Osnabrück. Heinz Rudolf Kunze verspätet sich um fünf Minuten und entschuldigt sich ohne Umschweife. „Das ist sonst nicht meine Art“, betont der Musiker, der 1988 aus Osnabrück wegging, um mit seiner Karriere richtig durchzustarten. Sein Bruder Rolf-Ulrich ist heute Professor für neue und neueste Geschichte an der Universität Karlsruhe.

Vater Rudi Kunze, der einjährige Rolf-Ulrich, Mutter Gerda und der 13-jährige Heinz Rudolf am zweiten Advent des Jahres 1969. Fotos: privat, dapd
Zwölf Jahre Altersunterschied trennen die Brüder. Heinz Rudolf kam 1956 im Flüchtlingslager Espelkamp zur Welt. Von dort führte der Weg die Familie aus der Niederlausitz an die Hase, wo Rolf-Ulrich 1968 geboren wurde. „Meinen Namen hat mein Bruder für mich ausgesucht“, sagt der Historiker, Politikwissenschaftler und Jurist. Inwieweit die Eltern der beiden daran mitgewirkt haben, ist nicht überliefert.
Der Altersunterschied eint die beiden aber auch. Eifersucht habe es nie untereinander gegeben, eher ein liebevolles Miteinander, soweit das eben möglich war. Als Rolf-Ulrich noch ein Kind war, ist sein älterer Bruder zuhause ausgezogen. „Er hat mich aber immer auf rührende Weise unterstützt“, erinnert sich Rolf-Ulrich. Und auch umgekehrt sei das so gewesen. So sei er ein ums andere Mal bei Konzerten seines Bruders dabei gewesen – oft zusammen mit seinen Eltern. Außerdem hat Rolf-Ulrich in dem Video zu „Tohuwabohu“ den jungen Heinz Rudolf gemimt und ist darin mit seinem Bruder zu sehen.
Auch wenn der Kontakt heute eher sporadisch sei, das Interesse aneinander sei immer da, sagen beide in getrennten Gesprächen mit unserer Zeitung.
Heinz Rudolf Kunze sitzt derzeit in Hannover und freut sich: „Ich bin gerade fassungslos über die beste Kritik meines Lebens im ,Rolling Stone‘“. Die Rezension gilt dem neuen Album „Räuberzivil“, das der Musiker am 7. September mit der Gruppe „Verstärkung“ veröffentlicht. Außerdem bereitet er ein neues Album unter seinem Namen vor, das im April in Island eingespielt werden soll.
1985 erschien seine Single „Dein ist mein ganzes Herz“, und erzielte wenig später Goldstatus. Bis heute hat er 22 Studioalben veröffentlicht, er schreibt auch für andere Musiker, wie Hermann van Veen, und ist als Journalist und Schriftsteller unterwegs.
„Mein musikalisches Initial hatte ich in Osnabrück“, sagt Heinz Rudolf Kunze, der mit acht Jahren Klavierunterricht erhielt. Später brachte er sich selbst das Gitarrenspiel bei und besuchte mit Vorliebe den Hyde Park.
„Als ich 14 war, fragten mich Studenten, ob ich in ihrer Band mitmachen möchte“, erinnert sich der Mann nicht ohne Stolz, der den Start seiner Musikkarriere auf das Jahr 1980 datiert. Damals hatte er einen Preis beim deutschen Pop-Nachwuchs-Festival in Würzburg gewonnen. „Ich habe aber nie geglaubt, dass man mit Musik sein Geld verdienen kann.“
Musik und Wissenschaft – beides sei in ihrem Elternhaus, einem „kleinbürgerlichen Lehrerhaushalt“, wie Heinz Rudolf ihn nennt, sehr gefördert worden. Der Vater habe als Kriegsheimkehrer lediglich ein Notstudium absolvieren können, bevor er als Lehrer arbeitete. „Elisabeth Siegel hat ihn sehr geschätzt und später als Assistent an die damalige Pädagogische Hochschule geholt“, erzählt Heinz Rudolf Kunze und: „Wir hatten immer Berührung mit der wissenschaftlichen Welt.“
Er selbst plante, Germanist zu werden. Er studierte an den Universitäten Osnabrück und Münster, um als Lehrer zu arbeiten, bis eine Assistentenstelle frei war. Doch nach dem ersten großen Musik-Erfolg setzte er alles auf eine Karte und wurde Musiker. Das Studium schloss er noch ab. „Ich wollte nicht umsonst studiert haben“, erinnert er sich.
„Ich hatte sogar ein Jahr länger Klavierunterricht“, erzählt Rolf-Ulrich, für den recht früh klar war, dass er aus Osnabrück weggehen möchte. Eine Musikerkarriere kam für ihn nie in Frage. „Ich entfalte mich im Schreiben“, sagt Rolf-Ulrich Kunze, der bis ins Jahr 2003 für das Stadtblatt Bücher rezensierte. Für die „Frankfurter Rundschau“ und den „Eulenspiegel“ arbeitete er als Satiriker. Rolf-Ulrich Kunze studierte in Frankfurt am Main und Würzburg – und lebt immer noch im Süden der Republik, obwohl er einst in Berlin oder Hamburg arbeiten wollte. „Aber ich habe hier meine Frau kennengelernt, und sie arbeitet hier als Juristin“. Klavier spielt er nur privat. „Aber mein Sohn geht auf ein Musikgymnasium“, erzählt Rolf-Ulrich Kunze.
Heinz Rudolf Kunze wiederum war auch in der Wissenschaft tätig. Zwei Semester lang lehrte er am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück. Inzwischen macht er das nicht mehr. „Die Vorbereitung frisst sehr viel Zeit.“ Und wenn er Professur angeboten bekäme? Die Entscheidung würde er sich genau überlegen.
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