohne Ende. Aber der Text könnte im Formatradio leichte Verstörung zur Folge haben. Nicht weil es um den Tod geht, das kennt das deutsche Radiopublikum seit Xavier zur Genüge, sondern weil man die Thematik frühestens Ende der zweiten Strophe, und mehr beiläufig mitbekommt. Bis dahin geht "Hallo Himmel" nämlich als Hymne für Sportflieger durch. Erst die Zeile "Da unten war ich gar nicht so beliebt" stellt das positive Feeling unvermittelt auf den Kopf. Allerdings nur kurz, wenn man dann die eigentliche Message erkennt.
Übrigens, das pfiffen die Spatzen ja schon von den Dächern, haben Jens und Zoran nicht nur diesen Song geschrieben, sondern auch mit Heinz zusammen die Produktion der Platte übernommen. Und bereits diese Single kündigt einen Aufbruch an. HRK wird wieder atmungsaktiver. Das Korsett ist weg. Die Spielfreude vom Räuberzivil-Album hat die Verstärkung erfasst. Aber dazu in den nächsten Wochen mehr.